Mario Monti und Gabor Steingart beim Gespräch im Palazzo Giustiniani, Rom, für den Newsletter „Morning Briefing“. Foto: Morning Briefing
Ein Italiener denkt über die deutsche Sprache nach:
Die deutsche Sprache ist die einzige Sprache, in der das Wort Schulden eine doppelte Bedeutung besitzt. Viele Deutsche denken automatisch an Schuld.
Mario Monti, Ex- Ministerpräsident und Ex-EU-Kommissar in Brüssel, in einem Gespräch mit Gabor Steingart (Morning Briefing-Newsletter 1.2.19)
Sigmund Freud, Zigarre rauchend, auf einer Fotografie 1921 von Max Halberstadt. Foto: Wikipedia
Durch die Digitalisierung verändert sich vieles: Für die Massenproduktion von Texten und Bildern brauchen wir keine Druckmaschinen mehr und für Fotos keine Negative, um in der Dunkelkammer Positive, also Bilder zu produzieren, die der Wirklichkeit entsprechen. So werden manche Sprachbilder für die digitalen Ureinwohner unverständlich. Ein Beispiel aus dem Text von Sigmund Freud über das Unbewusste, vor einem Jahrhundert geschrieben:
Eine grobe, aber ziemlich angemessene Analogie dieses supponierten Verhältnisses der bewußten Tätigkeit zur unbewußten bietet das Gebiet der gewöhnlichen Photographie. Das erste Stadium der Photographie ist das Negativ; jedes photographische Bild muß den »Negativprozeß« durchmachen, und einige dieser Negative, die in der Prüfung gut bestanden haben, werden zu dem »Positivprozeß« zugelassen, der mit dem Bilde endigt.
Wer als Lokalredakteur oder Fotograf vor vierzig Jahren mit seiner Kamera in die Dunkelkammer ging (die sich oft in der Toilette befand), kennt diesen Prozess; wer seine Fotos gleich auf dem Display der Kamera oder des Smartphones betrachtet, hat vom „Negativ“ allenfalls einen theoretischen Begriff.
Der Schriftsteller Bernhard Schlink. Sein neuer Roman „Olga“, erschienen bei Diogenes. Foto: Alberto Venzago – Diogenes Verlag
„Ich versuche, so zu schreiben, dass es jeder lesen kann und lesen mag“,
sagt der Dichter Bernhard Schlink in einem SZ-Interview. „Ist das der Grund, dass Sie kurze, prägnante Sätze schreiben, diesen Schlink-Stil?“, fragt der Redakteur.
„Ich will nicht, dass meine Leser und Leserinnen sich mit dem Entziffern meiner Texte abmühen. Sie sollen sich mit der Geschichte, den Personen, den Gedanken beschäftigen können.“
Quelle: Süddeutsche Zeitung 21. Januar 2018 „Ich wollte ein Volksschriftsteller werden“
Facebook-Kommentar von
Guter Hinweis, danke dafür. Aus diesem Grund empfehle ich noch immer das Buch von E. A. Rauter „Vom Umgang mit Wörtern“. Stammt zwar aus einer anderen Zeit, wie sich an vielen Textbeispielen unschwer erkennen lässt. Enthält aber viele Merksätze für den journalistischen Alltag. Zum Beispiel, dass man nur etwas verständlich vermitteln kann, was man selbst verstanden hat. Oder dass man Lesern nicht die Arbeit überlassen darf, die man sich selbst beim Schreiben nicht machen wollte oder konnte.
Anne Will moderiert ihre Talkshow am Sonntag nach dem Tatort. Foto: NDR
Sie hat es gut gemeint in ihrer Talkshow: Anne Will dachte an die weiblichen Zuschauerinnen, als sie fragte: „War Angela Merkel jemals so in der Hand der Sozialdemokraten, zunächst der Delegierten, dann noch“ – und jetzt stolpert sie in die sprachliche Gender-Falle – „der Mitgliederinnen und Mitglieder.“
Nun ist das „Mitglied“ sprachlich weder Mann noch Frau, sondern eine Sache wie das Kind und das Weib – und auch gendermäßig einfach ein Neutrum.
Info:
Wer nachschauen will: Nach knapp neun Minuten sind die „Mitgliederinnen“ zu hören.
Hans-Jürgen Bucher ist Professor der Medienwissenschaft Trier. TV-Foto (2013): Marcel Wollscheid
Hans-Jürgen Bucher war der erste Professor, als vor zwanzig Jahren die „Medienwissenschaft“ in Trier gegründet wurde. Zum Jubiläum, das am Samstag (27. Januar 2018) gefeiert wird, sprach ich mit Professor Bucher über das Verhältnis von Medienwissenschaft und Journalisten, die Ausbildung von Journalisten in den USA und in Deutschland sowie den Unwillen von Journalisten an der Weiterbildung.
Herr Professor Bucher, Medienwissenschaftler und Journalisten in Deutschland scheinen in verschiedenen Welten zu leben. Was läuft da schief?
Nichts, ich sehe darin kein Problem, sondern eine Chance: Journalisten und Medienwissenschaftler müssen in zwei verschiedenen Welten leben. Täten sie das nicht, würden sich die wechselseitige Kritik und Befruchtung aufheben. Journalismus unterliegt z.B. der Aktualitätsmaxime, was für die Wissenschaft nicht gelten kann, die an langfristigen Erkenntnissen – genannt Grundlagenforschung – interessiert sein muss. Journalismusforschung ohne Distanz zum Journalismus ist rein logisch gar nicht möglich – wenn sie nicht zur Reportage über Journalisten verkommen möchte (was es natürlich auch manchmal gibt).
Das hört sich nett an: Wechselseitige Befruchtung. Die setzt aber Begegnung voraus: Wie kommen nun Medienwissenschaftler und Journalisten in einen Dialog?
Zum Beispiel dadurch, dass man sich gegenseitig zu Tagungen einlädt, wie wir das in der Trierer Medienwissenschaft bei einer Tagung zur journalistischen Qualität getan haben. Auch anwendungsorientierte Forschungsprojekte in Kooperation mit Redaktionen sind ein guter Weg, in einen Dialog zu kommen. Wir haben das bei verschiedenen Relaunch-Projekten von Zeitungen ebenso praktiziert wie bei der Evaluierung von Online-Angeboten.
Sie lehrten als Gastprofessor in den USA, wo die Kommunikation zwischen Redaktionen und Wissenschaft alltäglich ist. Dort werden alle Redakteure an Universitäten ausgebildet. Wäre das ein Vorbild für uns?
Diese Frage wird für die Journalistenausbildung in Deutschland gestellt, seit sich Karl Jäger und Emil Dovifat in den 1920er-Jahren mit den viel älteren US-amerikanischen Universitäts-Curricula für Journalisten befasst haben. Beide haben darauf hingewiesen, dass bei einem Vergleich der Ausbildungswege auch die Unterschiede zwischen den Journalismus-Kulturen in den beiden Ländern zu berücksichtigen sind.
Beide beurteilen demzufolge die universitäre Journalisten-Ausbildung in den USA als „Drill“ und „Berufsausbildung“, während in Deutschland, damals wie heute, der Ansatz einer „Berufsbildung“ oder „Berufsvorbildung“ – wie es bei Jäger heißt – verfolgt wird.
Also doch unser „Learning by doing“ mit ein bisschen Journalistenschule zwischendrin?
Man kann lange darüber streiten, welches der bessere Weg ist. Im Grund haben wir in Deutschland ja beide Modelle: Auf der einen Seite die stark am Beruf ausgerichteten Studiengänge, beispielsweise in Dortmund und Leipzig oder an den Hochschulen Darmstadt und Bremen; auf der anderen Seite die stärker wissenschaftlich ausgerichteten Studiengänge, die wissenschaftliches Wissen über Medien und Journalismus im Sinne eines Orientierungswissens für den späteren Beruf vermitteln.
Ich persönlich halte den zweiten Weg angesichts der hohen Dynamik der Medienentwicklung derzeit für nicht verzichtbar: Universitäten können nicht ein Volontariat ersetzen, und sie sind auch keine Fachhochschulen für die Berufsausbildung.
Hat das zur Folge, dass ein angehender Medienwissenschaftler dem Journalismus fern bleibt, nie in eine Redaktion schaut?
Es spricht überhaupt nichts dagegen, in das zu vermittelnde Orientierungswissen auch die Perspektive der aktuellen Medienpraxis einzubeziehen, sei es durch Lehrbeauftragte aus dem Journalismus, verpflichtende Praktika und medienpraktische Lehrveranstaltungen oder – wie wir das in Trier praktizieren – durch eine Honorarprofessur, die von einem Medienpraktiker und Medienberater besetzt ist.
Gehört die Journalistenausbildung also, wenn überhaupt, an die Fachhochschule? Oder in die großen Akademien der Konzerne wie bei Springer oder RTL?
Viele Wege führen in Deutschland in den Journalismus, und das halte ich für einen Vorteil und keinen Nachteil. Die Anforderungen in den verschiedenen Redaktionen sind auch so unterschiedlich, dass es falsch wäre, den Berufszugang auf ein Modell zu beschränken. Der Redakteur bei der ZEIT braucht andere Qualifikationen als ein Lokaljournalist oder der Video-Reporter für ein Online-Magazin.
Entscheidend ist, dass die Weiterbildungsangebote auch nach dem Abschluss der ersten Phase einer hochschulgebundenen Ausbildung vorhanden sind. Hier würde meine Kritik ansetzen – auch aus der eigenen Erfahrung an einer Journalistenschule: Kaum ein Berufsstand ist so weiterbildungsresistent wie Journalisten. Würde sich das ändern, hätte das gravierende Auswirkungen auf die Qualität der verschiedenen Medienangebote.
Steckt die Journalismus-Forschung bei uns, im Vergleich zu den USA, noch in den Kinderschuhen?
Nein, das Gegenteil erleben Sie immer wieder in Forschungs-Kooperationen und auf internationalen Tagungen: Die Journalismusforschung hat in Deutschland in den letzten 40 Jahren eine eigenständige Entwicklung genommen, mit einer gründlichen theoretischen Fundierung, die es so in den USA nicht gegeben hat. Diese Entwicklung spiegelt sich auch darin, dass für den Journalismus und die Journalismusforschung eine vorbildliche deutschsprachige Einführung- und Fundierungs-Literatur vorliegt.
Wolf Schneider, einer der Großen des Journalismus, rät dringend ab, Germanistik, Soziologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaften zu studieren. Ein junger Mensch verplempere dafür Jahre seines Lebens. Woher kommt diese weit verbreitete Verachtung des Akademischen im Journalismus?
Ich halte das für keine Mehrheitsmeinung. In ihrer Pauschalität leisten sie auch populistischen, anti-intellektuellen Strömungen Vorschub. Dahinter scheint mir die Auffassung zu stecken, dass Journalismus ein Begabungsberuf ist, den man nicht erlernen kann. Je komplexer die Medienlandschaft wird, umso weniger ist es ausreichend, nur gute Texte schreiben zu können. Im Übrigen hätten Wolf Schneiders Bücher zum journalistischen Schreiben eine bisschen mehr akademisch-linguistisches Basiswissen gut getan.
Sie sind einer der wenigen Professoren, der aus dem Journalismus kommt. Zwar wollten Sie eigentlich Sportlehrer werden, aber gingen nach dem Referendariat in die Wissenschaft, promovierten und lehrten als Dozent am Haus Busch, einer der bedeutenden Ausbildungs-Stätten in den achtziger und neunziger Jahren. Warum volontierten Sie dann noch beim Schwäbischen Tagblatt in Tübingen?
Ich wollte – neben meiner Neugier – wissen, ob meine Ideen für einen guten Journalismus auch praxistauglich sind. Wir hatten an der Journalistenschule das Konzept „Textdesign“ entwickelt – also die Idee, dass Form und Inhalt auch im Journalismus zusammengehören und deshalb Design nicht Verpackungskunst ist, sondern Teil des Journalismus.
Ich hatte bereits während meiner Promotion zu einem Pressethema verschiedene Praktika bei der Lokalzeitung in Tübingen, dem Schwäbischen Tagblatt, absolviert und dabei ein Volontariats-Angebot erhalten, das der damalige Chefredakteur mir für einige Zeit offen gehalten hat. Ich habe das Angebot dann aufgegriffen, da das Schwäbische Tagblatt damals als eine der innovativsten und besten Lokalzeitungen in Deutschland galt.
Die „taz“ beschrieb es 2004 als „eine journalistische Blüte im Sumpf einer von kleinmütigen und buchhalterischen Verlegern beherrschten Zeitungslandschaft“. Die erschien mir als gute Lehrstelle mit den entsprechenden Freiräumen zum Ausprobieren unkonventioneller Ideen – was sich auch bestätigt hat.
„Der Kontrast zum langatmigen wissenschaftlichen Arbeiten kam mir damals sehr entgegen“, zitiert sie die Süddeutsche Zeitung. Haben Sie in den zwei Jahrzehnten als Hochschul-Lehrer die Brücke schlagen können: Weniger langatmig, mehr knapp und hilfreich?
Zumindest kam mir beim Aufbau des Studienganges „Medienwissenschaft“ an der Universität meine journalistische Praxiserfahrung sehr zu Hilfe. Ich hatte ja nach der Zeitung noch als Hörfunkjournalist im Tübinger Landestudio des SWR – der damals noch SWF hieß – gearbeitet und auch journalistische Weiterbildungsseminare an verschiedenen Universitäten und Einrichtungen angeboten.
Sehr früh gelangte dann – dank produktiver Kontakte zu früheren Kollegen an der Journalistenschule – der Online-Journalismus in mein Weiterbildungs-Portfolio, an dem die Relevanz des Konzeptes „Textdesign“ noch offensichtlicher geworden ist: Im Internet ist Design der Schlüssel zum Inhalt. Die Denomination der Trierer Professur als Printprofessur habe ich dann von Beginn auf „Print- und Online-Professur“ ausgeweitet.
Die Trierer Medienwissenschaft war ein der ersten universitären Studiengänge, in denen das Internet zum festen Bestandteil des Curriculums und auch der Forschung gehörte. Insofern: ja die publizistische Praxis hat Eingang in meine akademische Tätigkeit gefunden und auch meine Forschungsinteressen maßgeblich beeinflusst.
Teil 2 folgt
Eine Zusammenfassung des Interviews in meiner Kolumne JOURNALISMUS! auf „kress.de“.
Ralf Stegner ist stellvertretender SPD-Vorsitzender. Foto: Frank Schwichtenberg / Wikipedia
Wer nicht auf den Punkt kommt, wer um den heißen Brei herumredet, der schmückt mit „Sprachgirlanden“. Diese Girlanden hat Ralf Stegner entdeckt, der SPD-Vizechef, sonst als eher fürs Grobe zuständig. Als „Sprachgirlanden“ bezeichnet er Versuche von CDU-Politikern, einen Kompromiss zu finden für den Familiennachzug für Flüchtlinge.
Schnell zog sich Stegner aber von der poetischen Sprache zurück und sprach von „PR-Geklingel“ eines CDU-Politikers. Das passt besser.
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 28. Dezember 2017
Herbert Knaup als Fugger in dem Fernsehfilm „Die Puppenspieler“. Foto: ARD
Ein Verriß von Willi Winkler in der Süddeutschen Zeitung vom 27. Dezember 2017 und Antwort auf die Frage: Wovon träumt ein bekannter Schauspieler kurz vor der Drehpause?
Herbert Knaup als Fugger investiert, kauft, schmiert und verheiratet zwar tapfer, schaut aber dabei so desinteressiert, als wäre er mit dem Kopf nicht bei legendären Marktbeherrschungsplänen, sondern bei der Frage, wie er in der Drehpause an eine Leberkässemmel kommt.
Erwähnt sei auch der Zwischentitel:
Frauen werden an Pfähle gebunden. Die Dialoge sind von kongenialer Dämlichkeit
Zum ARD-Fernsehfilm am Mittwoch, 27. Dezember 2017 (und 2. Teil am Freitag): „Die Puppenspieler“