Alle Artikel der Rubrik "Online-Journalismus"

31 Millionen Euro gegen die Vertwitterung des Journalismus

Geschrieben am 9. März 2013 von Paul-Josef Raue.

Schlechte Nachrichten für alle, die den Untergang der Zeitungen und die Vertwitterung des Journalismus in naher Zukunft erwarten. Am Donnerstag weihte die Braunschweiger Zeitung eine neue Zeitungsdruckerei ein, in die die Funke-Mediengruppe 31 Millionen Euro investiert hat.

Der Braunschweiger Geschäftsführer Harald Wahls stellte die modernste Zeitungsdruckerei denn auch mit leichter Ironie vor: „Wir schauen optimistischer in die Zukunft, als die allgemeine Nachrichtenlage über Zeitungen suggeriert.“ Zur Eröffnung waren denn auch alle gekommen, die wichtig sind in Braunschweig, Wolfsburg und Niedersachsen – ob Oberbürgermeister, Chef der VW-Autostadt, Verleger, Politiker und Unternehmer.

Stephan Weil, der neue Ministerpräsident, kam nach Braunschweig, wenige Tage nachdem er seinen Amtseid abgelegt hatte. Er sprach kurz, frei, und er lobte die Regionalzeitung als das am meisten vertrauenswürdige Medium. Von seiner Erziehung durch die Zeitung erzählte er: Das Lesen hat er im Sportteil der Zeitung gelernt, so wie auch seine Kinder das Lesen gelernt haben. „Ich wünsche mir, dass auch ein Enkelkind mit Hilfe des Sportteils einer Zeitung das Lesen lernen wird.“

Es waren gestandene Männer aus dem analogen Zeitalter, die das Lob der Zeitung sangen, also Menschen, die sich einen Morgen ohne das Knittern von Papier nicht vorstellen können – für die eine Zeitung mehr als die Aufnahme von Information zwecks Speicherung im Hippocampus unseres Gehirns. „Die gedruckte Zeitung ist etwas Emotionales im Vergleich zum Laptop, auf dem wir das E-Paper lesen“, sagte der Braunschweiger Oberbürgermeister Gert Hoffmann, der in der digitalen Welt auch den Verfall von Sprachkultur beklagt.

Für Christian Nienhaus, Geschäftsführer der Funke-Mediengruppe, ist Zeitung Entschleunigung. Angenommen, so sein Gedankenexperiment, statt Gutenbergs Erfindung wären wir vom Papyrus gleich zum Computer übergegangen: Wären Papier und Zeitung dann nicht eine moderne Innovation? Zudem seien nicht nur Banken systemrelevant, sondern auch Zeitungen – relevant für unser System Demokratie.

In einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung hatte Nienhaus hingewiesen, dass die Herstellung der Zeitung in der neuen Druckerei ein vollständig digitaler Prozess sei, an dessen Ende ein anologes Produkt stehe.

Die Zeitung ist kein Anzeigenblatt – auch online nicht!

Geschrieben am 28. Februar 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 28. Februar 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Online-Journalismus.

Ihr schätzt die Texte und Bilder in Eurer Zeitung, als würden sie in einem Anzeigenblatt stehen! Dieser Vorwurf wird lauter gegenüber Zeitungen, die ihren Inhalt kostenlos ins Netz stellen. Jan Bayer, Springer-Vorstand, formuliert es ein wenig vornehmer:

Wenn es uns gelingt, eine qualitative Reichweite mit zahlenden Abonnenten aufzubauen, dann steigt auch deren Wert für die Tageszeitung. (Horizont 8/2013)

Jürgen Scharrer, Horizont-Chefrredakteur, interpretiert den Bayer-Satz folgerichtig so:

User, die für ein Medium bezahlen und ihm entsprechend mehr Aufmerksamkeit schenken, sind ein wertvollerer Werbekontakt als Nutzer von Gratisangeboten – ein Argument, das von Print die vergangenen Jahre sträflich vernachlässigt wurde.

Nur wenn Journalismus etwas wert ist, auch: Geld wert ist, haben also Döpfners goldene Worte eine Zukunft:

Das Digitalzeitalter hat alle Chancen, zum Goldenen Zeitalter des Journalismus zu werden. Darum bin ich nicht pessimistisch, sondern optimistisch, was die Zukunft der Publishing-Branche betrifft – vorausgesetzt, wir konzentrieren uns auf unsere Kernkompetenz – auf exzellenten Journalismus.

So wird der Springer-Chef zitiert in der Einladung zur „World Publishing Expo 2013“, die Matthias Döpfner eröffnen wird.

Die Financial Times und die Digital-First-Strategie

Geschrieben am 22. Februar 2013 von Paul-Josef Raue.

Nach einem Besuch im Silicon Valley schrieb Lionel Barber, der Herausgeber der britischen Financial Times, an seine Mitarbeiter: Wir müssen weniger Geld für die Zeitung ausgeben und mehr für Online – „auch wenn Print immer noch eine wichtige Quelle für die Werbe-Einnahmen ist“.

Er wirbt für seine „Digital-First-Strategie“, die also vorrangig auf digitale Angebote setzt, und kündigt an, die Mitarbeiter effizienter einzusetzen, also: auf 25 Redakteure in der Zeitung verzichten und 10 fürs digitale Geschäft einstellen zu wollen. Und welche Regeln gelten Online?

Natürlich müssen wir uns an die bewährten Methoden eines guten Journalismus halten: gründliche, ursprüngliche Berichterstattung auf der Grundlage mehrerer Quellen und ein waches Auge für die Exklusivmeldung.

Neben Veränderungen, die nur die FTD betreffen wie Zusammenlegen von Ausgaben, gibt es zwei Vorgaben, die für alle Redaktionen gelten sollten:

  • Ein Ende der „vielarmigen Auftragsvergabe“ – wir brauchen weniger Auftragsvergabekanäle.
  • Wir bedienen zuerst eine digitale Plattform und an zweiter Stelle eine Zeitung.

Am gemeinsamen  Newsdesks arbeiten nicht mehr  Seitenredakteure, sondern  Content-Redakteure:

Wir müssen  nachdenken, wie, wann und in welcher Form wir unseren Content veröffentlichen, ob konventionelle Nachrichten, Blogs, Video oder Social Media.

Wir brauchen  Reporter, die bereit sind, ihre Talente für die Bearbeitung der großen FT-Artikel einzubringen, und nicht Gefahr laufen, in ein Silodenken zu verfallen.

 


Die E-Mail im Wortlaut (übersetzt von  Thomas Bertz, TBM Marketing GmbH)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in meiner Neujahrsbotschaft habe ich erklärt, dass das Jahr 2013 zum Testlauf für unsere Entschlossenheit werden würde, weitergehende Schritte rascher zu gehen, um Journalismus der Spitzenqualität in einer im rasanten Wandel befindlichen Medienlandschaft zu unterstützen.

Ich möchte jetzt im Detail darstellen, welche Vorschläge wir für den Umbau der FT für das digitale Zeitalter machen möchten. Wir müssen in einigen Bereichen weniger und in anderen mehr tun. Wir müssen sehr viel wendiger sein und wir müssen unsere Teams umgestalten.

Heute haben wir Beratungen mit der britischen Journalistengewerkschaft National Union of Journalists (NUJ) aufgenommen, um eine erste Regelung zum freiwilligen Personalabbau auf den Weg zu bringen. Ziel ist es, die Produktionskosten der Zeitung zu senken und uns die Flexibilität zu geben, mehr in die Online-Sparte zu investieren.

Es ist unsere gemeinsame Sache, die Zukunft der FT in einem zunehmend von Wettbewerb geprägten Markt zu sichern, auf dem die alten Titel regelmäßig Erschütterungen durch neue Anbieter wie Google und LinkedIn und Twitter ausgesetzt sind. Die Marke FT, die für präzisen, zuverlässigen Journalismus steht, kann prosperieren, aber nur, wenn sie sich an die Anforderungen unserer Leser im Digital- und im Printbereich anpasst, der noch eine äußerst wichtige Quelle für Werbeeinnahmen ist.

Mein Besuch in Silicon Valley im letzten September hat mir das Tempo der Veränderung bestätigt. Unsere Wettbewerber nutzen Technologie, um das Nachrichtengeschäft durch Aggregation, Personalisierung und Social Media zu revolutionieren. Mobil allein macht jetzt z. B. 25 Prozent des gesamten digitalen Traffic der FT aus. Stillstand würde bedeuten, dass wir uns grob fahrlässig verhielten.

Natürlich müssen wir uns an die bewährten Methoden eines guten Journalismus halten: gründliche, ursprüngliche Berichterstattung auf der Grundlage mehrerer Quellen und ein waches Auge für die Exklusivmeldung. Wir müssen aber auch anerkennen, dass das Internet neue Wege und Plattformen für die umfassendere Vermittlung und Übertragung von Informationen bietet. Wir sind auf dem Weg von einem Nachrichtengeschäft zu einem vernetzten Geschäft.

Um die Beziehung zu unseren Lesern zu intensivieren, müssen wir unsere Investitionen und unsere Mitarbeiter intelligenter, ausgewogener und effizienter einsetzen. Deshalb schlagen wir vor, einige unserer Ressourcen von Nacht- auf Tagarbeit und von Print auf digital zu verlagern. Dies erfordert eine FT-weite Initiative, um unsere Journalisten so zu schulen, dass sie ihre Fähigkeiten bestmöglich nutzen. Und es erfordert entschiedene Führung.

Ich bin fest entschlossen, dass wir unser Allermöglichstes tun, um die Zukunft der FT als finanziell tragfähige Nachrichtenorganisation auf Weltniveau zu sichern. Unsere früheren Entscheidungen, Preise zu erhöhen, Gebühren für Content zu erheben und ein Abonnementsgeschäft aufzubauen, haben sich als klug und mutig erwiesen. Während viele unserer Rivalen sich abgemüht haben, ein profitables Geschäftsmodell zu finden, und deshalb schwere Arbeitsplatzverluste angekündigt haben, waren wir Industriepioniere. Dies ist nicht der Augenblick für zögerliches Handeln.

Natürlich ist Veränderung schmerzlich. Ich möchte Ihnen deshalb versichern, dass die folgenden Vorschläge genauestens überlegt und intensiv beraten wurden und dies auch weiterhin der Fall sein wird. Das gilt ebenfalls für unseren Wunsch, fair, ehrlich und transparent zu sein. Und wir treten jetzt in eine Beratung mit der National Union of Journalists und Mitarbeitern ein, um über die Zukunft der Financial Times und diese Vorschläge zu beraten, so dass wir im fairen und offenen Dialog den richtigen Weg nach vorn einschlagen können.

Zu Beginn möchte ich einige Punkte klarstellen.

Ich möchte unsere Auftragsvergabe verbessern, um selektiveren, relevanten, qualitativ hochwertigen Content zu produzieren.

Ich möchte Maßnahmen umsetzen, mit denen es der Zeitung erleichtert wird, die Arbeitsbelastung zu verringern und die für die Printausgabe aufgewendeten Ressourcen zu reduzieren. Diese umfassen:

1. Gemeinsame Anzeigenformen in allen Ausgaben – was unnütze Optimierung und Bearbeitung zwischen den einzelnen Ausgaben reduziert.

2. Eine stärker von Gemeinsamkeit geprägte internationale Ausgabe mit gemeinsamen Titelseiten und zweiten Titelseiten.

3. Mögliche Umstellung auf eine gemeinsame laufende Reihenfolge zwischen britischen und internationalen Ausgaben mit Weltnachrichten auf der Titelseite

4. Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl der Veränderungen, die für die zweite US-Ausgabe verlangt werden.

5. Kürzung der dritten britischen Ausgabe.

6. Weitaus diszipliniertere Einhaltung der Lieferzeiten des Anzeigenmaterials und verbessere Vorausplanung

7. Ein Ende der „vielarmigen Auftragsvergabe“ – wir brauchen weniger Auftragsvergabekanäle. Ebenso müssen Nachrichtenredakteure Berichte, die Priorität haben, eindeutig kennzeichnen.

8. Straffere Kontrolle der Paginierung. Wir müssen sicherstellen, dass wir zuerst eine digitale Plattform und an zweiter Stelle eine Zeitung bedienen. Dies stellt eine große kulturelle Veränderung für die FT dar, die wahrscheinlich nur mit einer weiteren strukturellen Veränderung erreicht werden kann.

Wir müssen einen Weg finden, die Produktionsressourcen während der Nacht zu reduzieren und sie am Tag zu vergrößern; dieselben Ressourcen müssen auch zunehmend für das Web und weniger für die Zeitung aufgewendet werden.

Auf vereinigten Newsdesks müssen wir von Seitenredakteuren zu Content-Redakteuren werden. Wir müssen neu darüber nachdenken, wie, wann und in welcher Form wir unseren Content veröffentlichen, ob konventionelle Nachrichten, Blogs, Video oder Social Media.

In unserem britischen und internationalen Reporternetz müssen wir bestrebt sein, Menschen an der richtigen Stelle zu haben, die bereit sind, ihre Talente für die Bearbeitung der großen FT-Artikel einzubringen, und nicht Gefahr laufen, in ein Silodenken zu verfallen oder in bestimmten geografischen Regionen isoliert zu werden.

Pearson, die Muttergesellschaft der FT, steht fest hinter unserer Strategie und unserer geplanten Umwandlung und leistet finanzielle Unterstützung für die Umstrukturierung, die wir für das erste Quartal dieses Jahres planen.

Das geplante Programm für einen freiwilligen Stellenabbau wird uns helfen, unsere Strukturen neu zu gestalten und unsere Kosten im laufenden Jahr um 1,6 Mio. GBP zu senken. Nach unseren Schätzungen könnte dies in einer Nettoreduzierung der Mitarbeiterzahl um ca. 25 nach Einführung von 10 weiteren digitalen Jobs zum Ausdruck kommen, von denen wir einige bereits bewerben.

Mitarbeiter, die die Zeitung verlassen möchten, ermutigen wir zu diesem Schritt. Wir werden uns außerdem mit der NUJ über die weiteren Schritte beraten, die wir möglicherweise vorschlagen müssen, wenn das geplante Programm zum Stellenabbau nicht im erforderlichen Maße angenommen wird.

Schließlich werden wir 2013 online neue Produkte und Dienstleistungen einführen. Starten werden wir mit unseren „Fast FT“-Märkten und einer neuen App „Weekend FT“.

Dies wird uns allen Gelegenheit geben, intensiver über eine dynamischere und interaktivere Form des FT-Journalismus nachzudenken, die über das gedruckte Wort hinausgeht. Dies ist entscheidend, um die Beziehung zu unseren Lesern zu intensivieren und unser Abonnementsgeschäft aufzubauen.

Ich werde an Sitzungen mit Teamleitern teilnehmen, um diese Veränderungen zu erklären, mir Ihre Ideen anzuhören und Fragen zu beantworten. Inzwischen wird Redaktionsleiter James Lamont die Details des Programms zum freiwilligen Stellenabbau unterbreiten und sich umfassend mit Ihnen beraten.

Redaktionsassistenten und Teamleiter werden in groben Zügen über die Vorschläge informiert. Sie werden ihr Bestes tun, um Ihre Fragen zu beantworten und Ihnen ihre Unterstützung anzubieten. Während der gesamten Geschichte der FT haben wir großartige Fortschritte in einer im Wandel begriffenen Industrie erzielt. Sie haben eindrucksvolle Schritte unternommen, um die FT zu modernisieren, und ich bin zutiefst dankbar für Ihre Bereitschaft, sich Veränderungen anzupassen. Dies ist keine einfache Umstellung, aber wir sind gezwungen, die schwierigen Maßnahmen zu treffen, um die Zukunft der FT als eine der großartigsten Nachrichtenorganisationen der Welt zu sichern.

Und mit Ihrer Unterstützung in diesem 125. Jubiläumsjahr können wir dies erreichen und weiterhin das tun, was wir am besten machen: das Geschäft eines qualitativ hochwertigen Journalismus.

 

„Kein anderes Medium hat ein besseres Image als die Tageszeitung“

Geschrieben am 16. Januar 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 16. Januar 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Online-Journalismus.

Die journalistische Stärke der Zeitung hebt Inga Scholz heraus, die neue Geschäftsführerin der Zeitungsgruppe Thüringen (zu der die TA, die OTZ und die TLZ gehören). Ein Auszug aus ihrer Rede beim Neujahrsempfang der Zeitungsgruppe:

80 Prozent der Deutschen lesen Zeitung – als gedruckte Version oder im Netz. Die Zeitung ist auch im Netz die Nachrichtenquelle Nummer 1. Und damit ist Zeitung auch weiterhin das erfolgreichste Informationsmedium, schneller und lebendiger als je zuvor.

In dieser Diskussion um die Zukunft gilt es zu unterscheiden zwischen einer Debatte um Verbreitungskanäle und Kommunikationsinhalte.

Die Diskussion beinhaltet etwas ganz anderes: Es geht um den Wert von Verlässlichkeit, um die Glaubwürdigkeit von Information. Mit der ständig wachsenden Informationsflut wird die Verlässlichkeit der Informationsquelle immer bedeutender. Das ist gut für uns Zeitungen, denn damit steigt auch die Bedeutung von seriösen journalistischen Inhalten.

Zeitung ist vertrauenswürdig. Zeitung ist seriös: Sie kennen die Absender und wissen, wer beschreibt, einordnet, bewertet. Unsere Zeitungen geben den Thüringern Verlässlichkeit, Heimat, Zugehörigkeit und Orientierung. Wir sind mit den Menschen im Freistaat untrennbar verbunden, weil wir die gleiche Geschichte haben, wir leben hier, wir sind hier zu Hause, so wie Sie: Wir können Ereignisse aus thüringischer Sicht einordnen, wir sind Verbündeter und auch Spiegelbild des Lebens – ob im Netz oder als gedruckte Version.

27 Millionen Deutsche lesen Zeitungen online im Netz. Damit haben die deutschen Tageszeitungen mehr Nutzer als T-online oder „ebay“…Kein anderes Medium hat ein besseres Image als die Tageszeitung – und unsere Werbekunden profitieren davon: Konsumenten vertrauen Zeitungswerbung von allen Werbegattungen am meisten. Sie vertrauen der Marke Zeitung – das hat mit Papier nichts zu tun, sondern mit dem Absender der Botschaft.

(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution + 57 Wie können Zeitungen überleben)

„Wir erwarten das Goldene Zeitalter des Journalismus“ (Neujahrsansprachen 1: Mathias Döpfner, Springer-Chef)

Geschrieben am 12. Januar 2013 von Paul-Josef Raue.
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Mathias Döpfner, Vorstandschef der Springer AG, sagte bei seiner Neujahrsansprache in Berlin: „Wir sind bei Springer eingefleischte  Zweckpessimisten.“ Nachdem er lange über die Unglückszahl 13 räsoniert  hatte und die eine und andere Geschichte erzählt,  zitierte er den Zukunftsforscher Ross Dawson aus Australien: „2017 erscheint die letzte gedruckte Zeitung.“

Döpfner, Deutschlands größter Medienmanager, fuhr fort:

Zweckpessimisten  sind sicher: „Die gedruckte Zeitung geht unter.“

Aber Zweckpessimisten werden sehen: Die Zeitung überlebt viel länger, als wir denken. Zwar ist mit Zeitungen auf Papier kaum noch Wachstum zu erzielen, aber Geld verdienen wird man mit ihnen noch viele Jahre. Die goldenen Zeiten des Print-Geschäftes mögen vorbei sein. Aber die silbernen können auch noch sehr schön sein.

Zweckpessimisten sind sicher: „Die Leute zahlen nicht für Journalismus im Netz.“

Aber Zweckpessimisten werden sehen: Die Menschen zahlen, wenn das Bezahlen einfach genug ist und die Geschichten interessant und verlässlich sind. Je mehr Informationen für jedermann jederzeit überall verfügbar sind, desto größer wird die Sehnsucht nach Auswahl, Orientierung und einem Absender, der für die Richtigkeit einer Information auch Verantwortung übernimmt.

Und genau das macht guten Journalismus aus, genau das ist das Prinzip Zeitung, genau deshalb glaube ich an die Zukunft der digitalen Zeitung, die ihren Lesern etwas wert ist.

Zweckpessimisten sind sicher: Der Journalismus im Internet wird immer oberflächlicher und schlechter.

Aber Zweckpessimisten werden sehen: Er wird immer besser. Im Netz nämlich zählt nur noch die Qualität einer Geschichte, nicht mehr die Qualität des Papiers, die Qualität der Druckerei oder die Quantität der Kioske, an denen eine Zeitung verkauft wird.

Allein der Inhalt macht den Unterschied. Und der profitiert von maximaler Geschwindigkeit und dem kürzest möglichen Weg zum Leser, von unbegrenztem Platz auch noch für die längste aller denkbaren Hintergrundgeschichten, von der Möglichkeit, alle Mediengattungen, Ton, Bewegtbild sowie geschriebene Geschichten zu kombinieren, und schließlich von der Interaktivität, also der Möglichkeit, auch die Intelligenz und das Wissen der Leser in das journalistische Angebot einzubeziehen.

Das sind gute Nachrichten für gute Autoren und gute Reporter. Im Jahr 2013 beginnt die wirkliche Emanzipation der Zeitung vom Trägermedium Papier. Das Digitalzeitalter hat alle Chancen, zum Goldenen Zeitalter des Journalismus zu werden.

Quelle: Die Welt 12. Januar 2013

(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution + 3 Warum die Gesellschaft bessere Journalisten braucht + 57 Wie können Zeitungen überleben + Welche Zukunft hat der Journalismus)

Sollen Journalisten in Facebook Politiker loben?

Geschrieben am 6. Januar 2013 von Paul-Josef Raue.
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Der Regierungssprecher bittet Journalisten, die Facebook-Seite der Ministerpräsidentin mit „Gefällt mir“ zu loben. Nach vier Tagen hat ein Journalist Gefallen gefunden.

(zu: Handbuch-Kapitel 2-4 Die Journalisten)

Joachim Braun kommentiert auf Facebook:

„Als Informationsquelle mag die MP-Seite wertvoll sein, ein „Like“ ist trotz der Begrifflichkeit keine Sympathiebekundung, also warum nicht. Einen politischen Standort manifestiert ein Journalist damit nicht, zumal er ja auch die Opposition liken kann. Bleibt die Frage: Was steht auf der Facebook-Seite? Lohnt sich das?“

Manfred Günther kommentiert auf Facebook:

Manfred hat geschrieben: „Eine interessante und hochspannende Frage angesichts der rasanten Entwicklung und den sich bietenden Möglichkeiten im Web 2.0 samt Social Media. Ich meine: Journalisten sollten nicht vergessen, dass sie auch die Rolle des Ombudsmannes inne haben!“

Twittern mit und ohne Langostinos

Geschrieben am 1. Januar 2013 von Paul-Josef Raue.
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Christian Lindner, Deutschlands eifrigster Twitterer unter den Chefredakteuren, möchte das neue Jahr mit einem kleinen Shitstorm beginnen. Er twitterte kurz vor Mitternacht seinen Lieblings-Vorsatz:

2013? Weniger twittern. Mehr leben.

Da waren um Mitternacht einige schon ganz wach und reagierten prompt, wohl ohne Sektglas in der Hand:

twittern ist leben! // Twitter ist Leben. 🙂 // Lebe und twittere! nur Mut! Ich habe erst begonnen // Lebendiger twittern!

Da lobe ich mir Anton Sahlender, Vize-Chefredakteur und Leseranwalt der Mainpost, der zweiteifrigste Twitterer. Er schreibt aus Katalonien in die Welt kurz vor Mitternacht:

Langostinos, gebraten in Knoblauch und Petersilie. Gleich gehts los

Dazu gibt’s ein Foto. Ja, das ist Leben!

Journalismus als „Rohentwurf der Geschichtsschreibung“

Geschrieben am 31. Dezember 2012 von Paul-Josef Raue.
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Heute, Silvester 2012, erscheint die letzte gedruckte Ausgabe des Nachrichtenmagazins Newsweek, Jahrzehnte Konkurrent von Time; künftig kommt das Magazin nur als Internet-Ausgabe heraus.

Siegfried Buschschlüter, ehemals US-Korrespondent, würdigte im Mediengespräch des Deutschlandradio Kultur das Magazin und hob die Doppelausgabe nach dem 11. September 2001 hervor:

Eine detaillierte, gut recherchierte und hervorragend geschriebene Chronik. Dies sei auch Aufgabe des Journalismus, einen „Rohentwurf der Geschichtsschreibung“ zu liefern.

(zu: Handbuch-Kapitel 17-18 Recherche + 5 Die Internet-Revolution)

Joachim Braun: Ein junger Wilder wird Chefredakteur des Jahres

Geschrieben am 27. Dezember 2012 von Paul-Josef Raue.

Joachim Braun ist ein ungewöhnlicher Chefredakteur: Kein Manager, dem Zahlen wichtiger sind als Recherchen; kein Presseclub-Dauergast, der die Welt erklärt; kein Liebling der Mächtigen in der Provinz, auch wenn sie ihn umarmen wollen. Joachim Braun ist Chefredakteur des Nordbayrischen Kurier in Bayreuth, ist Regional-Chefredakteur des Jahres – und feiert heute Geburtstag (27. Dezember).

Braun plädiert für eine strikt journalistische Haltung

Das alte Sowohl-als-auch, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, zählt nicht mehr. Journalisten müssen sich bekennen, müssen Orientierung geben, Hintergründe aufarbeiten, darstellen und vor allem: Sie müssen Klartext schreiben. Nur so bekommen sie Relevanz und erreichen ihre Leser auch emotional.

So steht es in seinem Blog „An(ge)kommen in Bayreuth“, eine ebenfalls ungewöhnliche Chronik eines Chefredakteurs, der vom ersten Tag an notierte und öffentlich machte, was ihm in der Redaktion und in der Stadt auffällt und missfällt.

So machte er sich nicht überall beliebt – auch nicht bei allen in seiner Redaktion, vor allem nicht bei jenen, die – so steht es in seinem Blog – „immer noch glauben, sie hätten in den vergangenen 25 Jahren alles richtig gemacht,

  • weil ihnen die Abonnenten nicht davon gelaufen sind,
  • die soziale Netzwerke standhaft ablehnen, weil sie glauben, sie verrieten dort ihre Ideale,
  • die eine Schulverbandsversammlung 60 Zeilen lang ins Blatt hieven, obwohl sie der Text nicht interessiert,
  • denn: Das haben wir schon immer so gemacht.

Dazu passt eines der Lieblings-Zitate von Braun, das er in einem Interview mit Jürgen Klopp, dem Meistertrainer von Borussia Dortmund, gelesen hat:

Sollten wir einen finden, den ich nicht mehr motivieren kann – der wäre hier auch nicht mehr so glücklich.

Der regionale Chefredakteur des Jahres, den eine Jury des Medium Magazin  wählt, kommt am Ende einer langen Liste von Journalisten, die unsere eitle Zunft als die wahren Journalisten preist: Dreimal FAZ, einmal Spiegel, Welt und dpa, je einmal WDR und ZDF.  Mit der Provinz will man sich nur am Rand ein wenig schmücken, wenn man sich feiert „unterstützt von der Metro group und otto group“.

Die Jury- Begründung für Joachim Braun ist jedoch vorzeigbar:

Er steht für einen unerschrockenen Journalismus, wie man sich ihn nur wünschen kann in einer Region: Gradlinig und kantig scheut er keine Konfrontation mit der Obrigkeit (was u.a. 2012 dazu führte, dass der Bayreuther Oberbürgermeister nicht wiedergewählt wurde). Ebenso wenig scheut er sich davor, alte redaktionelle Zöpfe abzuschneiden (z.B.Vereins- und Honoratioren-Berichterstattung). Er selbst geht mit gutem Beispiel voran und gibt mit seinem kritischen Blog „An(ge)kommen in Bayreuth“ täglich die journalistische Haltung vor, die er auch von seiner Redaktion erwartet.

Da ist allerdings noch ein Rest von Verachtung der Provinz zu lesen: Vereinsberichterstattung als alter Zopf, der abzuschneiden ist – als ob der Bürger, der sich engagiert und selbst organisiert, unserer Gesellschaft schadet. Da wird Lokalberichterstattung gerühmt, nur wenn sie Skandale entdeckt und Bürgermeister absägt – als Provinz-Spiegel sozusagen.

Diese Kopf-ab-Mentalität ist nicht Brauns Sache. Er mag seine Leser, er mag den  Stolz der Menschen auf ihre Heimat, er mag die Provinz, aber nicht das Provinzielle. In seinem Blog ist zu lesen:

Um’s klar zu stellen: Der Nordbayerische Kurier ist weder CSU noch SPD, weder rechts noch links, weder für noch gegen Festspielhaus. Er ist ausschließlich der Wahrhaftigkeit verpflichtet und damit seinen Lesern.

Bei allem Übermut, der Joachim Braun bisweilen überfällt, ist das die rechte Haltung. Glückwunsch,  lieber Joachim Braun!

(zu: Handbuch-Kapitel 2-4 Die Journalisten + 55 Der neue Lokaljournalismus)

 

„Fragliches journalistisches Konstrukt namens Tageszeitung“

Geschrieben am 15. November 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 15. November 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Online-Journalismus.

Das inzwischen fragliche journalistische Konstrukt namens Tageszeitung wird äußerst selten als Grund genannt. Entsprechend unreflektiert wird in Deutschland auch versucht, Tageszeitungen eins zu eins als Apps zu verkaufen; als ob Zeitungsleser sich nur vom Trägermedium Papier ablösen würden und nicht zuallererst vom journalistischen Konstrukt einer Tageszeitung…

Auch viele Tageszeitungen könnten eine Zukunft haben. Aber nur, wenn sie das Netz nicht als ihren Feind empfinden.

Wolfgang Blau zur Insolvenz der FR (auf Facebook)

(zu: Handbuch-Kapitel 57 Wie können Zeitungen überleben)

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