Wenn Politiker ausrasten: Wahlkampf und die Nerven von Redakteuren wie Kämpfern
Der Wahlkampf in Thüringen war ein heftiger. Es deutet sich ein Wechsel an, und ein Novum in der deutschen Geschichte: Der erste deutsche Ministerpräsident von den Linken, der Nachfolge-Partei der SED – im 25. Jahr nach dem Fall der Mauer.
Selten thematisieren Redakteure, was sich alles zwischen Politikern und Redaktionen abspielt. Mirko Krüger, Desk-Chef der Thüringer Allgemeine, hat in einem Leitartikel auf der Titelseite die „Misstöne im Thüringer Wahlkampf“ erklärt:
Je näher die Entscheidung rückt, umso mehr liegen die Nerven vieler Kandidaten blank. Das bekommen auch Journalisten zu spüren. Seit Tagen häufen sich Anrufe von Politikern in der Redaktion; wohlgemerkt: von Politikern aus nahezu jedem politischen Lager.
Der eine fühlt sich beleidigt, wenn wir über ihn berichten. Ein anderer flippt regelrecht aus, dass über ihn angeblich zu wenig berichtet würde. Ein dritter droht mit Abbestellung seines Zeitungsabos. Ihm passt nicht, dass sein parteiinterner Konkurrent in einem Artikel erwähnt worden ist.
In solchen Momenten macht unter Journalisten gern mal eine ketzerische Bemerkung die Runde. Zeitung machen könnte so schön sein, wenn es keine Politiker gäbe. . .
Wirklich? Natürlich ist das Gegenteil der Fall. Die letzten Tage vor einer Wahl offenbaren nicht selten auf besondere Weise den wahren Charakter mancher Kandidaten.
In den USA lauern deshalb vor allem politische Gegner auf verbale Entgleisungen und Wutausbrüche ihrer Gegner. Wenn etwa ein Funktionär, der ach so gern ein Staatsmann wäre, ab und an ausrastet, lässt sich das herrlich ausschlachten.
Solche Videos zeigt man gern im eigenen Wahlkampf – und fragt dabei die Bürger: Möchten Sie wirklich die Zukunft unseres Landes in die Hände dieses Politikers legen?
Gut möglich, dass noch heute mein Telefon klingelt. Gut möglich, dass schon wieder ein Kandidat meint, ich könne ja nur ihn allein gemeint haben. Das wäre sogar gut: Jede Besserung beginnt mit Einsicht.
Was sich detailliert in der Redaktion an Druck und Drohung durch Politiker abspielt, können andere besser beschreiben. Claus Peter Müller hat in der FAZ den Linken-Kandidaten Bodo Ramelow beobachtet:
Ob alles stimmt, was über Ramelow geschrieben wird, sei dahingestellt. Aber er hält das Stöckchen, über das die anderen springen. Er macht sich interessant, um dann aber auch die Grenzen der Berichterstattung mit aller juristischen Entschlossenheit aufzuzeigen. In der „Tageszeitung“ steht, seine Mutter habe ihn wegen seiner schulischen Leistungen mit der Peitsche geschlagen. Von „Gewaltorgien“ soll er gesprochen haben.
Kaum eine Reflexion über Ramelow versäumt, seine Legasthenie zu thematisieren. Als aber jüngst ein Autor der Zeitung „Thüringer Allgemeine“ zu dem Schluss kam, Ramelow sei ein Narzisst, wurde er ungehalten und forderte von der Chefredaktion die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung.
Die Korrespondenz versandte er im ganzen Land. Nun haben es alle schriftlich: „Lesen konnte und kann ich und zwar sehr gut“, steht dort als einer von vielen Punkten. Auch dass Ramelow nie Lehrling in Marburg gewesen sei, sondern dort Lehrlinge ausgebildet habe. Ferner habe er nicht an der Beerdigung von Professor Wolfgang Abendroth teilgenommen, und der „Abbruch des Interviews“ mit dem „Spiegel“ sei aufgrund von Beleidigungen durch den fragenden Journalisten „notwendig“ gewesen.
Das ist eben auch ein Wesenszug des Kandidaten Ramelow. Er gilt als dünnhäutig und empfindsam.
Die Thüringer Allgemeine hat keine Unterlassungserklärung abgegeben. Im Klartext-Verlag hat sie ein E-Book herausgegeben: Frank Schauka – Bodo Ramelow. Eine biographische Skizze
Im Frühjahr gab ebenfalls der Klartext-Verlag die Biografie der Ministerpräsidentin heraus, geschrieben vom TA-Redakteur Martin Debes: Christine Lieberknecht – Von der Mitläuferin zur Ministerpräsidentin (Besprechung in der WAZ und im MDR).
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Quellen:
FAZ-Online vom 11. September „Ramelow im Präsidenten-Modus“
TA vom 6. September
Kann man sich hinter der „Floskel der Objektivität“ verschanzen?
Thomas Scheen schreibt in der FAZ ein Porträt der südafrikanischen Richterin Masipa, die das Urteil im Prozess gegen Oscar Pistorius spricht. Sie war Journalistin bei der Post in Johannesburg, kämpfte gegen die Apartheid und galt „als zäher Brocken“:
Das war in den siebziger Jahren, als das Apartheidsregime mit roher Gewalt gegen seine Gegner vorging und ein Reporter sich nicht hinter der Floskel der Objektivität verschanzen konnte, sondern Farbe bekennen musste.
Gelten die journalistischen Regeln der Objektivität nur in friedlichen und demokratischen Zeiten? Darf ein Journalist ansonsten Nachricht und Meinung vermischen? Und wenn ja: Warum? Darf auch ein Richter die Objektivität als Floskel sehen?
Quelle: FAZ 12. September 2014
Ein journalistisches Prinzip: „Wir müssen auf die Präzision der Sprache achten“
„Eine Lichtung, von Wald umgeben“ schrieb Annette Milz, Chefredakteurin des Medium Magazin , in einem ihrer ersten Artikel. Ihr Chef fragte sie: „Wo hast Du schon einmal eine Lichtung gesehen, die nicht von Wald umgeben ist?“. Sie antwortete reflexartig: „Natürlich gibt’s das!“
Der Chef blieb ungerührt: „Wenn Du mir diese Lichtung nennst, die nicht von Wald umgeben ist, darfst Du das schreiben. Wenn nicht, streichst Du ,Von Wald umgeben'“. Das erzählte Milz in einem Interview mit Wolfram Kiwit, dem Chefredakteur der Ruhr-Nachrichten.
Das Erlebnis prägte Milz in zweierlei Hinsicht:
1. Wir müssen als Journalisten auf Präzision der Sprache achten.
2. Wir müssen auf eine präzise Information achten.
Ein Glück, wer solch einen Chef hatte. Hochachtung vor dem, der solch eine Lektion wirklich lernte – und nach ihr lebte.
Die SZ lobt „das Kriegsfahrzeug des kleinen Mannes“, gemeint sind IS-Terroristen und der Toyota Hilux
Das Foto sticht ins Auge: Wenige Tage nach der Ermordung des Journalisten James Foley zeigt die Süddeutsche Zeitung am Samstag das AP-Bild eines IS-Terroristen mit schwarzer Fahne und Kalaschnikow, der an einer Sanddüne auf einen Toyota Hilux schaut. Die Bildzeile, offenbar ernst gemeint:
IS-Kämpfer und Taliban, somalische Piraten und libysche Milizionäre – alle fahren Toyota Hilux. Warum Aufständische in aller Welt besonders gerne den japanischen Geländewagen nutzen.
Die Autorin Luisa Seeling kommt ins Schwärmen, man spürt ihre Emphase, am liebsten ins nächste Flugzeug gen Irak oder Syrien zu fliegen – und zu staunen über das „Symbol der asymetrischen Kriegsführung“:
Ob Tundra oder Wüstensand – mit dem Toyota Hilux lässt sich widriges Gelände sogar mit schweren Lasten bezwingen, behauptet zumindest der Hersteller. Diese Qualitäten wissen auch die Kämpfer des Islamischen Staats (IS) in Syrien und Irak zu schätzen: Auf Fotos und Videos, die ihren Vormarsch dokumentieren, ist der Hilux oft zu sehen. Und nicht nur dort.
Afghanische Taliban, somalische Piraten, libysche Milizionäre – sie alle schätzen das Fahrzeug, das der US-Sicherheitsexperte Andrew Exum im US-Magazin Newsweek das „fahrende Pendant zum AK-47“ nannte. Die Zeitschrift hatte einmal die Länder aufgelistet, in denen schon Toyota-Pick-ups in bewaffneten Konflikten eingesetzt wurden: Libyen, Sudan, Pakistan, Ruanda, Liberia, Irak und Somalia waren etwa dabei. Pick-ups sind das Kriegsfahrzeug des kleinen Mannes und vor allem der Hilux ist zu einem Symbol der asymmetrischen Kriegsführung geworden.
Es ist keine Satire, es ist ernsthafter Journalismus in Deutschlands führender Zeitung. Also – nichts wie hin zum nächsten Toyota-Händler!
In derselben Ausgabe der SZ ist ein exzellenter Essay von Tomas Avenarius zu lesen – über den Kriegsreporter. Ob der auch den Toyota Hilux fährt?
Mehr über den Kriegsreporter bald in diesem Blog.
Quelle: SZ 23. August 2014
Dürfen Chefredakteure beim Interview mit der Kanzlerin „entgleisen“?
„Fürchterliche und beleidigende Entgleisungen“ entdeckt ein 84 Jahre alter und nach eigener Auskunft parteiloser Leser der Thüringer Allgemeine in den Fragen der Chefredakteure beim Interview mit der Kanzlerin. Das Interview hatten die Chefredakteure der drei Thüringer Tageszeitungen (TA, OTZ, TLZ) gemeinsam geführt und wortgleich veröffentlicht.
Vor allem eine Frage empfindet der Leser als „unerhört und falsch“ und erinnert ihn an Politiker in der alten BRD des kalten Kriegs:
Sehr wahrscheinlich werden stasibelastete Politiker für die Linke in den Thüringer Landtag einziehen. Nach Ansicht der Thüringer CDU ist die Linke ein Sammelbecken für Stalinisten, linke Gewalttäter und Stasi-Zuträger. Teilen Sie diese Meinung?
Unser Leser zweifelt sehr, „dass die Thüringer CDU so falsch geprägt ist, wie das in der Fragestellung behauptet wird“.
Chefredakteur antwortet:
Sehr geehrter Herr S.,
die Frage an die Kanzlerin nimmt das Zitat eines führenden CDU-Politikers in Thüringen auf. Der Fraktionsvorsitzende Mike Mohring sagte in einem Interview mit Bernd Hilder, dem Chef der TLZ:
Bodo Ramelow verstellt sich. Hinter der vermeintlich bürgerlichen Fassade des Fraktionsvorsitzenden der Thüringer Linken verbirgt sich eine Gruppe aus Stalinisten, aus Extremisten, aus Leuten, die beim Schwarzen Block aktiv sind, aus linken Gewalttätern und ehemaligen Stasi-Spitzeln.
< Hier werden wir Journalisten für eine "Entgleisung", so sie eine ist, in Haftung genommen, die wir lediglich zitieren - um zu erfahren, ob die Kanzlerin so denkt wie ihr Parteifreund in Thüringen. Wir sind nur die Boten, mehr nicht. Es ist auch nicht Aufgabe von Journalisten, Werbung für Politiker zu machen und die Floskeln ihrer Pressesprecher und Wahlkampf-Manager zu drucken. Es ist unsere Aufgabe, mit unbequemen, gar frechen Fragen dem Politiker die Wahrheit seines Denkens zu entlocken. Das schulden wir unseren Lesern und den Bürgern. Ist uns das mit dem Merkel-Interview gelungen? Im Gegensatz zu Ihnen fanden andere Leser das Interview als zu zahm. Ich gebe zu: Unerhört, falsch und entgleisend waren die Fragen wohl nicht; im Gegenteil: Wir hätten schon ein bisschen bissiger sein können. Thüringer Allgemeine, Samstag-Kolumne „Leser fragen“ 23. August 2014
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Der Leserbrief in Auszügen, am 20. August 2014 auf der TA-Leserseite veröffentlicht:
Eine Stimme für die Linke
Frau Merkel wird gefragt: „Sehr wahrscheinlich werden stasibelastete Politiker für die Linke in den Thüringer Landtag einziehen. Nach Ansicht der Thüringer CDU ist die Linke ein Sammelbecken für Stalinisten, linke Gewalttäter und Stasi-Zuträger. Teilen Sie diese Meinung?“.
Hierzu antwortet ein 84-jähriger Bürger aus Erfurt, der in der DDR gelebt, ordentlich gearbeitet und seit 61 Jahren eine Familie mit einer Frau hat, seit 1989 parteilos ist und seit der Wende als Senior sehr aktiv ehrenamtlich tätig ist.
Die bereits erwähnte unerhörte, falsche Fragestellung von Chefredakteuren der drei Zeitungen in Thüringen zeigt eine Grundeinstellung dieser Chefs, die an den Kalten Krieg von vor 1989 erinnert, wie er von den Politikern und anderen klugen Leuten von der alten BRD öffentlich geführt wurde.
Ich zweifle sehr, dass die „Thüringer CDU“ so falsch geprägt ist, wie das in der Fragestellung der Redakteure gesagt und behauptet wird.
Die Linke ist heute eine Partei, die besonders in den östlichen Bundesländern von zum Teil mehr Menschen vertrauensvoll angesehen und gewählt wird, da sie mit sauberen und demokratischen Mitteln für die Interessen der Menschen hier eintritt und dabei die soziale Gerechtigkeit und andere Grundinteressen der Menschen hoch angebunden vertritt.
Antisemitismus und Rechtsextremes im Leserbrief: Wie der Chefredakteur in der Zeitung antwortet
Wie können Sie behaupten, dass bei bis zu 100.000 Thüringern mit nationaler Gesinnung die NPD keine Chance hat?
So fragt ein Leser, nachdem er die Chefredakteurs-Kolumne „Leser fragen“ gelesen hatte, in der ein Offener Brief der NPD zu Wahlkampf in Thüringen und Pressefreiheit eine Antwort fand. Der Leser fährt fort:
Sie zeigen uns, dass Sie voll auf politisch gewollter Linie liegen und es eine Pressefreiheit in Deutschland zur Zeit nicht gibt!
Ich kann den Zweck Ihrer offensichtlichen Manipulationen schon verstehen. Die Thüringer gehören mehrheitlich der christlichen Religion an bzw. sind Atheisten! In Ihrer Zeitung ist seit Ihrem Amtsantritt eine andere Religionsgemeinschaft überproportional vertreten.
Glauben Sie nicht, dass die Leser das nicht bemerkt haben? Hinter vorgehaltener Hand wird schon nicht mehr von der Thüringer Allgemeinen sondern von der „Jüdischen Allgemeinen“ gesprochen!
Chefredakteur Paul-Josef Raue antwortet:
Sehr geehrter Herr S.,
Sie haben recht: Sie zählen zu den rund 250.000 Thüringern – also deutlich mehr als Ihre vermuteten 100.000 – mit rechtsextremer Einstellung. Das fand der „Thüringer Monitor“ heraus, über den wir kurz vor Weihnachten berichtet hatten.
Offenbar wählen die Rechtsextremen aber nur zum geringen Teil die NPD, wie die Umfragen und die Wahlen der vergangenen Jahre zeigen. Thüringen ist das ostdeutsche Bundesland, in dem noch nie ein Rechtsradikaler in den Landtag gewählt worden ist.
Eine Redaktion, die Freiheit und Demokratie schätzt, wird sich bemühen, dass dies so bleibt. Lenin wird der Satz zugeschrieben: „Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen.“ Die Rechtsextremen mögen ähnlich denken, wenn sie von den Demokraten und der Pressefreiheit sprechen – und sie werden sich ebenso irren, wie es Lenin tat.
Wir schätzen keine Diktaturen, wir verachten den Faschismus. Damit wir nie wieder erleben, wie Deutsche ein Volk ermorden, darum erinnern wir immer wieder an den braunen Terror – aber debattieren auch über die Irrtümer in der Geschichte der Christen, wenn wir beispielsweise Luthers Judenhass zum Thema machen.
Wir wollen erreichen, dass der Antisemitismus in Thüringen keine Zukunft hat. Und Sie haben wieder Recht: Die Zahl der Rechtsextremen hat sich in den vergangenen Jahren halbiert – und das können sie bitte verbreiten ohne vorgehaltene Hand.
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Thüringer Allgemeine, 16. August 2014
Antwortet eine Redaktion auf den offenen Brief der NPD zur Pressefreiheit? Und wenn ja: Wie?
NPD-Landesvorsitzender Patrick Wieschke schreibt als „Leser und Demokrat“ einen offenen Brief an den Chefredakteur der Thüringer Allgemeine über die Pressefreiheit. Unter anderem ist zu lesen:
Mit Sorge beobachte ich, daß die Pressefreiheit zunehmend mißbräuchlich verwendet wird. Durch das Grundgesetz ist nicht nur die Freiheit der Presse garantiert, sondern eben auch das Grundrecht auf Information (Art. 5) für alle Staatsbürger und das Recht auf freie Wahlen (Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 sowie Artikel 38 Abs. 1).
Dieses wird meines Erachtens dadurch unterlaufen, indem Journalisten nach rein subjektiven Einschätzungen und vielleicht auch privaten politischen Meinungen ihre Berichterstattung vornehmen.
Im laufenden Landtagswahlkampf gipfelt die Beeinträchtigung oben genannter Grundrechte darin, daß die von Ihnen verantwortete Thüringer Allgemeine eine eigene Einschätzung dergestalt vornimmt, welche Parteien „wichtig“ sind und folglich welche nicht.
Chefredakteur Paul-Josef Raue antwortet in seiner Samstags-Kolumne „Leser fragen“:
Sehr geehrter Herr Wieschke,
unsere Zeitung stellt alle Parteien vor. Ausführlich werden Parteien mit ihren Programmen verglichen nach folgenden Kriterien:
> Mitglieder des aktuellen Landtags (CDU, Linke, SPD, FDP und Grüne)
> und die AfD als Partei, die nach den Umfragen gute Chancen hat, in den Landtag einzuziehen. Die anderen sechs Parteien, darunter die NPD, haben offensichtlich kaum Chancen.Gleichwohl können sich unsere Leser auch ausführlich in allen Partei-Programmen informieren. Der Wahl-O-Mat wird bald auf unserer Internet-Seite wieder Tausenden von Lesern die Chance geben, ihre eigenen politischen Anschauungen mit denen der Parteien in Thüringen – also auch der NPD – zu vergleichen.
Mit Verwunderung habe ich Ihre Belehrung zu Pressefreiheit gelesen. Pressefreiheit in einer Demokratie erlaubt, ja fordert und fördert sogar subjektive Einschätzungen.
Wenn Sie subjektive und private politische Meinungen als „Beeinträchtigung“ ansehen, wollen Sie faktisch die Pressefreiheit abschaffen. So verfahren Sie auch: Die NPD verhindert immer wieder Berichterstattung von ihren Parteitagen.
Sie bemühen als Feind unserer Verfassung die Pressefreiheit, um sie abzuschaffen – so wie sie es mit den meisten unserer Grundrechten tun wollen. Jeder Redakteur der TA dagegen schätzt und schützt unsere Verfassung. Wir werden nicht untätig zusehen, dass Sie dies verhindern wollen.
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Thüringer Allgemeine 9. August 2014
Schleichwerbung im FAZ- und SZ-Feuilleton
Am Wochenende spielen im HSV-Stadion vier Bundesligisten ein Vorbereitungs-Turnier. Auf der Seite „Fernsehen am Samstag“ im Feuilleton der FAZ ist zu lesen:
SAT.1 18.00 Fußball. Telekom Cup. Hamburger SV – VfL Wolfsburg. Live aus der Imtech Arena in Hamburg.
Die Süddeutsche Zeitung schreibt auf ihrer Seite „Programm vom Samstag“:
20.15 Fußball Telekom Cup. FC Bayern München – Borussia Mönchengladbach. Live aus der Imtech Arena in Hamburg. SAT.1 präsentiert den „TELEKOM CUP 2014″ in der Imtech Arena in Hamburg…
.
Ähnlich ist von Telekom und Imtech im Sonntags-Programm zu lesen.
Es geht auch anders: Auf der Sportseite der FAZ steht unter „Sport live im Fernsehen“ (ähnlich im SZ-Sport):
SAT.1 18 Uhr und 20.15 Uhr: Fußball, Turnier in Hamburg…“
(Fettsatz-Heraushebungen von mir)
Diekmann hat bei Wulff-Frühstück nicht angebliche Rotlicht-Vergangenheit der Gattin angesprochen, so Diekmann
Veränderte Überschrift
@KaiDiekmann korrigierte in einem Tweet:
@pjraue BEI JENEM FRÜHSTÜCK spielte das Thema in der Tat keinerlei Rolle! Heisst nicht, dass es nicht eine andere Gelegenheit gab!
Die ursprüngliche Überschrift lautete: „Diekmann hat mit Wulf nicht über angebliche Rotlicht-Vergangenheit der Gattin gesprochen, sagt Diekmann“
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Was geschah beim Frühstück im Schloss Bellevue, als Bundespräsident Wulff Bild-Chefredakteur Diekmann zu Kaffee und Toast eingeladen hatte – damals wohl noch ein Herz, aber ohne Seele? Die Berliner Morgenpost lauschte und schrieb nach dem Wulff-TV-Auftritt bei Maybrit Illner:
Wer seine Urlaube mit Top-Wirtschaftsleuten verbringt, wer Amt und Freundschaften bis zur Unkenntlichkeit vermischt, der ist eine dubiose öffentliche Figur. Und wenn Kai Diekmann bei einem privaten Frühstück im Schloss Bellevue die neue Ehefrau Bettina Wulff auf ihre angebliche Rotlichtvergangenheit anspricht, dann wäre spätestens das der Moment gewesen, den Mann sofort vor die Tür zu setzen. Warum hat Wulff damals kein Rückgrat gezeigt?
Diekmann antwortet kurz vor Mitternacht per Twitter:
@KaiDiekmann: Ganz einfach, liebe @morgenpost: Ich habe das Thema bei jenem Frühstück gar nicht angesprochen.
Worüber haben die Drei denn gesprochen? Die FAZ hatte Wulffs Mailbox-Nachricht auf Diekmanns Handy veröffentlicht – ist jetzt die Süddeutsche an der Reihe, Diekmanns Gedächtnisprotokoll des Frühstücks im Bellevue zu drucken?
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Quellen: Morgenpost 25.7.2014 / Tweet Diekmann
Interview-Eklat (3) – Gestrichen: „Hören Sie auf, wenn Sie Weltmeister werden?“ Löw antwortete „Gut möglich“
Wieder ein Redakteur, diesmal ein Chefredakteur, der von einer peinlichen Interview-Autorisierung erzählt – allerdings ein Vierteljahr zu spät. Der Schweiz am Sonntag hatte Bundestrainer Löw seinen Rücktritt angedeutet, aber DFB-Pressesprecher Jens Grittner drohte und flehte am Telefon: „Wenn Sie diesen Satz im Interview drin lassen, dann brauchen wir gar nicht erst nach Brasilien fahren!» Es ist Samstagabend, 29. März, drei Stunden vor Andruck.
Der DFB-Pressesprecher sagte dann noch: „Also machen Sie jetzt bitte keine Dummheiten! Die deutschen Medien stehen Kopf, wenn Sie das drucken.“ Die Schweizer druckten diese beiden Löw-Sätze, die letzten im Interview, nicht:
Frage: „Falls Sie Weltmeister werden, hören Sie dann auf?“
Löw: „Das weiss ich nicht. Gut möglich. Nach zehn Jahren kann ich mir auch vorstellen, dass ich mal gerne wieder einen Verein trainieren möchte.“
Chefredaktor Patrik Müller berät mit seinem Reporter Markus Brütsch, der das Interview geführt hat, und kommt zum Ergebnis:
Drucken, was effektiv gesagt wurde – es aber damit wohl für alle Zeiten mit Löw und dem DFB verderben? Ist es das wert? Gemeinsam entscheiden wir, die Spielregeln, wie sie sich in unserer Branche eingebürgert haben, zu respektieren. Schliesslich haben wir das Interview nur unter der Voraussetzung bekommen, dass es gegengelesen werden darf.
Und wie endet das gedruckte Interview:
Falls Sie Weltmeister werden, hören Sie dann auf? —
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.
Und warum erzählt der Chefredakteur heute diese Geschichte einer unterdrückten Sensation?
Jetzt darf das verbotene Zitat raus. Eine gewisse Pikanterie hat es nach wie vor, schliesslich ziert sich Jogi Löw zurzeit immer noch, klar zu sagen, dass er seinen Vertrag, der bis zum Jahr 2016 läuft, erfüllt und Bundestrainer bleibt. Auch wenn alle davon ausgehen, dass er es macht.
Falls es so kommt, lieber DFB: Wir hätten dann gern mal noch ein Interview mit dem Weltmeistertrainer. Wir waren doch so nett.
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