„Wir fahren nicht auf der Titanic“ (dapd-Interview 1)
Die Nachrichtenagentur dapd kündigt ein langes Interview an, das heute gesendet wird:
Erfurt (dapd-lth). Der Chefredakteur der „Thüringer Allgemeinen“, Paul-Josef Raue, bezeichnet Google und Facebook als „Schmarotzer“. Diese Internetmedien seien „gemeingefährlich“ und „mächtig“, sagte er im dapd-Interview in Erfurt. Die Verlagsbranche habe sich von der Entwicklung im Internet überrollen lassen. „Hätten sich die großen Verlage, vor allem in den USA, wo alles begann, dieselben Gedanken gemacht wie Steve Jobs und Mark Zuckerberg, wären diese gigantischen, die Freiheit bedrohenden Netze unter Kontrolle von Journalisten und weisen Verlegern“, sagte Raue.
Ein Auszug aus dem Interview, das dapd-Redakteur Ulrich Meyer führte:
Sind Google und Facebook nur Schmarotzer oder symbiotische Partner der „klassischen“ Medien?
Raue: Sie sind Schmarotzer, sie sind gefährlich, gemeingefährlich, aber sie sind da, und sie sind mächtig. Wir sollten sie nutzen, benutzen, aber nicht mehr. Hätten sich die großen Verlage, vor allem in den USA (wo alles begann), dieselben Gedanken gemacht wie Steve Jobs und Mark Zuckerberg, wären diese gigantischen, die Freiheit bedrohenden Netze unter Kontrolle von Journalisten und weisen Verlegern. Aber das sagt sich so leicht, und es ist der Fehler von gestern.
Mehr Sorgen bereitet, dass auch in Deutschland Startups entstehen, die schnell millionenschwer werden: Sie werden selten von Verlagen gegründet, sondern von jungen Tüftlern, die kein Geld für teure Marktanalysen und ausführliche Business-Pläne haben und keine Lust auf lange Konferenzen.
Warum entdecken wir diese Leute nicht? Stimmt unsere Ausbildung, unsere Talent-Suche nicht mehr? Haben wir das Gespür für Ausgewogenheit verloren, wenn wir Risiko, Neugier, Spontanität und Mut in die eine Waagschale legen und Wirtschaftlichkeit, Seriosität, Kontrolle und Kontinuität in die andere?
(zu: Handbuch-Kapitel 5 „Die Internet-Revolution“)
Wie bauen Redaktionen online Kontakt zu ihren Lesern auf?
Wie kann man messen, ob Redaktionen erfolgreich Beziehungen zu ihren Lesern aufbauen? Kriterien listet ein WAN-Ifra-Wettbewerb auf („XMA 2012: Social Media Stars“):
• Wie definiert eine Redaktion, welche Inhalte sie auf den verschiedenen Social-Media-Plattformen anbietet?
• Wie nutzt sie die verschiedenen Social-Media-Kanäle für ihre Inhalte?
• Wie unterstützt sie ihre Leser bei der Erstellung eigener Inhalte?
• Wie bindet sie die Kunden ein?
• Wie betreibt sie Markenpflege?
• Wie misst sie die Ergebnisse aus der Nutzung von Social Media?
Worüber sollten Redaktionen nachdenken? Hilfreich ist ein Blick auf die Kategorien, die im Wettbewerb ausgezeichnet werden:
• Beste Nutzung von Facebook durch eine Zeitung
• Beste Einbindung der Community und Interaktion mit den Lesern/Nutzern: Welche Zeitungen zeichnen sich durch eine herausragende Einbindung ihrer Leser in den redaktionellen Prozess und die Erstellung von Inhalten über Social Media aus?
• Monetarisierung (Werbung und Social Commerce): Welche Zeitungen profitieren finanziell am stärksten von ihren Social-Media-Plattformen?
• Sonderprojekte: Beste integrierte Kampagne unter Nutzung von Social Media als auch traditionellen Medien (z. B. Unterhaltung, Sport oder Wohltätigkeit).
(zu: Handbuch-Kapitel 5-10 „Die Internet-Revolution“)
Was dürfen Journalisten aus Facebook entnehmen?
In der zweiten Auflage des Buchs „Journalistenrecht“ haben Frank Fechner und Axel Wössner drei Fragen ausführlich beantwortet:
- „Entnahme von Informationen und Fotos aus sozialen Plattformen wie facebook“ (Seite 43)
- „Kinderbeschäftigung in den Medien“ (Seite 128)
- Die aktuelle BGH Entscheidung zur Unterscheidung zwischen der Wort- und Bildberichterstattung (in: „Prominente im Urlaub“, Seite 88).
Auf Anregung von Absolventen der Henri-Nannenschule sind die wichtigsten Rechtsvorschriften für Journalisten abgedruckt.
In der neuesten Auflage unseres Handbuch des Journalismus haben wir das Buch der beiden Professoren nicht nur ins Literaturverzeichnis (Seite 351), sondern auch im Kapitel „Presserecht“ ein Beispiel aufgenommen: Darf eine Zeitung das Foto eines bekannten Schauspielers zeigen, wie er – da im offenen Strafvollzug – kurz nach Haftantritt das Gefängnis verlässt und in ein Auto steigt?
(zu: Handbuch-Kapitel 50 „Presserecht“ + Service A „Literatur / Presserecht)
SZ-Magazin: Erst Vorbild im „Handbuch“, jetzt Lead Award
Beitrag des Jahres und einen Lead Award bekommt „Der Morgen davor – Japan wie es nicht mehr sein wird“, erschienen im SZ-Magazin.
Hervorgehoben als vorbildlich ist das Schaustück schon im neuen Online-Teil des „Handbuch des Journalismus“, im Kapitel 7 „Die Online-Redaktion“, Seite 36:
Redaktionen können aktuelle Geschichten so schnell und so umfangreich schreiben wie nie zuvor.
In kürzester Zeit sind Texte und Bilder verfügbar von Orten, an denen sich keine professionellen Journalisten aufhalten. Wie sah Japan aus am 11. März 2011 – in den acht Stunden vor Erdbeben und Tsunami? Wer um Fotos und Mitteilungen per Mail oder Facebook bat und das Netz durchkämmte, bekam private Bilder von Japanern und Touristen. Diese Recherche mündete online in eine Dia-Schau und taugte zu einem 38-seitigen Schaustück im Magazin der Süddeutschen Zeitung: Japan, wie es nicht mehr sein wird.“
Herzlichen Glückwunsch an das SZ-Magazin!
Die Lead-Academy, geleitet von Markus Peichl, vergibt den Preis seit 20 Jahren für vorbildliche Werbung, Fotos und mittlerweile auch für Online-Beiträge.
(zu: Kapitel 7 „Die Online-Redaktion“/ Korrektur im Namen- und Sachregister: Hinweis auf Seite 36 unter SZ-Magazin, tilgen unter Süddeutsche Zeitung)
Das Scharia-Internet
Google spioniert Euer Privatleben aus! Boykottiert Google!
Mit solchen Warnungen begründen die Mächtigen im Iran die staatliche Blockade von weiten Teilen des Internets wie Facebook oder Twitter und kündigen an, ein Scharia-Internet aufzubauen. (SZ, 4. April 2012)
(zu: Handbuch-Kapitel 5: „Die Internet-Revolution“ / Das Internet wirbelt die Mächtigen durcheinander, Seite 25)
Lynchjustiz in Emden und die journalistische Ethik
Die regelrecht von der Polizei inszenierte Verhaftung eines 17-jährigen, der die 11-jährige Lena in Emden mißhandelt und ermordet haben soll, wirft reichlich Fragen zur journalistischen Ethik auf:
1. Wie gehen Zeitungen mit Facebook um, wenn dort zu Lynchjustiz aufgefordert und zu einem Aufruhr vor der Polizeistation aufgerufen wird (dem 50 blutrünstige junge Leute folgen)?
2. Wie ernst nehmen wir es mit der Unschuldsvermutung?
3. Wie halten wir es mit der Namensnennung, so dass ein Verdächtigter leicht zu identifizieren ist und seine Wohnung zum Pilgerort für Menschen wird, die Folter und Todesstrafe fordern?
4. Ist das Internet auch eine große Verführung für uns, zwar schnell zu reagieren, aber auch unüberlegt und vorschnell (mit schlimmen Folgen)?
5. Wie vertrauenswürdig ist die Polizei? Dürfen wir in einem solch spektakulären Mordfall ungeprüft alles übernehmen und jede kritische Distanz fahren lassen?
(zu: Handbuch-Kapitel 49 „Wie Journalisten entscheiden sollten“)
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