Tobias Korenke über die Krise des Medienjournalismus: Lust an der Selbstzerstörung (Zitat der Woche)
An der Qualität ihrer Selbstkritik kann man den Zustand einer Branche gut ablesen. Gucke ich Medienjournalismus kritisch unter journalistischem, handwerklichem Gesichtspunkt an: Der Zustand kann gar nicht schlechter sein. Da gibt es eine Lust an der Selbstzerstörung, da gibt es Artikel nur im Konjunktiv: „Es könnte sein“; tausend Beispiele fallen mir ein. Im Journalismus habe ich den Eindruck: Wem gar nichts mehr einfällt, der macht Medienjournalismus.
Tobias Korenke, Leiter der Unternehmens-Kommunikation der Funke-Mediengruppe, beim Symposium „25 Jahre Thüringer Allgemeine„; erschienen in der TA am 16. Januar 2015
Die erfolgreiche Titelseite: Lokal-Schau oder Tagesschau?
Wie sieht die ideale Titelseite aus? Tagesschau-Nachdreher? Regional und lokal? Ein Mix, also: Lokales Foto und Berliner Aufmacher? Marianne Schwarzer ist Redakteurin der Lippischen Landes-Zeitung in Detmold und gehört zu einer Arbeitsgruppe, die ein Konzept für die Lokalzeitung im Kreis Lippe diskutiert. Sie fragt nach den Erfahrungen der Thüringer Allgemeine, die seit drei Jahren eine strikt regionale Titelseite anbietet.
Das sind die Thüringer Erfahrungen:
Die Leser wollen eine regionale Titelseite, aber sie wollen eine regionale Titelseite mit Qualität: Die Themen müssen wichtig sein, gut recherchiert und gut geschrieben – und sie sollten, so oft wie möglich, die Leser auch überraschen.
Wir haben dies in einigen Leserbefragungen erkundet:
> Die Leser wollen auf der Titelseite keine Stoffe, die sie aus der Tagesschau, den Hörfunk-Nachrichten und dem Internet längst kennen. Wenn wir diese Themen doch bringen, dann müssen sie aus der Perspektive der Leser gesehen werden: Flüchtlinge aus Syrien – ja, aber gibt es noch Platz in unserer Region? Was sagen die Landräte usw. / Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada – ja, aber was sagen die IHK, die Unternehmer? Kostet es oder bringt es Arbeitsplätze in der Region usw.
> An den meisten Tagen bringen wir eigene Geschichten als Aufmacher, sehr viel aus der Wirtschaft und der regionalen Politik, aber auch Gesundheits- und Schul-Themen; eine Besonderheit im Osten sind historische Themen, die sich um die DDR drehen. Was in einer Region für die Leser interessant ist, bekommt eine Redaktion mit, wenn sie oft mit den Lesern spricht und dies am besten institutionalisiert.
> Qualität bekommt eine Redaktion allerdings nur, wenn sie gute Reporter hat, die ein aktuelles Thema auch schnell runterbrechen können (und nicht erst am Folgetag oder noch später). Wir nennen diesen Reporter „Ad-hoc-Reporter“, es gibt jeden Tag einen (und wenn er nichts zu recherchieren hat, dann arbeitet er an einer größeren Eigen-Recherche für die kommenden Tage).
> Einfach die erste Lokalseite auf die Titelseite bringen, dürfte schief gehen – nicht nur an einem Montag im Sommer, wenn die Hüpfburgen beschrieben werden. Die Leser müssen schon das Gefühl bekommen, dass sie für ihr gutes Geld Qualität bekommen und keine Ramsch-Ware.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob es in ländlichen Regionen doch gelingen könnte. Das kann man testen: Eine Null-Nummer produzieren und zu Leserkonferenzen einladen (aber nicht nur Oberstudienräte, die uns einen Bildungsauftrag aufschwatzen wollen).
> Wenn man ein komplettes Bundesland mit seinen Themen für die Seite 1 hat, ist es wahrscheinlich einfacher, als wenn man ein eher kleines Gebiet mit Nachrichten versorgt. Bei uns wollten die Leser Thüringen auf der Titelseite. Die Reaktionen geben uns recht: Seit mehr als zwei Jahren steigt der Einzelverkauf deutlich (gegen den bundesweiten Trend), und beim „Lesewert“ – eine Art Einschaltquote für die Zeitung – bekommt die Titelseite exzellente Werte, am meisten übrigens der Leitartikel auf der ersten Seite, der strikt regional ist und sich meist auf den Aufmacher oder Aufsetzer der Titelseite bezieht. Besonders gut läuft der Einzelverkauf, wenn der Teaser – ein sechsspaltiges Foto oben auf der Seite – emotional ist, einfach ein Hingucker ist, und wenn der Aufmacher eine leicht verständliche Überschrift hat und zum Gespräch anregt.
Die Zeitung der Zukunft, die Zukunft des Journalismus und der Wert des Lokalen – Ein Interview
Wie würde Ihre Traumredaktion aussehen?, fragte mich Monika Lungmus vor dem Verbandstag des DJV in Weimar. Auf der Online-DJV-Seite ist die redigierte Fassung des Interviews zu lesen; hier die erweiterte Fassung.
Wie sehen Sie die Zukunft des Journalismus? Hat der Journalismus überhaupt noch eine Zukunft?
Paul-Josef Raue: Der Journalismus muss eine Zukunft haben. Denn eine Demokratie ohne gut recherchierenden, tiefgehenden Journalismus hat keine Chance. Wir reden hier nicht nur darüber, ob es weiterhin gedruckte Zeitungen geben wird.
Für eine Demokratie ist ein starker Journalismus unerlässlich. Das ist also auch eine Forderung an die Politiker. Sie müssen die Bedingungen erhalten, dass es einen Journalismus gibt, der die Mächtigen kontrollieren kann.
In der Branche wird ja bereits über Alternativen zur marktwirtschaftlichen Finanzierung des Journalismus diskutiert. Was halten Sie von der Diskussion?
Ich finde die Diskussion richtig, auch wenn ich glaube, dass die marktwirtschaftliche Konstruktion der Presse noch relativ lange, also in den nächsten zehn, zwanzig Jahren, Bestand haben wird. Ich sehe allerdings an den Rändern durchaus Probleme: Wir haben heute schon Landkreise, in denen sich eine Zeitung nicht mehr finanzieren kann. Hier funktioniert also die Kontrolle der Politiker nicht mehr ausreichend, obwohl gerade im Lokalen ein starker Journalismus notwendig ist.
Welche Förderung könnten Sie sich hier vorstellen?
Ich könnte mir auch private Initiativen vorstellen, sei es in Form von Stiftungen, von Vereinen oder mit Recherche-Stipendien von großen Organisationen; ich denke auch an vorbildliche Projekte wie „Zeitungszeit“ in Nordrhein-Westfalen, wo Land und Verlage gemeinsam Schüler an die Zeitung heranführen. Man müsste auch schauen, was andere europäische Staaten an Presseförderung betreiben.
Ich bin aber überzeugt, dass private Initiativen allein nicht reichen. Auch die Verlage haben die Möglichkeiten, die alte wie neue Medien bieten, noch lange nicht ausgereizt. Verleger, Manager und wir Redakteure müssen Konzepte entwickeln, wie wir den Inhalt – gerade im Lokalen und Regionalen – am besten an die Bürger und auch an verschiedene Zielgruppen bringen.
Mit dem lokalen und regionalen Inhalt haben wir einen kostbaren Schatz, den selbst Google und andere Mega-Digitalen nicht besitzen. Wir müssen viel intensiver über die Bedürfnisse der Menschen forschen: Was wollt ihr lesen – wann und in welcher Form?
Wir machen uns in Leitartikeln lustig etwa über die Bahn, wenn sie ihre Kunden nicht zufrieden stellt. Kennen Sie Verlage, die regelmäßig die Zufriedenheit der Leser ermittelt? Das ist auch ein Appell an Manager, denen mehr einfallen will als Sparen, aber auch an uns Journalisten: Wie sehen wir denn die Zukunft? Zudem ist es endgültig Zeit, die Mauer zwischen Verlag und Redaktionen einzureißen.
Wenn Sie mal aufs Handwerk schauen: Wie können und müssen sich Journalisten heute für die Zukunft aufstellen? Was erwarten Sie von künftigen Journalisten?
Das Bewusstsein für Qualität ist bei den Lesern enorm gestiegen. Der normale Leser ist nicht mehr abzuspeisen mit einer 0815-Berichterstattung.
Ganz vorne muss stehen, dass Journalisten wieder öfter zur Recherche kommen. Das ist nicht nur Sache des Spiegel oder der Süddeutschen Zeitung. Weit ins Lokale hinein müssen wir wieder tiefer und besser recherchieren und dafür auch die neuen Möglichkeiten des Datenjournalismus nutzen.
Was wäre für Sie noch wichtig?
Als ich Journalismus gelernt habe, mussten wir uns keine Gedanken machen, wie sich der Journalismus finanziert. Das ist heute anders. Die neue Journalisten-Generation, aber auch die der Älteren, muss über Geschäfts-Modelle nachdenken. Wir nutzen noch lange nicht unsere Möglichkeiten, wenn ich zum Beispiel an regionale Magazine denke, an Bücher, an Zielgruppen-Newsletter und vieles mehr.
Wir müssen die Strukturen aufbrechen: Muss die Zeitung immer und überall jeden Tag erscheinen? Oder zusätzlich am Sonntag? Wie können wir gezielt ganz bestimmte Zielgruppen erreichen? Das heißt: Wir müssen unser Spektrum an Möglichkeiten, wie wir unseren Inhalt ans Publikum bringen, deutlich erweitern.
Kommen wir zur Funke-Gruppe, zu der Ihre Zeitung gehört. Hier wird derzeit darüber diskutiert, ob alle zur Gruppe gehörigen Titel ihren Mantel künftig aus Essen erhalten sollen. Was halten sie von der Idee?
Wir führen unter den Chefredakteuren derzeit die Debatte, was wir zentralisieren können – um sowohl den Lesern mehr Qualität bieten als auch Redakteure wie Geld effektiv einsetzen zu können (zum Beispiel in die digitale Zukunft, die viel Geld fordert aber noch wenig einbringt). Die Konzern-Führung hat diese Aufgabe in die Redaktionen gegeben: Das ist der richtige Weg. Verlage, die es von oben verordnet haben, sind gescheitert, zu Recht.
Für unsere drei Zeitungen in Thüringen ist ein zentraler Mantel beispielsweise kein Thema. Wir haben gar keinen Mantel mehr im alten Sinne. Wir schreiben in unserer Thüringer Allgemeine von der ersten bis zur letzten Seite weitgehend aus der Perspektive der Leser. Wir haben nicht mehr den typischen Politikteil, den typischen Wirtschaftsteil – das ist bei uns alles sehr stark auf Thüringen bezogen, eben auf den Alltag und das Leben unserer Leser
Wir können in Erfurt, Weimar und Gera, wir können im Osten keinen Mantel aus Essen anbieten. Wir haben auch gar keinen Platz für einen fremden Mantel. Wir bieten unseren Lesern – und in erster Linie nicht aus Spargründen – eine relativ schmale Zeitung an, meist 24 oder 28 Seiten. Wir haben von unseren Lesern gelernt: Sie wollen eine Zeitung, die übersichtlich ist und ihnen das Wesentliche in hoher Qualität bietet, das sie in ihrer knappen Zeit bewältigen können. Sie wollen nicht suchen und blättern, sie wollen lesen.
Wir haben alles rausgeworfen, was aus Sicht der Leser nicht zur Kernkompetenz gehört. Wir verzichten etwa auf eine endlose Tagesschau-Wiederholung und komprimieren sie auf eine Seite.
Das Herz der Regionalzeitung ist das Lokale. Und dennoch wird hier vielfach gespart. Sie kennen dies selbst. Ihre Redaktion arbeitet ja im Lokalen – zum Beispiel in Weimar – mit der Thüringischen Landeszeitung zusammen. Wie passt das zusammen?
Zunächst: Unsere Lokalredaktionen sind nicht kleiner geworden. Wir haben im Lokalen denselben Personalstamm wie vor fünf Jahren, als ich in Erfurt angefangen habe.
Kleiner geworden ist die Zentralredaktion, so dass wir den Personalstamm in den Lokalredaktionen zusammen mit dem Thüringen-Desk halten konnten. Gleichwohl machen die Reporter in der Zentrale einen großartigen Job, holten vier Jahre hintereinander einen der Deutschen Lokaljournalistenpreise, darunter einmal den ersten für die exzellent recherchierte Treuhand-Serie; eine Reihe anderer renommierter Preise kam hinzu, auch für unsere Lokalredaktionen. Ich übertreibe also nicht, wenn ich die TA-Redaktion zu einer der besten in Deutschland zähle.
Zur Thüringischen Landeszeitung (TLZ), unserer Konkurrenz: Sie erscheint sowohl im Verbreitungsgebiet der Thüringer Allgemeinen(TA) als auch in dem der Ostthüringer Zeitung (OTZ). Die TLZ, eine frühere Zeitung der LDPD, ist eine relativ kleine Zeitung, aber sie hat eine große Bedeutung. Denn sie versammelt alle Leser, die kein früheres SED-Organ lesen möchten. Die Unterscheidung zur TA und OTZ spielt sich heute hauptsächlich in der Kommentierung von Thüringer und überregionalen Themen ab. Hier hat die TLZ eine klare eigene Positionierung.
Im Lokalen, das haben wir von den Lesern erfahren, können wir gut zusammenarbeiten. Die Redaktionen sprechen sich bei normalen Terminen wie Pressekonferenzen ab, wer was macht. Das betrifft zum Beispiel nicht unbedingt die Stadtratssitzungen, da behält jeder Titel sein eigenes Profil. Die Kooperation soll also dazu dienen, die Qualität im Lokalen zu erhalten.
Anfang der 90er Jahre erschienen in Thüringen noch 24 Tageszeitungen bei 2,5 Millionen Einwohnern, heute gibt es nur noch sechs Titel: Drei gehören zur Funke-Mediengruppe, drei zur Südwestdeutschen Medienholding. Was bedeutet diese eingebüßte Pressevielfalt für den Journalismus in Thüringen?
Das war in den Revolutions-Wirren eine besondere historische Situation. Ich habe ja selbst seinerzeit eine Zeitung gegründet: die Eisenacher Presse. Das war in jeder Hinsicht Wahnsinn – und in dieser Zeit richtig und wichtig.
Aber es war auch klar, dass das so nicht auf die Dauer funktionieren würde. Das bekommt man gar nicht finanziert: 24 Zeitungen,davon allein 7 in Eisenach, einer Stadt mit 50.000 Einwohnern! Ich halte heute sechs Zeitungen in einem Bundesland mit 2,2 Millionen Einwohnern für viel.
Die drei Titel unserer Funke-Gruppe arbeiten eigenständig. Jeder von uns freut sich, wenn er einen eigenen Coup gelandet hat. Natürlich kämpfen wir nicht so sehr gegeneinander. Wir kämpfen aber um das Interesse und die Zeit der Leser. Das ist das Entscheidende.
Und wenn jemand mit meiner Zeitung unzufrieden ist, dann geht er zur TLZ – oder umgekehrt. Er geht aber nicht in die Nicht-Leserschaft. Das ist der Vorteil unserer Konstruktion.
Wie würde Ihre Traumredaktion aussehen?
Ich würde mir eine Redaktion zusammenstellen, in der Recherche an erster Stelle steht. Ich würde mir junge Leute holen, die diesen „embedded journalism“, also die Nähe zu den Honoratioren, überhaupt nicht kennen.
Dann würde ich Mitarbeiter engagieren, die mit Daten umgehen können, die sich bestens mit der Technik auskennen.
Als Drittes wäre mir Verständlichkeit wichtig; die Leser müssen unsere Texte verstehen. Das Handwerk des verständlichen Stils müssen Redakteure perfekt beherrschen, sonst nutzt all der Recherche-Aufwand nichts. Und sie schreiben auch schön in dem Sinne, dass die Leser Lust aufs Lesen bekommen.
Viertens: Die Mitarbeiter meiner Traumredaktion gehen auf die Menschen zu, reden mit ihnen, nehmen wahr, wo deren Bedürfnisse liegen. Sie respektieren, ja sie mögen ihre Leser und lassen sie das spüren.
fünftens: Es müssten Leute sein, die ein Bauchgefühl für Überraschungen haben, die also Neues wagen, auch wenn Leserforschung und Leserbriefe anderes angeben.
Und der sechste Punkt hieße: Die Traumredaktion hat genügend Personal…
Auf jeden Fall. Wir sind derzeit an einem Scheidepunkt, wo Quantität und Qualität oft nicht mehr zusammenpassen. Aber generell glaube ich, dass Quantität nicht zwangsläufig Qualität bedeutet. Journalismus ist ein Beruf, für den man brennen muss. Jeder Beamte in einer Redaktion ist mir ein Graus.
Der „Spiegel“ zitiert Kohl aus nicht-autorisierten Gesprächen: Unmoralisch? Verstoß gegen Pressekodex?
„Schwan begeht einen Vertrauensbruch, das ist keine Frage“, schreibt Rene Pfister in der Spiegel-Geschichte über das Schwan-Buch nach Gesprächen mit Helmut Kohl, aufgezeichnet und auf Tonband aufgenommen vor 12 Jahren. Dürfen Journalisten Vertrauen brechen? Verstossen sie so nicht gegen jede Moral?
Die folgende Passage zur Recherche hat im „Handbuch des Journalismus“ reichlich Irritation und Widerspruch ausgelöst:
Manchmal spielen eher unmoralische Motive die Hauptrolle, damit der Moral zum Siege verholfen wird. Hätte nicht der Spiegel einem Informanten eine horrende Summe bezahlt, so wüssten wir immer noch nicht, auf welche Weise sich die Chefs der „Neuen Heimat“ bereichert haben.
Also – Recherchen sind weder moralisch noch unmoralisch, entscheidend ist allein, was am Ende herauskommt: Eine Wahrheit, die die Bürger unbedingt wissen müssen. Oder nicht.
Ähnlich schwankend ist die Argumentation des „Pressekodex“. Erst lesen wir „Die vereinbarte Vertraulichkeit ist grundsätzlich zu wahren.“ Meist wenn der Kodex „grundsätzlich“ schreibt, meint er das Gegenteil: es gibt reichlich Ausnahmen, zum Beispiel:
Vertraulichkeit muss nicht gewahrt werden, wenn bei sorgfältiger Güter- und Interessenabwägung gewichtige staatspolitische Gründe überwiegen… Über als geheim bezeichnete Vorgänge und Vorhaben darf berichtet werden, wenn nach sorgfältiger Abwägung festgestellt wird, dass das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit höher rangiert als die für die Geheimhaltung angeführten Gründe.
Da stehen alle Türen weit offen, um einmal zugesichertes Vertrauen brechen zu dürfen. Rene Pfister nennt mehrere Gründe für Schwans Vertrauensbruch:
1. Kohl hat die Gespräche geführt, damit sie veröffentlicht werden. Streit ist nicht, ob sie veröffentlicht werden, sondern wann. Pfister vermutet, Kohl – oder seine neue Frau – wolle bestimmen, „welchen Platz er einmal in den Geschichtsbüchern einnehmen würde“.
2. Kohls Erinnerungen sind ein „historischer Schatz“ der jungen deutschen Geschichte, ein „historisches Vermächtnis“, wie das Landgericht Köln vor einem Jahr feststellte. Für Historiker sind sie eine einzigartige Quelle. So etwas nennt man ein hohes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit.
3. Wir Zeitgenossen erfahren Neues über die Geschichte und die Mächtigen im Land – erzählt von einem, der fast zwei Jahrzehnte der Mächtigste war.
4. Wir erfahren Neues über die Deutsche Einheit, dem wichtigsten Ereignis der Nachkriegszeit.
5. Die Interviews mit Schwan sind offenbar die einzigen, in denen sich Kohl relativ unverstellt einem Journalisten offenbart hat.
6. Kohl selber hielt wenig von Vertraulichkeit: In seinen Memoiren veröffentlichte er mehrere vertrauliche Briefe Weizsäckers.
7. Kohl ist so krank, dass er keine ausführlichen Interviews mehr geben kann.
Erinnern wir uns auch noch: Während jeder Deutsche, jeder weniger berühmte, ertragen musste, dass aus seinen Stasi-Akten zitiert wurde, schaffte es Helmut Kohl, dass seine Stasi-Akte gesperrt blieb. Der Kanzler wollte sein Bild für die Geschichte selber zeichnen. Das kann kein Journalist dulden, wenn er gründlich recherchiert.
Haben Schwan und der Spiegel also Kohl hintergangen? Ja, aber die Wahrheit und das Informationsbedürfnis der Bürger haben einen höheren Rang, einen Verfassungsrang. Die deutsche Geschichte, wie sie wirklich war und wie sie die sehen, die vom Volk gewählt sind,diese deutsche Geschichte gehört dem Volk und nicht dem höchsten Volksvertreter, dem Kanzler a.D. Helmut Kohl.
Sicher hat Moral einen festen Platz im Journalismus. Den höchsten Grad der Moral nenne ich die Verfassungs-Moral. Sie ist unser erstes Gebot.
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Beitrag für Bülend Ürük, Chefredakteur von Newsroom.de, der diese Fragen zum Spiegel-Aufmacher stellte; alle Antworten unter newsroom.de:
- Darf man als Journalist Recherchen verwenden, auch wenn ein Gesprächspartner, dem man dies auch vorher zugesichert hat, dies ablehnt, dies nicht möchte?
- Wie würden Sie reagieren in einem Fall wie jetzt bei Herrn Schwan und Herrn Kohl? Würden Sie trotzdem auf Gespräche zurückgreifen und daraus ein Buch machen?
- Gebe es Skrupel, wenn es nicht die Person Helmut Kohl wäre, über die Herr Schwan schreibt? Was wäre, wenn es ein weniger berühmter Mensch der Zeitgeschichte wäre?
- „Hintergeht“ man seinen Gesprächspartner nicht, wenn man trotz seines Vetos auf diese Gespräche zurückgreift? Ist das ethisch sauber?
- Wie wirkt sich das auf den Journalismus aus, wenn wir Zusagen an Gesprächspartner nicht mehr halten? Können Gesprächspartner dann noch sicher sein, dass wir eine Info, die sie uns im Vertrauen oder unter Bedingungen gegeben haben, nicht doch später ganz nach unserem Sinn verwenden?
- Und wie ist das eigentlich, wenn man „nur“ über ein Buch berichtet, wie jetzt im aktuellen Fall der „Spiegel“ – hätten Sie moralische Bedenken, über ein Werk zu berichten, das so viel Streit zwischen den Beteiligten hervorgebracht hat?
- Hat so etwas wie „Moral“ überhaupt Platz im Journalismus oder ist es nicht viel wichtiger, aufzudecken, Themen zu setzen und andere Geschehnisse zu ignorieren?
NACHTRAG
Das Landgericht Köln hat Anfang Oktober einen Antrag Kohls, die Buchauslieferung zu stoppen, abgelehnt mit der Begründung: Es geht nicht um Urheber-, sondern um Persönlichnkeitsrechte. Nun muss das Oberlandesgericht entscheiden, bei dem Kohls Anwälte Beschwerde eingelegt haben.
Wie umgehen mit der Forderung eines Gesprächspartners: Den Artikel muss ich vorher komplett lesen?
Misstrauen begleitet die meisten Recherchen, Misstrauen von Leuten, die wir fragen – aber die nie wissen, was der Reporter aus dem Gespräch mitnimmt und in der Zeitung oder Zeitschrift druckt. Brand Eins gibt ein Heft über „Vertrauen“ heraus. Chefredakteurin Gabriele Fischer schreibt im Newsletter über eine besonders kribbelige Recherche von Andreas Molitor, der mit Vertrauensleuten sprach, jenen nicht zu beneidenden Menschen, die zwischen Gewerkschaft, Betriebsrat und Kollegen sitzen:
Er bekam das Misstrauen zu spüren, das in solch ungeklärten Situationen gedeiht. Am liebsten hätte der oberste Vertrauensmann vor einer Veröffentlichung den kompletten Text gelesen und auch gleich noch die Fotoauswahl bestimmt. Weil beides bei brand eins nicht möglich ist, wäre die Geschichte um ein Haar nicht erschienen.
Wie hat die Chefredakteurin den Beitrag gerettet? Sie knickte nicht ein, sondern machte klar, wie das Magazin mit Vertrauen umgeht:
Am Ende aber einigte man sich nach einer Sondersitzung des Vertrauensleute-Gremiums auf das bei brand eins einzig mögliche Verfahren: Wörtliche Zitate können auf Wunsch abgestimmt werden – mehr nicht („Zwischen den Stühlen“; Oktoberheft, Seite 80).
Ein Kuss, ein Gebet – Die letzten Stunden der Opfer von MH 17: Ein Glanzstück der Nachrichtenagentur AP
Das sind die Geschichten, die Leser lieben: Wie verbrachten die Passagiere des Flugs MH 17, den Terroristen abgeschossen haben, ihre letzten Stunden? Mit wem sprachen sie zuletzt? Wie lautete ihre letzte Mail? Welchen Menschen sahen sie als letzten, bevor sie zum Flugsteig gingen? Wen küssten sie? Wen umarmten sie?
Es ist schon ungewöhnlich, dass eine große Nachrichtenagentur wie AP solch ein großes Erzähl-Stück recherchiert und veröffentlicht. Normalerweise bringt sie die aktuelle Meldung, vielleicht noch die Namensliste der Opfer, ihre Nationalitäten. Kristen Gelineau, AP-Chefin in Australien, wollte hinter die Nachrichten schauen, die Kleinigkeiten entdecken, die das Leben ausmachen, sie suchte den Zeitstempel des letzten Gesprächs der Opfer, sie wollte „Qualität statt Quantität“ – und bat um Recherche-Hilfe bei Reportern in Neuseeland und auf den Philippinen, in Indonesien, Holland und Malaysia.
Erin Madigan White erklärte die Reportage „A kiss, a prayer: The last hours of MH 17’s victims“ im AP-Blog zum „Beat of the week“, der mit 500 Dollar honoriert wird. Kristen Gelineaus Geschichte beginnt so (frei übersetzt):
Im Schlafzimmer eines Hauses nahe Amsterdam fragt Miguel seine Mutter: „Mama, darf ich Dich umarmen?“ Samira, seine Mutter, legt ihre Arme um ihren elfjährigen Sohn, der sie seit Tagen nervt mit Fragen nach dem Tod, nach Gott und seiner Seele.
Am nächsten Morgen brachte sie ihn und seinen großen Bruder Shaka zum Flughafen, wo sie den Flug Malaysia Airline 17 nehmen wollten, um ihre Großmutter in Bali zu besuchen mit der Aussicht auf Wasser-Ski und Surfen im Paradies.
Irgendetwas war anders. Am Tag vor dem Flug brach es aus Miguel heraus beim Fußballspiel: „Wie willst du sterben? Was wird aus meinem Körper, wenn ich beerdigt bin? Fühle ich nichts, weil unsere Seele zu Gott zurückkehrt?“ Er beginnt mich zu vermissen, sagte sich seine Mutter. Sie hielt ihn die ganze Nacht fest in den Armen.
Das war um 23 Uhr am 16. Juli. Shaka und 296 andere Passagiere auf Flug 17 hatten noch ungefähr 15 Stunden zu leben.
Die Geschichte liest sich wie die Skizze für einen großen Roman. Zur Nachahmung empfohlen – für Nachrichtenagenturen und jeden, der Qualität mag und seine Leser liebt.
Diekmann hat bei Wulff-Frühstück nicht angebliche Rotlicht-Vergangenheit der Gattin angesprochen, so Diekmann
Veränderte Überschrift
@KaiDiekmann korrigierte in einem Tweet:
@pjraue BEI JENEM FRÜHSTÜCK spielte das Thema in der Tat keinerlei Rolle! Heisst nicht, dass es nicht eine andere Gelegenheit gab!
Die ursprüngliche Überschrift lautete: „Diekmann hat mit Wulf nicht über angebliche Rotlicht-Vergangenheit der Gattin gesprochen, sagt Diekmann“
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Was geschah beim Frühstück im Schloss Bellevue, als Bundespräsident Wulff Bild-Chefredakteur Diekmann zu Kaffee und Toast eingeladen hatte – damals wohl noch ein Herz, aber ohne Seele? Die Berliner Morgenpost lauschte und schrieb nach dem Wulff-TV-Auftritt bei Maybrit Illner:
Wer seine Urlaube mit Top-Wirtschaftsleuten verbringt, wer Amt und Freundschaften bis zur Unkenntlichkeit vermischt, der ist eine dubiose öffentliche Figur. Und wenn Kai Diekmann bei einem privaten Frühstück im Schloss Bellevue die neue Ehefrau Bettina Wulff auf ihre angebliche Rotlichtvergangenheit anspricht, dann wäre spätestens das der Moment gewesen, den Mann sofort vor die Tür zu setzen. Warum hat Wulff damals kein Rückgrat gezeigt?
Diekmann antwortet kurz vor Mitternacht per Twitter:
@KaiDiekmann: Ganz einfach, liebe @morgenpost: Ich habe das Thema bei jenem Frühstück gar nicht angesprochen.
Worüber haben die Drei denn gesprochen? Die FAZ hatte Wulffs Mailbox-Nachricht auf Diekmanns Handy veröffentlicht – ist jetzt die Süddeutsche an der Reihe, Diekmanns Gedächtnisprotokoll des Frühstücks im Bellevue zu drucken?
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Quellen: Morgenpost 25.7.2014 / Tweet Diekmann
Der Fall Mollath: Stilisierung eines Opfers statt sorgfältiger Recherche
So gut kann Lokaljournalismus sein: Die Redaktion des Nordbayerischen Kurier schwimmt gegen den Strom im „Fall Mollath“ und macht das, was guten Journalismus ausmacht: Sie geht zurück zu den Quellen – und stellt Fragen, die sich andere nicht stellen. Zu lesen sind sie in einer Online-Dokumentation des Kuriers „Der Fall Mollath“, erstellt nach dem Vorbild des „Snowfalls“-Features der New York Times (ein umfangreiches, gut gegliedertes Dossier mit Text, Video, Podcast und Foto).
Der Kurier erzählt die Geschichte einer Ehe, an deren Ende man oft nicht entscheiden kann: Wer hat Recht? Wer hat Schuld? Sicher ist nur: Die Frau erscheint in den meisten Medien als die Eiskalte, die Böse – dabei hat keiner mit ihr gesprochen. Sicher ist auch: Sie erzählt eine völlig andere Geschichte. Das beweist nicht, dass sie Recht hat; aber es beweist: Die Geschichte des Mannes ist nur ein Teil der Geschichte – und bringt den Opfer-Kult ins Wanken.
Der Kurier fragt auch: Warum hat der Mann die Deutungshoheit? Warum ist er unzweideutig das Opfer, zudem ein Opfer staatlicher Willkür? Was spricht dagegen:
> Sechs Gutachter aus verschiedenen Städten;
> Mollaths eigene schriftliche Äußerung von 2006 „Ich leide an einer schweren psychischen Krankheit“;
> die Weigerung Mollaths, mit seinem Pflichtverteidiger und dem vom Gericht bestellten Psychiater zu sprechen;
> die Anklage, er sei gemeingefährlich, weil er Freunden seiner Frau Reifen so zerstochen habe, dass sie erst während der Fahrt die Luft verlieren.
Das beweist nichts, aber lässt Raum für Zweifel an der Opfer-Rolle.
Was fehlt im Dossier des Kurier: Warum stilisieren fast alle Medien den Gustl Mollath als Opfer, die Frau und den Staat als die Bösen? Warum sind selbst investigative Journalisten so unkritisch – und stellen nicht die Fragen, die ein gut recherchierenden Journalist stellen muss?
Das medienkritische Kapitel sollte der Kurier unbedingt noch anfügen.
FACEBOOK:
Joachim Braun, 6. Juli 2014
Lieber Paul-Josef Raue,
der Hinweis auf die fehlende kritische Auseinandersetzung mit der Medienberichterstattung ist richtig. Das war aber nicht die Aufgabe der Kollegen.
Ich hatte mir das Thema Rudeljournalismus und einseitige Recherche im Fall Mollath selber vor einem Jahr mal angetan – wohl wissend um die Reaktionen: Nestbeschmutzer! Wichtigtuer! Wie kann man nur so negativ über die hochangesehene Süddeutsche Zeitung schreiben? Was bilden die in Bayreuth sich da ein?
Trotzdem würde ich es jederzeit wieder so machen: http://ankommen.nordbayerischer-kurier.de/2013/06/24/wie-die-mainstream-medien-im-fall-mollath-manipulieren/
Antwort Paul-Josef Raue, 6. Juli 2014
Lieber Joachim, auch wenn Du über den Rudeljournalismus schon mal geschrieben hast, so gehört das Thema in Euren Snowfall hinein. Das ist ja die Idee des Snowfall: Nicht nur alle Medienformen, sondern auch der komplette Inhalt. Gerade weil der Kurier so eindrucksvoll die Recherche-Fragen stellt, gehört als Abschluss dazu: Warum haben nicht alle die Fragen gestellt, auch die Hochangesehenen? Und die Reaktionen passen doch gut dazu: Nur Mut!
Eine Falschmeldung bei der WM und die Suche nach der Quelle (Friedhof der Wörter)
„Um an die Quelle zu kommen, muss man gegen den Strom schwimmen“, lautet eine der bekanntesten Weisheiten aus China. Nicht nur in diesem alten Kulturvolk ist die „Quelle“ ein beliebtes Sprachbild für Dichter und Philosophen – und für Journalisten, seitdem sie Nachrichten nicht nur weitergeben, sondern auch selber entdecken, meist nicht zur Freude der Mächtigen.
Woher kommt eine Nachricht? Wo ist ihre Quelle? Ein guter Journalist kennt den Ort der Quelle und nennt ihn – es sei denn, die „Quelle“ ist ein Mensch, der Vertrauliches , aber Wichtiges weitergibt und unerkannt bleiben muss, weil ihm sonst Böses widerfahren wird. Die „Quelle“ zu finden und zu nennen ist eine der wichtigsten Regeln für Journalisten.
Das gilt auch für die Prominenten bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Beim letzten Spiel der portugiesischen Mannschaft fiel ihr Star Ronaldo weniger durch seine Spielkunst denn durch seinen Haarschnitt auf. Er hatte sich einen Blitz in seinen Seitenscheitel rasieren lassen.
Damit wolle Ronaldo an den kleinen schwerkranken Erik erinnern, dem er 50.000 Euro geschenkt hatte für eine Tumor-Operation. Der Blitz in den Haaren erinnere an die Operations-Narbe. So stand es im Internet, auch bei seriösen Zeitungen.
Wo ist die Quelle der Nachricht? Die bildhübsche Vanessa Huppenkothen (29), eine Moderatorin aus Mexiko, hatte die Nachricht bei „Twitter“ gesendet (retweetet mehr als 30.000 Mal), sich auf einen Teenager berufend, der sonst allein durch vulgäre Sprüche im Internet auffällt. Es gab keine offizielle Bestätigung, aber mittlerweile eine Mitteilung von Eriks Mutter: Das Geschenk von Ronaldo gibt es, aber es gab noch keine Operation, also auch noch keine Narbe.
Schließen wir mit einer chinesischen Weisheit: Sobald die kleine Quelle versiegt, trocknet auch der große Fluss aus.
Quelle: Falsche Neun von Markus Herrmann aus Berlin („Falsche Neun ist ein Blog irgendwo zwischen Stadionpommes, Klugscheißerei und dem Geräusch von Schraubstollen auf alten Betontreppen“). Markus Herrmann belegt in seinem Blog genau seine Quellen
Er hat noch eine Falschmeldung entdeckt:
„Sportschau“ und seriöse Zeitungen schrieben online:
Serey von der Elfenbeinküste weinte während der Nationalhymne, weil zwei Stunden zuvor sein Vater gestorben war. Richtig ist: Der Vater ist seit zehn Jahren tot, Serey weinte nach eigenem Bekunden aus Rührung.
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Thüringer Allgemeine 30. Juni 2014 (gekürzte Fassung)
Jochen Reiss‘ Porträt der Fotografin Anja Niedringhaus, erschossen in Afghanistan
Braune Outdoor-Jacke mit aufgesetzten Taschen, da geht was rein. Den braunen Rucksack mit der Kamera hat sie auf dem Rücken. Anja Niedringhaus kommt mit dem Rad, sie kettet es vor dem Genfer Hauptbahnhof an. Gespräch in der Bahnhofspizzeria beim Cappuccino. Zwischendrin muss sie telefonieren. „I’ll be there just in time.“ Sie will sich Zeit nehmen, aber sie ist unter Druck. Spätestens um 16.45 Uhr muss sie los. Um 17 Uhr schließt das Konsulat Afghanistans und sie hat ihr Visum noch nicht. Morgen will sie wieder nach Kabul. Alle zehn Minuten zündet sie ihre Elektro-Zigarette an. Sechs Jahre lang war sie weg vom Rauchen. Im Krieg in Libyen hat sie wieder angefangen.
Anja Niedringhaus ist Kriegsfotografin. Der Gaza-Streifen, Afghanistan, Pakistan, Libyen, Kuwait, der Irak – die Stempel in ihrem Pass lesen sich wie die Landkarte der Krisengebiete. Mit dem Balkan-Krieg hat alles angefangen. Sie hat aber auch andere Themen: Wimbledon, Fußball-Weltmeisterschaften oder -Europameisterschaften, internationale Leichathletik-Turniere, auch mal der Papst auf Reisen.
So beginnt Jochen Reiss sein Porträt von Anja Niedringhaus, das 2013 in seinem Buch „Menschen machen Medien“ erschienen ist (mehr dazu im Anhang dieses Blogs). Am Freitag, 4. April 2014, ist die Fotografin in Afghanistan von einem Polizisten erschossen worden, als sie über den Wahlkampf berichtete.
Eines ihrer Fotos zeigt einen US-Marineinfanteristen mit entschlossenem Blick in schwerer Montur. Er führt einen jungen Mann in schwarzen Kleidern ab, barfuß, die Hände auf dem Rücken mit Kabelbindern gefesselt. Die rechte Hand des Soldaten drückt den Nacken des Festgenommenen tief nach unten. In der linken hält er sein Gewehr. Das Foto ist eines der Bilder, für das Anja Niedringhaus als erste deutsche Fotografin den Pulitzerpreis bekommen hat.
„Wenn ich es nicht fotografiere, wird es nicht bekannt“, sagt Anja Niedringhaus. Das Foto macht sie während der zweiten Schlacht um die irakische Rebellen-Hochburg Falludscha im November 2004. Phantom Fury wird die Operation genannt, gespenstische Wut. 1.200 Aufständische und 64 Soldaten werden getötet. Es ist der schwerste Häuserkampf des US-Militärs seit der Schlacht um Hué in Vietnam im Jahr 1968.
Das Foto ist eines der wenigen Hochformate, die sie macht. Sonst fotografiert sie quer. „Man sieht ja auch nicht hochkant.“ Sie hat es so schwerer, dass eines ihrer Motive es auf das Cover von Newsweek oder des Time Magazine schafft. Das nimmt sie in Kauf.
Manchmal ist Anja Niedringhaus in der Frontlinie, wo die Kugeln pfeifen. Meistens zeigen ihre Bilder die anderen Opfer eines Krieges, die toten und verletzten Zivilisten, die Hinterbliebenen, die Traumatisierten, das Ringen um Würde und Normalität in der Ausnahmesituation. „Ich bin ja nicht auf der Suche nach dem Bang-Bang. Ich glaube, dass andere Fotos viel mehr zeigen können. Was passiert nach dem Bang-Bang? Welche tiefen Spuren hinterlässt der Krieg? Wie geht es den Menschen, die leiden und sich im Krieg zurechtfinden müssen? Das ist es, was ich erzählen möchte.“
Ein Foto zeigt den Schmerz eines jungen Libyers. Pfleger trösten ihn, im Krankenhaus von Bengasi hat er gerade seinen getöteten Bruder identifiziert. Auf einem anderen ist ein US-Soldat mit nacktem Oberkörper in Afghanistan zu sehen. Er hat einen Bauchschuss, im Lazaretthubschrauber greift er nach seinem Rosenkranz. Einmal kommt Anja Niedringhaus an einem Auto vorbei, eine Granate hat es gerade getroffen. „Da klebte eine ganze Familie an den Resten der Autoscheiben. Es waren zwei Kinder dabei.“
Widerwillig nähert sie sich, die letzten Meter geht sie nur noch mit der Kamera vor den Augen, um die Strecke zu schaffen. „Wenn ich ein schreibender Journalist wäre und würde diese ganzen Dinge sehen, hätte ich ein größeres Problem. Ich bin meiner Kamera dankbar, sie ist immer auch ein Schutz. Die Konzentration schirmt mich ab gegen die Eindrücke.“ Als Anja Niedringhaus damals am Abend die Bilder editiert, muss sie sich mehrfach übergeben.
Früher hat sie mal geglaubt, wenn man ihre oder die Fotos der Kollegen druckt, dann muss ein Krieg doch aufhören. Sie weiß heute, dass sie Kriege nicht stoppen wird. „Aber ich kann trotzdem etwas tun. Ich habe die Aufgabe, darüber zu berichten, und hoffe, dass sich etwas ändert. Vielleicht werden Hilfsgüter mobilisiert. Vielleicht werden Politiker sensibler. Und gerade, wenn die Menschen zuhause müde, abgestumpft sind, weil es einen Krieg seit zehn Jahren gibt, wenn es kaum noch Interesse daran gibt – gerade deshalb muss man immer wieder hin und dokumentieren: Der ist aber noch da, dieser Krieg.“
Dafür riskiert sie seit mehr als 20 Jahren ihr Leben. Auch wenn sie vorsichtig ist. „Angst muss man sich behalten. Angst ist ja auch eine gute Warnung, ich bin ja kein Rambo. Angst ist lebenserhaltend.“
Wenn Anja Niedringhaus an die Front geht, wenn sie embedded ist, eingebettet in eine militärische Einheit, ist sie gerne mit Soldaten unterwegs, die sie schon kennt. Auch das hilft gegen die Angst. „Es hilft, sich zurechtzufinden. Es ist gut zu wissen, wo man sich sicher schlafen legen kann. Die Soldaten vertrauen mir und ich vertraue ihnen. Es ist ganz oft eine große Kameradschaft. Wenn es wirklich um Leben und Tod geht, trifft man die ehrlichsten Menschen. Wir lachen aber auch viel. Sonst hält das keiner aus.“
Die Fotografie, meint sie, sei „die ehrlichste Sparte im Journalismus. Weil ich das Geschehen mit eigenen Augen gesehen haben muss.“ Sie kennt nur wenige schreibende Kollegen, die unmittelbar von der Frontlinie berichten. Der Spar-Zwang in vielen Medienunternehmen mache es den Textern auch immer schwerer, überhaupt rauszukommen. Sie als Fotografin sei da im Vorteil. „Immer öfter heißt es doch: Können Sie das nicht reintelefonieren? Gott sei Dank kann ich kein Foto reintelefonieren. Journalismus findet auf der Straße statt. Nicht im Büro.“
Anja Niedringhaus weiß, dass sie einen mächtigen Schutzengel haben muss. Er passt auch am 11. September 2010 auf sie auf. Sie begleitet eine Fußpatrouille des Royal Canadian Regiments in Afghanistan, seit vier Uhr morgens sind sie unterwegs. Sie erreichen das Dorf Salavat in der Kandahar-Region im gefährlichen Süden Afghanistans. Anja Niedringhaus gelingt noch das Foto eines Soldaten, der mit dem rechten Fuß ein Huhn aufscheucht. Er trägt ein Maschinengewehr und zusätzlich eine Pistole in einem Halfter am Bein. Die Sonne steht noch tief, es ist ein Foto mit viel Schatten, fast wie ein Scherenschnitt. Es ist eines der schönsten Bilder der Fotografin.
Sie lehnt an einer Lehmwand, als sie die Szene fotografiert – da fliegen Handgranaten über die Mauer, detonieren. Anja Niedringhaus merkt stechende Schmerzen im Gesäß bis zur Hüfte, denkt aber: Sind das Dornen? Sie geht in Deckung, fotografiert weiter, klettert mit den anderen über eine Mauer, als einer ruft: „Anja blutet!“
Ein Hubschrauber bringt sie und einen verletzten Soldaten zum Militärhospital nach Kandahar. Dutzende sechs Millimeter große Metallsplitter stecken in ihrem Körper, einer ganz dicht am Ischias-Nerv. Ärzte operieren sie heraus. An vier kommen sie nicht heran. Anja Niedringhaus spürt sie heute manchmal noch. Lebensnotwendige Organe haben die Splitter nicht verletzt. Die kugelsichere Weste hat sie aufgehalten.
Die lebensrettenden Kevlar-Platten in der Weste lässt sie ersetzen. Zwei solcher Panzerungen hat Anja Niedringhaus. Eine der Westen ist in Kabul deponiert, die andere liegt in einem idyllisch gelegenen Forsthaus bei Kassel. Dorthin, zu ihrer Schwester, dem Schwager, deren drei Kindern und den Pferden taucht sie gelegentlich für ein paar Tage ab. Abstand bekommen! Das Lachen der Kinder! Auftanken! Eigene Kinder sind mit der Berufsleidenschaft von Anja Niedringhaus nicht zu vereinbaren. Was hätte sie fotografieren sollen? Lokaltermine? Regionalsport? „Ich hätte mich gefürchtet davor, die Kinder einmal dafür verantwortlich zu machen, dass mein Leben einen anderen Weg gegangen ist.“
In Göttingen studiert Anja Niedringhaus Germanistik, Philosophie und Publizistik, Schwerpunkt Fotografie. Nach dem ersten Semester geht sie für vier Monate nach Südindien, hilft dort in einem Heim für Polio-Kinder. „Ich wollte immer viele Länder bereisen. Aber dort gar nichts tun, das kann ich nicht.“ Schon beim Großvater sitzt sie als Kind vor dessen Globus, kann aber Höxter nicht finden. Daraus schließt sie, dass die Welt groß sein muss. Wie groß, das will sie entdecken. Vom Großvater bekommt sie auch ihre erste Kamera, eine Contax. Anja Niedringhaus fotografiert, seit sie zwölf Jahre alt ist. Mit 13 hat sie ein Nikon Einsteigermodell.
Beim Göttinger Tageblatt macht sie ein Praktikum, bekommt einen Job als Pauschalistin, schreibt und fotografiert. Sechs Jahre arbeitet sie als Freie fürs Tageblatt, danach erhält sie eine Stelle als Fotografin der European Pressphoto Agency (EPA) in Frankfurt am Main. Sport- und Gesellschaftsfotografie. Dann bricht 1991 der Balkan-Krieg aus. Anja Niedringhaus ist nachts auf der Rückfahrt von einem Termin in Baden-Baden, als sie im Radio die Nachricht hört von den ersten Kämpfen in Slowenien. „Das war für mich ganz klar: Wenn ich mich für diesen Beruf entschieden habe, dann gibt’s auch hier kein Wenn und Aber. Dann gehören die Kriege dazu.“
Sie meint, anfangs sei sie ganz schön naiv gewesen. „Wie das ist, wenn eine Rakete abgefeuert wird, die Menschen töten kann, das kannte ich ja bisher nur aus Filmen. Dies dann zu sehen in der Realität, ist eine Prüfung an sich selbst. Das war das Wichtigste für mich, dass ich gemerkt habe, ich halte das durch, ich kann das.“
Gleich in den ersten Kriegsjahren wird sie von Heckenschützen unter Feuer genommen, sie trägt auch damals schon eine kugelsichere Weste. Bei einer Demonstration in Belgrad fährt ein Polizeiauto ihr über den Fuß und bricht ihn in Stücke. Drei aufwändige Operationen sind nötig, um ihn zu rekonstruieren. Mit Kollegen ist Anja Niedringhaus an der Grenze zwischen Albanien und dem Kosovo unterwegs, als Nato-Flugzeuge die Journalisten beschießen. Sie können sich retten in Autos und Unterstände. 20 Minuten dauert der Angriff, bis die Nato ihren Irrtum bemerkt. Die International Women’s Media Foundation zeichnet Anja Niedringhaus später für mutigen Journalismus aus.
Sie lebt damals auch in Sarajewo, wird Chef-Fotografin der EPA, koordiniert die Fotografen-Einsätze. Dann der Anruf der Associated Press (AP). Man hat die Position eines reisenden Fotografen mit Standort in Genf zu vergeben. Anja Niedringhaus sagt noch am Telefon zu. „Ich kenne ja nichts anderes in meinem Leben, als zu reisen.“ Es geht gleich los. Israel, der Gaza-Streifen. Dann Kuwait, die US-Army sammelt dort ihre Truppen für den Einmarsch in den Irak. AP versichert Anja Niedringhaus. 400 Fotografen hat die Agentur weltweit, nur zwei Frauen berichten von den Kriegen. Die Kollegin von Anja Niedringhaus riskiert in Afrika Kopf und Kragen.
Es gibt eine Vereinbarung mit den Amerikanern. Fotos von Toten dürfen erst nach zwei Tagen und nur mit Genehmigung veröffentlicht werden. Die Gefahr ist zu groß, dass Angehörige die Bilder sehen, bevor man sie verständigen konnte. Verletzte dürfen nur gezeigt werden, wenn sie schriftlich zugestimmt haben. Ohnehin zeigt Anja Niedringhaus nicht alles. „Vielleicht mache ich das Foto, aber eine ganz andere Überlegung ist: Sende ich das auch? Jeder hat sein Menschenrecht. Es ist in 99 Prozent der Fälle nicht wichtig, etwa Verstümmelungen zu zeigen. Ich möchte ja vielleicht auch nicht so gesehen werden im Sterben. Man kann eine Geschichte auch anders erzählen als mit martialischen Fotos.“ In Sarajewo legt sie die Kamera einmal ganz weg. Sie fährt Verletzte ins Krankenhaus. Ein Foto hat sie abends nicht.
Südafghanistan, die Provinz Helmand. Der junge Marineinfanterist Corporal Burness Britt führt eine Patrouille durch ein Weizenfeld. Er ist erst 22 Jahre alt, dieser Einsatz ist sein erster in dieser Region. Plötzlich explodiert ein versteckter Sprengsatz nur wenige Meter entfernt. Ein großer Metallsplitter schneidet durch Burness Britts Nacken, zerfetzt eine Arterie, bleibt stecken. Die Druckwelle schleudert ihn durch die Luft.
Der Rettungshubschrauber vom Team für Medical Evacuation ist schnell vor Ort. Anja Niedringhaus ist an Bord, sie ist mal wieder embedded. Fünf Männer sind schwer verletzt, Burness Britt hat es am schlimmsten erwischt. Das Blut spritzt auch noch, als er im Helikopter liegt. In der rechten Hand hält Anja Niedringhaus die Kamera, sie macht ihre Fotos. Mit der anderen drückt sie eine Hand des Soldaten. Er erwidert die Geste, klammert sich fest, bis er bewusstlos wird. Er ringt mit dem Tod.
Britts Uniformhemd ist zerfetzt, blutgetränkt. Anja Niedringhaus entdeckt darauf eine Weizen-Ähre, steckt sie in die Tasche ihrer kugelsicheren Weste. „Ich habe viele verletzte Zivilisten und Soldaten gesehen, aber niemand hat mich mehr beeindruckt als Britt. Ich kannte ihn erst seit ein paar Minuten in diesem Hubschrauber. Aber ich hoffte, ihn eines Tages wiederzusehen. Und ihm dann dieses kleine Stück Weizen geben zu können.“ Der Helikopter fliegt den Corporal zum Außenposten Camp Edi, von dort wird er nach Deutschland ins US-Militärkrankenhaus in Landstuhl gebracht, später in die USA.
Anja Niedringhaus reist zurück in die Schweiz. Die Weizen-Ähre bewahrt sie in einem Schmuckkästchen auf. Sie geht ihrer Arbeit in Europa nach und sucht gleichzeitig nach dem jungen Soldaten. Was mag aus ihm geworden sein? Sie telefoniert die Hospitäler in den USA ab, in denen die schwerverletzten Kriegsveteranen versorgt werden. Aber niemand dort kennt Britt. Sie bittet ihre AP-Kollegen um Hilfe. Eines Abends versucht sie im Internet, mit den Buchstaben seines Namens zu spielen. Sein Vorname sei Burmess, haben sie ihr im Helikopter gesagt. Tatsächlich heißt er Burness. Sie findet einen Artikel über ihn in der Lokalzeitung in seiner Heimatstadt Georgetown, South Carolina. Burness Britt ist auch bei Facebook, er akzeptiert ihre Freundschaftsanfrage, aber er antwortet nicht. Vielleicht will er einfach nur vergessen?
Anja Niedringhaus findet heraus, dass Burness Britt in einem Krankenhaus in Richmond im Staat Virginia gepflegt wird. Sie ruft an, bekommt eine Krankenschwester ans Telefon. Sie hört diese sagen: „Britt, da ist ein Anruf für dich von einer Fotografin aus der Schweiz. Sie war in Afghanistan dabei.“ Stille, dann Burness Britts sanfte Stimme. Am Ende sagt er: „Yes, ma’am, I would like to see you. Come.“
Es ist kurz vor Weihnachten, Anja Niedringhaus fliegt nach Richmond. Im Flur des Hunter Holmes McGuire Medical Center trifft sie Burness Britt. Es fällt ihm schwer, zu gehen, den rechten Arm und das Bein zu kontrollieren. Er trägt einen Helm. Nach vier Wochen im künstlichen Koma hat er einen Schlaganfall erlitten, die Ärzte mussten die halbe Schädeldecke entfernen, um den Druck zu nehmen. Er lächelt. Immer wieder sagt er: „Oh man, it is so good to see you.“
In seinem Zimmer sitzen sie auf seinem Bett. „Haben Sie Fotos dabei?“, fragt Burness Britt. Er will die Bilder aus dem Hubschrauber sehen. Jedes schaut er sich lange an, in seinen Augen sind Tränen. Anja Niedringhaus deutet auf das Foto mit der Weizen-Ähre auf dem blutigen Hemd. „Die habe ich dabei.“ Er sagt, das wird sein neuer Talismann. „Sie geben mir einen Teil meines Lebens zurück.“
Jochen Reiss: Menschen machen Medien. Daedalus-Verlag, 246 Seiten, 19.95 Euro
Kurzbesprechung:
Gute Journalisten schreiben am liebsten über Menschen statt über Sachen. Erstaunlich selten schreiben Journalisten über Journalisten, es sei denn in hämischer Absicht.
Der Münchner Journalist Jochen Reiss hat 32 meist wenig bekannte Journalisten beobachtet und mit ihnen gesprochen: Porträts einer aufregenden und bewegenden Zunft, die sich ihrer Macht bewusst ist – zum Beispiel
> Die Lokalreporterin, die Neonazis jagt und der ein Polizist rät, sich nicht zu verstecken: „Öffentlichkeit schützt!“
> Die West-Korrespondentin in der DDR, die eine 500 Seiten starke Stasi-Akte hat und heute Medienwächterin in Sachsen ist.
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Ausschnitte aus Reiss‘ Porträt erscheinen in der Thüringer Allgemeine 7. April 2014
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