Wie sich „Brand Eins“ aus der Asche von „Econy“ erhob (Journalismus-Geschichte)
Gabriele Fischer war stellvertretende Chefredakteurin des Manager Magazin, als sie den Spiegel-Verlag überzeugte, ein neues, ganz neues Wirtschaftsmagazin zu gründen:
Ein Magazin für Leute, die aufbrechen; die etwas unternehmen; die Wirtschaft noch als Abenteuer begreifen und nicht ständig über Steuerlast und Bürokratie klagen. Ein Magazin für die Mutigen eben – und gegen die Bremser,
so schrieb sie im ersten Editorial von Econy; Vorbilder gab es in den USA mit Fast Company und Wired.
Nicht einmal drei Monate brauchte sie von der Idee bis zum ersten Heft. War dies einer der Gründe, warum Econy keine Freunde fand im Verlag und in der Spiegel-Redaktion? Ein Schnellschuss, ohne lange Debatten über Sinn, Unsinn und Ziel – und dann noch mit einer winzigen Redaktion: Das kann nichts Rechtes geben, dachte die Spiegel-Redaktion, die gerne monumental denkt. Auf jeden Fall schmunzelte sie über ein Magazin, das mit drei, vier Redakteuren 220 Seiten anständig füllen wollte.
Aber selbst das war wegweisend: Eine kleine Redaktion sucht die Themen und dafür die besten Autoren.
So werden bald die meisten Zeitungen und Magazine arbeiten, wenn sie es nicht heute schon tun: Kleine Teams, die strategisch denken, mit wenigen Redakteuren, die recherchieren, was nur unabhängige Redakteure recherchieren können, und Freien, die gut bezahlt werden und Qualität liefern.
Der Respekt vor den Freien, deren gute Bezahlung und eine exzellente Textredaktion – damit fing Econy an; das bietet Brand Eins immer noch. Wenn Manager heute sparen wollen, sparen sie meist am falschen Ende: Sie senken radikal die Etats für die Freien. Das führt zu einem fatalen Qualitätsverlust: Weniger Redakteure, kaum Geld für Freie – wie soll das funktionieren?
Gabriele Fischer stellte weder Layouter ein noch einen Art-Direktor, sondern nahm einen wenig bekannten Freien: Mike Meire war ein junger Grafiker, der mit völlig neuem Blick auf zu bedruckendes Papier schaute. Auf seinen Fotos saßen Manager nicht hinterm aufgeräumten Schreibtisch, sondern schaukelten, leicht verwischt, auf einer Schaukel; die Leser blickten nicht in Superbüros, sondern aus dem Fenster auf eine Brache mit Bagger. Eigentlich war es einfach: Die Fotos zeigten die Welt und die Menschen, wie sie wirklich sind; sie nahmen den Personen die Rollen, in die sie gezwängt sind – aber ohne sie bloßzustellen.
Mike Meire war ein Glücksfall, er entwickelte ein völlig anderes Design, das Abschied nahm von allem, was üblich war – und das dann mit vielen Preisen gekrönt wurde. Die Entscheider in den Medienagenturen, die Gabriele Fischer auf einer Roadshow einfing, waren begeistert – ein neuer Stil im Journalismus! In kurzer Zeit waren alle Anzeigen-Seiten für ein komplettes Jahr verkauft. Das müsste eigentlich die Erfüllung eines Manager-Traums sein – aber nicht beim Spiegel.
Als die Druckmaschine für die zweite Ausgabe lief, verkündete der Verlag schon das Aus – angeblich weil der Verkauf der ersten Ausgabe die Erwartungen nicht erfüllt habe. Die Gründe lagen wohl tiefer: Die Philosophie von Econy war nicht die Philosophie von Spiegel und „Manager Magazin“. In Redaktion und Verlag bezogen sie einen Satz aus dem Fischer-Editorial durchaus auf sich und ersetzten „Zeitung“ mit „Der Spiegel“: „Wer morgens seine Zeitung liest, könnte glauben, diese Gesellschaft sei erstarrt und festgefahren.“
Im Spiegel herrschte die „Saturiertheit“, von der Professor Volker Lilienthal gerade zum 70-Jahr-Jubiläums schrieb – und die Lilienthal noch nicht als beendet ansieht. Lilienthal spricht auch vom persönlichen Wohlstand der Redakteure als Mitbesitzer des Verlags: Auch der, in Form von hohen Tantiemen, drohte geschmälert zu werden durch Verluste von Econy, die weder zu erwarten waren und wohl nie eingetreten wären.
Spiegel-Redakteure wissen kaum noch etwas vom Leben einfacher Menschen, auch davon schreibt Lilienthal. Und genau von diesen Menschen, die unterhalb der Spiegel-Wahrnehmung liegen, handelte Econy. Kurzum: Es ging um Geld, auf das die Redakteure nicht verzichten wollten, und um eine Veränderung, die man sich vom Hals halten musste. „Nicht für Bremser“ stand auf einer Werbetafel für Econy und „Ich bin kein Erbsenzähler“ auf einem T-Shirt. Das reichte.
Wer wissen will, warum sich der Spiegel heute noch schwer tut mit Veränderung, gar Aufbruch, der schaue auf das Ende von Econy: Die Angst vor der Veränderung sitzt neurotisch tief.
Was Gabriele Fischer nach dem Aus durchmachte, war ein Albtraum:
Zuerst kaufte ein anderer Verlag Namensrechte und Redaktion, aber rechnete nicht mit einer selbstbewussten und unabhängigen Chefredakteurin Fischer. Man trennte sich schnell, der neue Verlag machte mit neuer, durchaus renommierten Chefredakteurin und neuer Redaktion weiter – und scheiterte. Fischer war die Seele von Econy; und eine Seele kann man nicht kopieren.
Dann kam das Management-Buyout ohne großes Geld, aber mit großen Plänen. Der neue Name war der Name, der schon vor Econy auf der Liste stand – und der nichts mit „Marke 1“ zu tun hatte, was Spiegel-Anwälte abschreckte, sondern mit der Adresse der Redaktion: Brandstwiete 1.
Vom Ende her betrachtet, sieht die Story von Brand Eins wie eine einzige Erfolgsstory aus. „restart“ stand auf dem Titel der ersten Ausgabe: „Die Lust am Neubeginn“. Dieser Neubeginn war allerdings näher an „Schweiß, Tränen und Mühen“ als an Lust, und der Erfolg lag nicht griffbereit.
Auch das Platzen der Dotcom-Blase, das Ende der New Economy – ein halbes Jahr nach der ersten Brand Eins-Ausgabe – verhinderte nicht den Erfolg. Warum? Econy und Brand Eins waren der Spiegel der New Economy, ihr Sprachrohr. Aber beim Verglühen der New Economy gingen nur Firmen zugrunde, die im nicht selten kriminellen Übermut alle Regeln verletzt hatten; aber nicht zugrunde ging der Gründer-Geist und die Haltung, Mut zur Veränderung zu haben: Dafür stand Gabriele Fischer, dafür stand ihr Magazin – das war entscheidend.
Die Chronik des Neubeginns hat Gabriele Fischer auf zwei Seiten des ersten Hefts aufgeschrieben. Die komplette Chronik dieses einzigartigen Journalistinnen-Lebens wäre ein Buch wert, nicht umweht von Weihrauch, sondern als Lehrbuch für Menschen, die an den Journalismus glauben; als Mutmacher für Manager und Redakteure, die den Journalismus für eine demokratische Gesellschaft retten wollen; und als spannenden Roman, den nur das Leben schreiben kann.
Neben dem Editorial der ersten Hefts steht ein ungewöhnliches Porträtfoto von Gabriele Fischer: Sie wird am Rande von der Blüte einer Blume angelächelt, obwohl ihr sichtbar nicht zum Lächeln zumute ist; das Bild könnte aus einem Familienalbum stammen. Heute steht neben dem Editorial eine strenge, vielleicht zu strenge Frau, mehr Ikone als Familienalbum: Das Gesicht halb im Licht, halb im Schatten – wie eine Metapher zur Geschichte von Brand Eins.
Brand Eins war die letzte nennenswerte Gründung eines Magazins mit Anspruch, danach kamen nur noch Cicero“, mittlerweile auch verkauft wie ehedem Econy, kamen Landlust und Barbara („kein normales Frauenmagazin“) und kam eine endlose Folge von Plagiaten, die bei den TV-Zeitschriften oft schon über keine Redaktion mehr verfügen. Könnte die Ideenlosigkeit der Verlags-Manager dem Journalismus und der Gesellschaft mehr zusetzen als Google, Facebook & Co?
Es ist großartig, etwas geschaffen zu haben. Weil es auch Spaß macht, Widerstände zu überwinden. Und weil uns nur dann die Zukunft gehört“,
steht am Ende des Editorials vom Juni-Heft 2016 mit dem Schwerpunkt „Einfach machen“. Der schönste Satz der Fischer-Editorials steht allerdings im ersten Heft:
Etwas, das alle Restart-Geschichten eint: In ihnen steckt ein Teil des alten Menschheitstraums, man könne alle seine Erfahrungen bewahren – und noch einmal von vorne beginnen. Vielleicht ist es das, was Menschen treibt, trotz Niederlagen und Rückschlägen nicht aufzugeben.
Das „vielleicht“ in diesem Satz hat Gabriele Fischer in ihrem Leben gestrichen.
Die komplette Kolumne bei kress.de:
Was muss ein Relaunch leisten? Das Beispiel der Südwest-Presse
Die Südwest-Presse in Ulm mit gut 300.000 Auflage hat im Oktober ihr Aussehen wie auch ihre Struktur verändert, radikal sogar. Ein Jahrzehnt oder länger blieb die Zeitung ihrer Gestaltung treu, schwäbisch gelassen, man könnte sogar von einer gewissen Betulichkeit sprechen. Die Zeitung war wie ihre Leser.
Doch Vorsicht! Leser ändern sich, die Gesellschaft ändert sich – und Redaktionen sind klug, wenn sie nicht von ihrer eigenen Abneigung gegen Veränderungen ausgehen und daraus schließen: Die Leute schätzen nur das Bewährte, schätzen die Zeitung als ruhenden Pol in einer unruhigen Welt.
Doch die Leser ändern sich, auch in Schwaben: Sie brauchen die Zeitung nicht mehr, um Nachrichten zu lesen. Das Rennen um die Aktualität haben die Zeitungen zudem schon lange vor dem Internet verloren. Über die Bürger zieht ein unendliches Nachrichten-Gewitter hinweg: Sie lesen und hören unentwegt, was passiert ist, aber sie verstehen nicht, warum es passiert. Darauf reagiert die Südwest Presse und bringt auf jeder Seite meist einen großen Artikel, der die Oberfläche der Nachrichten verlässt und in die Tiefe taucht. Fast völlig verschwunden sind die Artikel mit 20 oder 30 Zeilen, die zu lang sind für eine Nachricht und zu kurz für eine Analyse.
„Wir müssen mehr Mut haben, eigene Schwerpunkte zu entwickeln. Der Leser honoriert das!“, sagt Chefredakteur Ulrich Becker. „Ich höre nach dem Relaunch von den Lesern: Ich erfahre mehr als früher – oder: Das habe ich so nirgendwo anders gelesen.“
Die Zeitung ähnelt plötzlich einer Wochenzeitung, die täglich erscheint; die Zeitung beweist, dass Redakteure die Welt erklären können, die große und die lokale. Die moderne Zeitung ist mehr als eine Nachrichten-Sammlung, sie wird journalistisch in dem Sinne, dass sie stärker recherchiert und den Platz schafft, um Recherchen auch zu präsentieren, opulent und ausführlich.
Ein Nachteil der reformbedürftigen Südwest Presse war die einzeilige Überschrift: Sie war kurz, fasste meist nur drei, vier Wörter, sie verführte den Redakteur zum Griff in die Textbaustein-Sammlung wie „Streit um…“ oder ähnlichem mehr. Der Leser ärgerte sich, er konnte nicht erkennen, was ihn im Artikel erwartet; der Redakteur hätte sich auch ärgern müssen, denn der Leser, den die Überschrift nicht verführt, liest seinen Artikel nicht.
Die Gestaltung muss aber der Funktion folgen – wie im Relaunch: Die große, tiefschwarze Überschrift geht oft über zwei Zeilen, sie bietet genügend Raum für eine Inhaltsangabe, falls sich der Redakteur nicht in feuilletonistische Spielereien verlieren will. Die Überschrift nebst Unterzeile, die ausführlich ist wie ein Vorspann, hat ihre Funktion wieder erlangt: Den Leser zu informieren und zum Lesen zu verführen – oder zum Weiterblättern. Auf jeden Fall ärgert sich der Leser nicht mehr, wenn er erst im zweiten Absatz erfährt, dass ihn das Thema nicht interessiert.
Gerade im Lokalen haben kurze Meldungen, Service und Vereinsnachrichten noch einen hohen Wert für viele Leser. Das „Community-Building“ ist kein Online-Privileg, es ist genau so wichtig in der Lokalzeitung. Diese Nachrichten stehen am Fuß der Seite, blattbreit und rubriziert.
Norbert Küpper kritisiert die Meldungen am Fuß:
„Unten auf der Seite wird nichts Wichtiges mehr erwartet. Da sollte man eher eine größere mehrspaltige Überschrift als Blickfang platzieren. Es ist ja für die Redaktion auch ziemlich stupide, jeden Tag alle Meldungen auf die gleiche Höhe zu schreiben.“
Küpper verweist auf skandinavischen Zeitungen, die stilbildend in Europa sind: „Das ist man lockerer und würde die Meldungen unterschiedlich lang laufen lassen. Man nennt es auch Wäscheleinen-Umbruch. Oben stehen die Meldungen auf einer Linie, unten laufen sie unterschiedlich lang aus.“
Offenbar verwirrte die Meldungsleiste am Fuß der Seiten auch einige Leser, berichtet Ulrich Becker, der Chefredakteur: „Nach vier Wochen dreht sich das, es kommen überwiegend positive Rückmeldungen. Schnell, überraschend, mit spielerischen Elementen, das sagen nun die Leser.“
So reagieren Redaktionen in einem Relaunch am besten auf die Krise:
- Die Zeitung ist so übersichtlich wie der Küchenschrank ihrer Leser: Mit verbundenen Augen können morgens die Leser, noch schlaftrunken, ihren Kaffeebecher finden. So ordentlich muss auch eine Zeitung sein.
- Die Zeitung ist der beste Welterkunder, gerade in unruhigen Zeiten, in denen die Welt in unser ruhiges Land einbricht. Wer die Welt verstehen will, muss die Zeitung lesen: Das ist der Auftrag an die Redakteure, im Mantel und erst recht im Lokalen.
Die Zeitung bildet die lokale Gemeinschaft und öffnet sich den Debatten, Ein- und Widersprüchen.
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https://kress.de/news/detail/beitrag/136304-der-relaunch-die-zeitung-muss-die-welt-erklaeren.html
Das Lesen deutscher Zeitungen ist Arbeit
In Skandinavien sind die meisten Lokalzeitungen ein Fest fürs Auge, die dennoch ausreichend Futter für den Verstand bieten: Zeitungen sind aufgemacht wie Magazine mit großzügigem und frischem Layout.
Warum sind deutsche Redakteure offenbar so verschieden im Vergleich zu skandinavischen?, fragte ich Norbert Küpper, einen der wichtigsten Designer für Tageszeitungen in Deutschland:
In Deutschland ist man Journalist, weil man gerne schreibt. Man geht gerne mit Sprache um, ist sprachlich kommunikativ. Dass man auch visuell kommunikativ sein kann und viele Informationen so noch besser übermitteln kann, wird offenbar noch nicht ausreichend vermittelt. Redaktionssysteme scheinen auch zu kompliziert, um alternative Storyformen zu gestalten – jedenfalls für Redakteure.
Die Abneigung, Design zu schätzen, wurzelt tief in der deutschen Zeitungs-Geschichte und der Philosophie, wie wir Journalismus sehen. Die fünf Gründe:
- Das Lesen deutscher Zeitungen ist Arbeit. Wer seinen Verstand nutzen will, muss sich mühen. Immanuel Kant ist der Vater dieser Vermutung, er schreibt in seinem Essay „Was ist Aufklärung?“: „Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen gerne zeitlebens unmündig bleiben.“ Das Gegenteil der Faulheit sind Eifer und Mühe; der ideale Zeitungsleser ist also der Eifrige, der im Weinberg der Aufklärung schuftet.
- Schreiben ist Arbeit.Wolf Schneider hat die Idee festgeschrieben: Nicht der Leser muss sich plagen, um Texte zu verstehen, sondern der Journalist, um sie verständlich zu schreiben. Schneiders Idee ist zwar in vielen Köpfen, die Wirklichkeit ist meist davon entfernt: Menschen scheuen Mühe, Redakteure auch, sie überlassen den Lesern die Arbeit und nennen ihr Ergebnis „anspruchsvoll“.
- Die Welt ist wichtiger als der Nachbar. Der Typ des Generalanzeigers, der in die weite Welt schaut, ist noch immer das Ideal vieler Verleger und der meisten Chefredakteure, auch wenn fast alle Leser- und Marktforschungen das Gegenteil belegen: Das Lokale vorn! Selbst den Oberstudienrat interessiert am meisten das neue Konzept für das Stadtzentrum, auch wenn er kritisiert: Dann erfahren die Bildungsfernen nichts mehr von der Regierungskrise in Bangladesch.
- Der Leser ist nicht bereit. Der Chefredakteur, der im Wochenend-Magazin mit mehr Weißraum spielt, bekommt gleich Anrufe und Briefe von Lesern: „Bekommen Sie den Platz in der Zeitung nicht mehr gefüllt? Ich hätte da einige Anregungen“; andere drohen gleich: „Ich bezahle das Abo nicht für leere Seiten“; wieder andere empfehlen: „Schreiben Sie doch darüber ,Raum für Notizen‘, dann hat es wenigstens einen Sinn.“
- Es hat noch keiner so radikal versucht. Der Verleger fürchtet Ärger und Abo-Kündigungen; er kennt die Schilderung von Kollegen, die nach einem Relaunch von den schrecklichsten Stunden ihres Lebens berichten. Der Chefredakteur fürchtet sich vor dem Unmut seiner Redakteure, die weniger Stellen bekämen zugunsten von Layoutern und Infografikern, die er für ein Qualitäts-Layout einstellen muss.
Mehr zum skandinavischen Layout und zu „Kvinnheringen“, Europas Lokalzeitung des Jahres, die aus Nordnorwegen kommt, im Blog JOURNALISMUS! bei kress.de
Immer wieder Ärger mit dem Blindtext
Ich bin Blindtext, von Geburt an. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es…
Das ist eine beliebte Bildzeile in der BamS, im vergangenen Jahr schon erprobt – stets im Sport. Am Sonntag stand die Zeile unter einem Handball-Spiel bei den Olympischen Spielen. Offenbar ist die Zeit kurz vor Redaktionsschluss die gefährliche Zeit für Blindtext-Pannen: Die Redaktion versucht, in letzter Sekunde noch einen Text nebst Bild mitzunehmen – um so aktuell wie möglich zu bleiben. Diese Pannen lassen sich wohl nicht ausschalten: Wie wäre es mit einem anderen Blindtext, der nur Blindtext ist wie „Dies ist Blindtext, dies ist Blindtext, dies ist Blindtext…“
Blindtext war schon einmal Thema im Handbuch-Blog, als die Berliner Zeitung diesen Zwischentitel den Lesern präsentierte:
Oxy moxy Oxy moxy Oxy moxy Oxy moxy Oxy moxy Oxy moxy
Oxy moxy Oxy moxy – Der Albtraum, wenn der Blindtext in die Zeitung kommt
„Aufmacher über den Idioten in der Staatskanzlei“ steht als Titel über dem wichtigsten Text der Zeitung – aber nur als Blindtext im Layout-Entwurf. Am Abend, wenn die Zeitung gedruckt wird, ist die Schlagzeile wieder seriös. Ein Albtraum jedes Chefredakteurs ist: Der Blindtext ist am nächsten Morgen auch für jeden Leser sichtbar.
Solch Übel passiert immer wieder, selten bis nie bei den herausragenden Texten, aber gerne mal beim Zwischentitel oder der Überschrift einer Meldung; in manchen Redaktionen sind flapsige Blindtexte deshalb verboten. Offenbar auch bei der Berliner Zeitung. Denn der Berliner Zeitung widerfuhr das Unglück in der Dienstagausgabe (23. Juni 2015): Durch einen Stromausfall konnten nicht alle Texte für die erste Ausgabe fertig redigiert werden: Ein Artikel erschien mit der Überschrift „Das Lageo“ und dem Zwischentitel
Oxy moxy Oxy moxy Oxy moxy Oxy moxy Oxy moxy Oxy moxy / Zitat Autor
Den Text sollte man sich merken: Er wird jeden Leser eher belustigen denn empören. Empfehlenswert ist auch ein Satz, den zu Fernschreiber-Zeiten die Agentur AP zum Test schickte. Um sämtliche Buchstabenhebel zu prüfen, gab es diesen Satz, in dem alle Buchstaben des Alphabets vorkommen:
The quick brown fox jumps over the lazy dog 1234567890
Nun erwischt es auch eine Journalismus-Zeitschrift: Message wird nicht mehr gedruckt
Bisher hat Message die Schwierigkeiten und vor allem Defizite von Zeitungen und Zeitschriften analysiert – und des Journalismus überhaupt. Nun muss Message selber aufgeben und verkauft das Ende als „Schritt in die Zukunft“. Im kommenden Jahr erscheint Message nur noch im Netz, als App oder E-Paper.
Die Abos gehen, wie bei den Zeitungen, zurück. Noch in diesem Jahr sollte der Relaunch den Niedergang stoppen – vergebens. Auch hat die Zeitschrift den Abgang von Gründer Michael Haller vor zwei Jahren nicht verkraftet. Das Projekt der „Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Praxis des Qualitätsjournalismus“ hat wohl selber keine ausreichende Qualität liefern können.
Zum 15-Jährigen in diesem Jahr hatte Michael Haller noch einmal die Feder gespitzt – und manchem Medien-Wissenschaftler in seiner gewohnt diplomatischen Art bescheinigt, dass sie nicht in der Lage sind, „ihre Befunde allgemeinverständlich rüberzubringen“:
Unvergessen blieb mir ein über Wochen laufender Mailverkehr mit einem Professorenkollegen, dessen Text im Wissenschaftsjargon abgefasst (aufgeblasen) war und im Zuge unserer Bearbeitung seine gedankliche Trivialität offenbarte. Am Ende zog der Kollege den Text zurück: Wir hätten seinen Gedankengang zerstört.
Auch die Macher, die Chefredakteure, geißelte Haller, der selber kaum am Minderwertigkeits-Syndrom leidet:
Warum wird man Ressortchef, dann Chefredakteur? Auf welche Qualifikationen kommt es an, um den Medienwandel zu verstehen und den heute sogenannten Changeprozess crossmedial zu steuern? Wir haben dieses Thema später dann nur noch mit spitzen Fingern angefasst, weil wir merkten, dass doch viele Redaktionschefs in Deutschland auf Manöverkritik eher beleidigt reagieren, offenbar, weil ihnen, spitz gesagt, die eigene Eitelkeit im Wege steht.
Wenn ich meinen Aktenordner mit Korrespondenzen der vergangenen 15 Jahre durchblättere, begegnen sie mir wieder, die pseudo-coolen, doch im arroganten Ton abgefassten Beschwerdebriefe deutscher Chefredakteure. Es war nicht nur Mangel an Selbstreflexion, der irritierend wirkte, sondern auch deren Weigerung, sich mit dem Wandel der Medienfunktionen praktisch zu beschäftigen und Konsequenzen zu ziehen.
Trotz anhaltendem Reichweitenschwund hielten viele Blattmacher an der Überzeugung fest, ihr persönliches Bauchgefühl sei Garant für erfolgreichen Journalismus.
Diese Arroganz wird uns, zumindest in gedruckter Form, fehlen. Der Abschied vom Druck wird wohl der Abschied von Message überhaupt sein.
PS. Der Autor dieses Blogs hat nie einen Brief an Message geschickt, noch war er Autor der Zeitschrift.
Die ideale Organisation einer Regionalzeitung! Eine Provokation zu einer notwendigen Debatte
Lasst die Provinz hochleben! Schafft den Zentralismus ab! Habt Mut, Euch Eures eigenen Verstandes zu bedienen – statt das Massenprodukt aus Zentralredaktionen den Lesern überzustülpen!
Jahrzehntelang hatten wir eine Organisation in der Redaktionen, die auf die Ewigkeit ausgerichtet war: Ressorts im heiligen Mantel, die in Tarifverträgen festgeschrieben waren (und noch sind, aber immer seltener beachtet werden, weil im Norden kaum mehr Verlage noch im Tarif sind); daneben gab es noch die meist belächelten Lokalredaktionen, in denen fast alle vom sozialen Redaktions-Aufstieg träumten, und das war ein Platz in den Konferenzen des Mantels.
Seit Jahren ist nichts mehr von Ewigkeit. Da keiner so recht weiß, wie die Zeitung der Gegenwart, erst recht die der Zukunft aussehen muss, bastelt man an den Organisationen. Kein Verleger kann noch auf den Desk verzichten, und so stellen ihre Chefredakteure einen großen teuren Tisch in die Redaktion. Oft bleibt es beim Holzstück.
Die ersten entsorgen schon das gute Stück, meist mit der Begründung: Der Desk hat keine Kosten gespart! Als ob der Desk zum Sparen gedacht war und ist! Nein, er sollte die Redaktion besser organisieren, die Kräfte bündeln, die Qualität heben und so den Leser erfreuen und halten.
Wer Kosten sparen will oder muss, der braucht keinen Desk. Er kehrt die Ecken aus, in die seit Ewigkeiten keiner mehr geschaut hat; es soll noch Redaktionen geben, die eine Texterfassung haben oder Sekretärinnen, die Mails ausdrucken. Oder er sagt einfach: Zwanzig Prozent auf alles, koste es, was es wolle – dafür braucht man keinen Desk, sondern den Rasenmäher im Kopf.
Die Verachtung des Desks hat einen zweiten Grund: Er wird zu einer grobschlächtigen Zentralisierung missbraucht. Vorzugsweise in Berlin produziert ein Zentraldesk sogenannte überregionale Seiten und beglückt damit Redaktionen in Nord und Süd, sogar in Ost.
Dieser Desk redigiert dpa und andere Agenturen, gießt einen Zuckerguss aus hübschen Reportagen darüber und kredenzt als Sahnehäubchen einmal im Jahr ein Exklusiv-Interview mit der Kanzlerin, das in Kurzform dann wieder von dpa zitiert wird – ohne dass sich eine Zeitung damit schmücken kann („Wie die Redaktionsgemeinschaft Müller-Meier-Schulze in einem Interview mit der Kanzlerin…“)
Diese Desks sind nicht besser, meist deutlich schwächer als dpa. Alles, was diese Tische produzieren, probiert dpa schon lange aus, ist dabei immer besser geworden und arbeitet an immer neuen Formaten, auch in der Desk-Organisation. Dpa reicht für alle Regionalzeitungen locker aus, wird sowieso von allen Redaktionen bezahlt und hat mit „dpa-News“ eine vorbildliche Plattform geschaffen: Exzellenter und schneller Überblick, Kommentar- und Frage-Funktion (auf die in spätestens 15 Minuten eine Antwort kommt) – Redakteursherz in der Provinz, was brauchst du mehr aus der großen weiten Welt?
Der größte Nachteil der zentralen Desks: Er verhindert, dass sich die angeschlossenen Redaktionen noch mit der Welt beschäftigen! Regionalzeitung bedeutet ja nicht: ich berichte nur noch aus meinem Beritt. Regionalzeitung bedeutet: ich schaue auf die Welt aus der Perspektive meiner Leser. Des Lesers Perspektive ist die einzig gültige.
Wenn ein Politiker fordert, wir müssen eine halbe Million Flüchtlinge aus dem Irak aufnehmen, dann fragt die Regionalzeitung Wie viele haben wir schon? Wie viele können wir unterbringen? Wie bereit sind die Bürger? Das ist nicht neu: Runterbrechen auf meinen Leser; aber eine Zeitung muss es auch tun, bei allen Themen, so aktuell wie möglich.
Ein Vorschlag zur Debatte: So könnte die ideale Organisation einer Regionalzeitung aussehen:
> In den Lokalredaktionen arbeiten die Redakteure als Reporter und nur als Reporter – abgesehen vom Lokalchef, der auch Reporter ist, aber zudem die Themen gewichtet und verteilt und bestimmt, wie seine Seiten aufgemacht werden.
Im Lokalen und nur im Lokalen werden die Nachrichten und die Geschichten recherchiert und geschrieben, die unsere Leser wollen, die sie brauchen und die sie als unverzichtbar erkennen; nur hier wird kommentiert, was die Meinungsbildung der Leser wirklich beeinflusst; nur hier beginnen die großen Debatten, die die Menschen bewegen; nur hier starten die Initiativen, die Ehrenämter, die Gründer. Der Lokalteil ist das bedeutendste soziale Netzwerk, wenn wir es nur wollen, wenn wir es können, wenn wir es richtig organisieren.
> In der Zentrale werden an einem Desk – oder an regionalen Standorten, an denen mehrere Lokalteile zusammenfließen – die Seiten gestaltet, die Meldungen sortiert und geschrieben (auch schon für den Online-Auftritt), die Texte der Reporter redigiert. Der Blattmacher ist vor allem Textchef, er ist der Qualitäts-Manager und ein bisschen Gestalter, wobei das Layout und all die Relaunches weit überschätzt werden: Es kommt auf den Inhalt an; stimmt der nicht, ist alles andere Schnickschnack.
Im Regionalen ist Zentralisierung zweckmäßig. Die Nachbarschaft unserer Leser deckt sich selten mit dem Zuschnitt unserer Lokalredaktionen; zu schnell haben wir den Unsinn von Politikern übernommen, die Kreise ohne Sinn und Verstand am Bürokraten-Tisch entwarfen.
Der Zentral-Desk kann ohne lange Konferenzen wieder zusammenbringen, was zusammengehört; er kennt die Historie einer Region, weiß um Pendler- und Einkaufs- und Schul- und Freizeit-Ströme, er kennt Zuneigung und Animosität von Nachbarn. Was Facebook kann, kann ein Desk schon lange (zumindest kann er es lernen). So überwinden wir auch den Nachteil von Lokalredaktionen, die sich gerne wie in einer Burg fühlen und die Zugbrücke hochziehen.
> Am Desk schaut der Chef alles an, nimmt die besten Geschichten und Nachrichten aus dem Lokalen und sortiert sie – für die Titelseite, für Wirtschaft und Kultur, für den Regionalteil usw. Er regt an und manchmal auch auf; er ist Drehscheibe, der gute Themen einer Redaktion den anderen ans Herz legt; er hilft weiter mit Hintergrund-Stücken zu lokalen Geschichten (auch zusammen mit dpa), Info-Kästen, Grafiken u.ä.; er schaut in die Agenturen und das Netz, um aktuelle Themen zu entdecken, die schnell runterzubrechen sind.
Er verfügt über einige Reporter, die Themen recherchieren, die als Aufmacher der Titelseite taugen (so sie nicht schon lokal sind), sei es aus der Landespolitik, der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Gesundheit usw. Im Idealfall hat er einen Korrespondenten in Berlin – am besten auch in Brüssel -, der ihm Nachrichten und Geschichten für seine Region, für seine Lokalteile bringt und nicht einen Zweitaufguss von Artikeln. wie sie auch dpa schreibt und die Tagesschau sendet.
> Am Desk werden schnell und unaufwändig auch die Seiten, meist aus dpa-Material, produziert, die unsere Leser wünschen, die aber nicht der Grund sind, warum sie unsere Zeitung abonnieren oder kaufen: Themen des Tages, Vermischtes usw. Was auf diese Seiten passt, ist aber auch von Region zu Region verschieden.
In Erfurt kommt auch ein Ex-DDR-Star aufs Vermischte, den in Düsseldorf keiner kennt; in Bremerhaven steht das Werften-Problem auf der Themen-Seite, wenn es in Berlin diskutiert wird, aber im Allgäu interessiert es keinen. Und auf der Ratgeber-Seite ist der Tipp des heimischen Chefarztes wichtiger als der einer Koryphäe, der ein paar hundert Kilometer entfernt operiert.
> Der Desk ist auch vorbereitet auf die Zeit, wenn wir die Zeitung im Internet verkaufen. Wenn „Online to Print“ kommt, geht es nur mit einem Tisch – erst recht lokal.
Es gibt einige gute Vorbilder. In Neubrandenburg trennte man sich von einem fremden Desk, weil er vielleicht Kosten sparte, aber Leser kostete. In den USA kaufte der Milliardär Warren Buffett für 350 Millionen Dollar Regional- und Lokalblätter, die sich der Gemeinschaft verpflichtet fühlen, eine richtige gute Provinzzeitung machen und nicht missionarischen Ideen selbsternannter Qualitäts-Journalisten folgen. „In Städten und Orten mit einem starken Gemeinschaftsgefühl gibt es keine wichtigere Einrichtung als die Lokalzeitung“, sagt Buffett. „Zeitungen haben eine gute Zukunft, wenn sie weiter Informationen liefern, die man nirgends sonst findet.“
Hören wir also auf den Milliardär! Hören wir auf, in Festreden die hohe Bedeutung des Lokalen zu loben! Organisieren wir es einfach, mit Herz und Verstand!
Wie viel Veränderung verträgt eine Zeitung?
Verändere bei erfolgreichen Sendungen nie mehr als zwanzig Prozent auf einmal!
Sandra Maischberger über das Fernsehen in einem SZ-Interview (21. Januar 2013). Dies dürfte auch für Tageszeitungen gelten; wahrscheinlich sind selbst 20 Prozent zu viel, da Zeitungsleser konservativ sind und schon kleine Veränderungen als nicht notwendigen Eingriff in ihre Gewohnheiten ansehen. Eine Reihe von Zeitungen hat bei einem großen Relaunch sowohl Abonnenten in überdurchschnittlich hoher Zahl als auch Vertrauen verloren.
Ich erinnere mich an die Frage eines Verlegers: „Herr Raue, waren machen wir einen teuren Relaunch, wenn wir viele treue Leser verlieren oder zumindest verärgern und kaum neue Abonnenten, erst recht keine jungen gewinnen?“
KOMMENTARE (Facebook) am 21. Januar 2014
TA-Leser Wolfgang Jörgens aus Sophienhof:
Mit den Veränderungen ist das so eine Sache. Was wünschen die Leser, die Kunden? Was macht das Lesen einer Tageszeitung so interessant, dass Abo-Kunden gewonnen und nicht abgängig sind? Denn Geld spielt ja auch hier keine untergeordnete betriebswirtschaftliche Rolle.
Der Leser kommt auf einer ganzen Seite zu Wort. Das ist gut, könnte aber noch besser werden. Die Tageszeitung müsste manchmal, auch als Veränderung, sehr kritische Fragen der Leser aufgreifen. Nicht nur auf der Leserseite, sondern auch im zentralen Teil. Wo möglicherweise auch mal ein Politiker zu Wort kommen sollte.
Paul-Josef Raue
Lieber Herr Jörgens, die meisten Leserbriefe stellen keine sehr kritischen Fragen, sondern sind Beispiele einer tief sitzenden Verdrossenheit gegenüber den Politiker oder gar gegenüber der Demokratie. Leider.
Was Leser fragen: Apostrophen, Anwälte und der Viadukt
B. B. aus Weimar arbeitet auch als Korrektorin und ärgert sich über den falschen Apostrophen in unserer Zeitung. Worum geht’s: Wenn in einem Wort ein oder mehrere Buchstaben ausgelassen werden, setzen wir einen Beistrich –wie eben in „geht’s“:
„Ich weiß nicht, ob man hier der Technik die Schuld in die Schuhe schieben kann, denn in der Online-Version stellt sich der Apostroph völlig unauffällig dar.
In der Druckversion jedoch verkommt der Apostroph zu einem einfachen Ausführungszeichen: Er wird regelmäßig falsch herum gedruckt.“
Chefredakteur Paul-Josef Raue antwortet:
Sie haben Recht, wir werden es ändern: Der korrekte Apostroph ist ein Bogen der sich von rechts oben nach links unten neigt.
Bei Mails kommt in der Tat meist ein einfacher Strich zum Vorschein. Aber auf gedruckten Seiten, ob im Buch oder der Zeitung, sollten wir die Kultur der Schrift, die Typografie, in Ehren halten.
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D. K. aus Friedrichroda fragt:
Wer bezahlt die Gelder für die Anwälte im Zschäpe-Prozess?
Chefredakteur Paul-Josef Raue antwortet:
Der Angeklagte bezahlt seine Verteidiger. Wird er freigesprochen, zahlt der Staat, weil er folgenlos angeklagt und den Prozess provoziert hatte. Fehlt den Angeklagten das Geld, wie wohl im Zschäpe-Prozess, zahlt auch der Staat, weil er allen Bürgern die gleichen Chancen in der Verteidigung bieten muss – unabhängig ob einer reich ist oder arm.
**
F.K. aus Eisenach kritisiert das Geschlecht des Viadukts: „Das historische Viadukt in Angelroda“ schrieben wir im Thüringenteil. „Laut Fremdwörterbuch ist ein Viadukt männlich und nicht sächlich.“
Chefredakteur Paul-Josef Raue antwortet:
Sie haben Recht, Herr Kalkbrennen. Der Viadukt ist die korrekte Form, aber – wie so oft – lässt der Duden auch das Viadukt gleichberechtigt zu.
Über Jahrhunderte war die hohe Brücke über ein Tal männlich, abgeleitet aus dem lateinischen Wort „aquaeductus“, das auch ein männliches Geschlecht hat. Aber ein Wort muss nur lange genug falsch gebraucht werden, dann lenkt der Duden ein.
Thüringer Allgemeine, Samstagskolumne „Leser fragen“, 24. August 2013
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