Alle Artikel mit dem Schlagwort " FAZ"

„Fragliches journalistisches Konstrukt namens Tageszeitung“

Geschrieben am 15. November 2012 von Paul-Josef Raue.
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Das inzwischen fragliche journalistische Konstrukt namens Tageszeitung wird äußerst selten als Grund genannt. Entsprechend unreflektiert wird in Deutschland auch versucht, Tageszeitungen eins zu eins als Apps zu verkaufen; als ob Zeitungsleser sich nur vom Trägermedium Papier ablösen würden und nicht zuallererst vom journalistischen Konstrukt einer Tageszeitung…

Auch viele Tageszeitungen könnten eine Zukunft haben. Aber nur, wenn sie das Netz nicht als ihren Feind empfinden.

Wolfgang Blau zur Insolvenz der FR (auf Facebook)

(zu: Handbuch-Kapitel 57 Wie können Zeitungen überleben)

Nach der Zeitungs-Apokalypse herrscht das Geschwätz

Geschrieben am 15. November 2012 von Paul-Josef Raue.
1 Kommentar / Geschrieben am 15. November 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Online-Journalismus.

Wer für guten Journalismus nicht gutes Geld ausgeben will, liefert sich dem Kommerz und den Suchmaschinen aus, die gierig sind auf unsere Daten. Und wenn die letzte anständige Zeitung verschwunden ist, bleibt nur noch das Geschwätz.

Werner D’Inka in der FAZ in einem Nachruf auf „Die Rundschau“, die zu einer Zeitungs-Apokalypse gerät (14. November 2012)

(zu: Handbuch-Kapitel Welche Zukunft hat der Journalismus + 5 Die Internet-Revolution)

Kommentar von Wolfgang Blau auf Facebook:

Herr D’Inka wettert zuverlässig gegen das Netz („Gratismasche der digitalen Welt“)… Sein Text vertieft aber den Graben, über den er eigentlich springen müsste.

„Das Internet, eifersüchtige und unendlich anspruchsvolle Geliebte“ oder: Das Netz und die Konservativen

Geschrieben am 5. November 2012 von Paul-Josef Raue.
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Man sehe sich an einem beliebigen Bahnsteig um, an dem viele Menschen warten, oder im Zug selbst und vergleiche diese Situation mit der von vor fünfzehn Jahren: Die ununterbrochene digitale Kommunikation mit Abwesenden lässt die Menschen wie Autisten, ja, von einem rein phänomenologischen Standpunkt aus betrachtet, schon fast wie Geisteskranke aussehen.

Edo Reents sieht in den sozialen Netzwerken die „allgemeine Durchinfantilisierung“ der Gesellschaft:“Aus Leuten werden Kindern“ (FAZ 3. November 2012)

In derselben Ausgabe schreibt Jan Wiele in „Bilder und Zeiten“ über den ersten Social-Media-Pilger, der sich seine Schlafplätze über Twitter besorgt und unentwegt bloggt auf seinen zehntausend Kilometern durch Europa. Er schreibt der holländischen Königin, die beklagt hatte, das Internet fördere die soziale Kälte und verhindere Nächstenliebe:

Majestät, ich stimme mit ihnen darin überein, dass bestimmte soziale Werte heute im Verfall begriffen sind. Das sieht man auch im Internet, aber es wird nicht notwendigerweise durch dieses verstärkt… Der mittelalterliche Pilger trug nichts außer einer Schale und einem Löffel und fand Unterkunft mit gleichgesinnten Gläubigen. Ich habe ein iPhone und den Glauben daran, dass helfende Hände immer noch zu finden sind.“

Eine Ausgabe der FAZ, vier Mal die Auseinandersetzung mit dem Internet: Patrick Bahners berichtet über den amerikanischen Wahlkampf, in dem das Internet fröhlich herrscht. In Obamas Hauptquartier entdeckt Bahners den Chefwissenschaftler, der einst Modelle entwickelt hatte, mit denen der Endpreis einer Ebay-Auktion zu 96 Prozent vorherzusagen ist. Für Obama entwickelt der Chefwissenschaftler den „Dreamcatcher“, ein Programm, mit dem Wähler zu umgarnen sind.

Und auf der letzten Seite räsonniert der in Leningrad geborene US-Dichter Gary Shteyngart über das Ende des Lesens:

Im Grunde lesen die Amerikaner nicht mehr oder nicht mehr viel, weil sie so viel Zeit mit den Spielereien auf ihren iPads, iPhones und iPods zubringen. Diese Dinger und das Spielen führen zu einer echten Sucht. Manche Leute stehen inzwischen sogar mitten in der Nacht auf, um nach ihren E-Mails zu sehen. Unter solchen Umständen liegt es auf der Hand, dass die Literatur leidet

Und was passiert nach dem Ende der Literatur?

Zunächst einmal weniger Einfühlungsvermögen. Bücher machen es möglich, sich in andere Menschen hineinzuversetzen… Außerdem bedeutet es weniger Introspektion, denn die ist der schlimmste Feind des Internets, dieser eifersüchtigen und unendlichen anspruchsvollen Geliebten. Und schließlich ständige Ruhelosigkeit, denn Ruhe ist vollkommen unvereinbar mit den neuen Technologien.“

(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution)

Öffentlich-rechtliches „Schmierentheater“

Geschrieben am 4. November 2012 von Paul-Josef Raue.
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So scharf geht selbst die FAZ selten mit ARD und ZDF ins Gericht. Als „Schmierentheater“ und „einzigartiges Schauspiel“ und „einfach lächerlich“ kommentiert Michael Hanfeld die Reaktion des Senders auf den Anruf des CSU-Pressesprechers im ZDF-Nachrichtenraum, um Einfluss aufs Programm zu nehmen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist von den politischen Parteien abhängig bis ins Mark. Er hat so wenig Luft zum Atmen, dass der größte Sender Europas sich ein wenig Freiraum verschaffen muss, indem er die Anrufe eines bedauernswerten Pressesprechers zum Angriff auf die Pressefreiheit stilisiert… Die ,Staatsferne‘, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auszeichnen soll, ist eine Chimäre.“

Jede Redaktion müsse solchem Ansinnen lässig begegnen können. „Anrufe von Pressesprechern und anderen, freundliche oder unfreundliche, berechtigte Kritik, Beschwichtigungen oder Drohungen sind für Journalisten Tagesgeschäft. Wollte man derlei an die große Glocke hängen, käme man zu nichts anderem mehr.“

FAZ, 3. November 2012 „Geld gegen Proporz“

(zu: Handbuch-Kapitel 48-49 Presserecht und Ethik + 51- 52 Pressesprecher und PR)

Die Betriebsblindheit von Journalisten

Geschrieben am 18. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
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Journalisten haben einen sehr engen Bezugsrahmen. Sie erinnern sich nur an die Wahlkämpfe der eigenen Lebenszeit und glauben, dass sich sowieso nichts ändert.

Thomas Frank, Kolumnist von „Harper’s Magazine“, zur „Betriebsblindheit von Berufskommentatoren“ im Interview mit Patrick Bahners (FAZ, 18.10.2012) – auf die Frage, wie es nach dem ersten TV-Duell zwischen Obama und Romney zu einem Meinungsumschwung kam, obwohl man vorher lesen konnte, Debatten hätten noch nie etwas verändert.

Der Presserat braucht dringend eine Reform: Die Brand-Eins-Affäre

Geschrieben am 12. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
19 Kommentare / Geschrieben am 12. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, PR & Pressestellen, Presserecht & Ethik.

Bisweilen fällt es schwer, den Presserat zu schätzen. Seine Rüge gegen Brand Eins deckt die Schwächen des Presserats auf und lässt um seine Zukunft bangen.

Vorweg: Erstens – wir brauchen in Deutschland den Presserat. Zweitens – wir brauchen dringend eine Reform des Presserats.

Blicken wir kurz zurück: In der Adenauer-Ära wollte der Staat immer mehr die Presse kontrollieren, erwog staatliche Pressekammern, schlug vor fünfzig Jahren in der Spiegel-Affäre dramatisch zu und wurde erst 1966 vom Verfassungsgericht gebremst. Danach einigten sich Verleger und Journalisten auf eine Selbstkontrolle und übergaben dem Bundespräsidenten 1973 den Pressekodex.

Diese Selbstkontrolle sollten wir bewahren – aber ohne Selbstherrlichkeit, die in der Brand-Eins-Affäre wie in einem Brennglas sichtbar wird:

1. Transparenz fehlt – Die Sitzungen des Presserats finden hinter verschlossenen Türen statt; selbst die Beschuldigten werden nicht geladen. Der Einwand trägt nicht, ein höherer Aufwand sei den Ehrenamtlichen im Presserat nicht zumutbar. Immerhin geht es um die Ehre von Redakteuren, Zeitungen und Zeitschriften – und es gibt Telefon- oder Videokonferenzen. Vor allem: Was spricht gegen die Teilnahme der Beschuldigten?

2. Unschuldsvermutung fehlt – In Ziffer 13 des Pressekodex heißt es: „Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.“

Offenbar gilt er nicht für den Presserat. Der Beschuldigte kann sich zuvor nur schriftlich äußern, er kann nachher keine Beschwerde einlegen. Die Briefe des Presserats sind bisweilen kryptisch, die Vorwürfe nicht klar erkennbar. Erst nach dem Aussprechen der Rügen ist mitunter zu entdecken, wogegen sich eine Redaktion hätte wehren müssen.

Gerade kleinere Redaktionen tun sich schwer mit dem Verfahren und rutschen schnell in eine Mißbilligung oder Rüge hinein. Größere Redaktionen kümmern sich schon nicht mehr um den Presserat und lassen Anwälte oder ihre Rechtsabteilungen antworten (was nicht im Sinne der Selbstkontrolle der Journalisten ist).

Sinnvoll wäre eine Art Schlichtungsverfahren, wenn der Presserat auf eine Teilöffentlichkeit in den Sitzungen weiter verzichten will: Der Presserat entscheidet und gibt – nicht öffentlich – den Beschuldigten die Chance auf zu begründenden Widerspruch.

Unehrenhaft ist die Art der Verkündung durch eine Pressemitteilung. Nach der Geheimsitzung bekommt nicht der Beschuldigte die Entscheidung zugeschickt, vielmehr erfährt er es über Nachrichtenagenturen oder Mediendienste im Internet. Die Begründung wird nur bröckchenweise geliefert, erst Wochen später im vollen Wortlaut.

3. Unterstützung der Journalisten fehlt. – Die Arbeit in den Redaktionen wird immer schwieriger, vor allem durch den wirtschaftlichen Druck. Was ist journalistisch zulässig, ohne die Unabhängigkeit zu verlieren?

Redaktionen wie Verlagen suchen nach neuen Wegen, mit gutem Journalismus – und nicht selten auch mit schlechtem – Geld zu verdienen. Da ist den Redaktionen nicht mit Rügen geholfen, vielmehr brauchen sie klare Hinweise: Wo sind die Grenzen? Welchen Spielraum haben die Journalisten? Was müssen die Verlage tun?

Neue Geschäftsfelder suchen fast alle, nicht nur Brand Eins. Was ist mit „Euro extra“? Mit „Icon“ aus der Welt-Gruppe? Den Beilagen der FAZ wie „Auf in die Zukunft“? Der „Vinothek“ oder „Cinemathek“ der Süddeutschen? Der Beilage „Vital“ der Rheinischen Post?

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Will der Presserat jetzt endlos rügen? Oder den Redaktionen und Verlagen helfen?

Der schlechteste Weg ist der über die Juristen. Der Pressekodex ist eben kein Gesetz, sondern eine ethische Grundsatz-Erklärung, der Hippokratische Eid der Journalisten. Brand Eins wusste sich, offenbar zu Recht, nicht anders als juristisch zu wehren. Wenn das zum Normalfall wird, ist der Presserat als Selbstkontrolle der Journalisten am Ende.

Die Chronik der Brand-Eins-Affäre

Ende Juni 2012: Brand Eins erscheint, Abonnenten bekommen auch das Magazin beigelegt „Hilfe! Zwischen Krankheit, Versorgung und Geschäft – Ein Magazin über die Pharmaindustrie“; das Magazin ähnelt dem Design von Brand Eins, ohne dass auf Brand Eins Bezug genommen wird oder auf dem Cover auftaucht.

27. September: Pressemitteilung des Presserats über die Rügen, die in der vergangenen Sitzung ausgesprochen worden sind

BRAND EINS wurde gerügt wegen eines Verstoßes gegen den in Ziffer 7 des Pressekodex festgeschriebenen Grundsatz der klaren Trennung von Redaktion und Werbung. Die Redaktion des Wirtschaftsmagazins hatte – im Auftrag des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie – eine Publikation geschrieben, die mit einer regulären Ausgabe der Zeitschrift verteilt wurde. Das Heft unter der Überschrift ‚Hilfe! – Zwischen Krankheit, Versorgung und Geschäft‘ wurde auf der Titelseite als „Ein Magazin über die Pharmaindustrie“ bezeichnet.
Der Beschwerdeausschuss sah mit dieser Publikation die gebotene klare Trennung von Redaktion und Werbung verletzt. Für den Leser erweckte sie den Eindruck einer Sonderausgabe von BRAND EINS. Es handelte sich jedoch um eine Auftragsproduktion, die von einem Verband finanziert wurde. Das Gremium ging davon aus, dass dessen Interessen Einfluss auf die Grundrichtung des Heftes genommen haben. Durch diese Art von Publikation und das dahinter stehende Geschäftsmodell gerät die Glaubwürdigkeit der Presse in Gefahr.

Online ist die Passage zur Rüge gegen Brand Eins mittlerweile gestrichen. Die Rüge richtete sich gegen das Heft „Hilfe!“

28. September Deutschlandradio Kultur – Kulturnachrichten / Presserat rügt Wirtschaftsmagazin „Brand Eins“

„Durch diese Art von Publikation gerät die Glaubwürdigkeit der Presse in Gefahr.“ So urteilt der Deutsche Presserat über eine Beilage des Wirtschaftsmagazins „Brand Eins“ und hat ihm deshalb eine Rüge erteilt. Die Beilage wurde im Auftrag des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie erstellt. Nach Ansicht des Presserats entstand aber der Eindruck, es handele sich um eine Sonderausgabe von „Brand Eins“. Damit habe das Magazin gegen die Trennung von Redaktion und Werbung verstoßen.
28. September Pressemitteilung: brand eins rügt Presserat

Der Presserat hat gestern eine Pressemitteilung verbreitet, in der er über eine gegen brand eins ausgesprochene Rüge berichtet. Über die Rüge – die brand eins bisher nicht vorliegt – heißt es in der Pressemitteilung:

„Die Redaktion des Wirtschaftsmagazins (sc. brand eins) hatte – im Auftrag des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie – eine Publikation geschrieben …“.

Dies entspricht nicht den Tatsachen. Nicht nur im Impressum der gerügten Publikation, sondern auch in der Stellungnahme, die die brand eins Redaktions GmbH & Co. KG im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegenüber dem Presserat abgegeben hat, wird ausdrücklich mitgeteilt, dass es sich um eine Publikation der Verlagstochter brand eins Wissen GmbH & Co. KG handelt.

Dabei handelt es sich um die Corporate Publishing-Gesellschaft der brand eins Medien AG, mit eigener Geschäftsführung und eigener Redaktion, die seit 2001 Publikationen im Auftrag erstellt. Die Redaktion des Wirtschaftsmagazins brand eins war zu keinem Zeitpunkt in die Arbeit an dieser Fremdproduktion involviert.

brand eins wird gegen die Falschmeldung des Presserats juristisch vorgehen.

 

2. Oktober von 1633 bis 16.36 vier Tweets von Brand Eins:

Der Presserat hat gegenüber brand eins eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Er verpflichtet sich, nicht weiter zu behaupten, dass brand eines eine Publikation im Auftrag der pharmazeutischen Industrie geschrieben habe.
Für den Fall der Zuwiderhandlung hat sich der Presserat zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet und zum Ersatz des der brand eines Redaktions GmbH & Co aus der Verbreitung der Äußerungen entstandenen Schadens.

Neben der Unterlassungserklärung verpflichtete sich der Presserat noch im Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Zudem ist der Trägerverein des Deutschen Presserats bereit, Brand Eins den aus der Verbreitung der Äußerungen entstandenen Schaden zu ersetzen.

 

4. Oktober: Meedia.de meldet im Nachtrag zum Bericht über die Unterlassungserklärung am 2. September:

Die Unterlassungserklärung bezieht sich allerdings nicht auf die Rüge, sondern nur auf eine Formulierung aus der Pressemitteilung. Diese lautete: „Die Redaktion des Wirtschaftsmagazins hatte – im Auftrag des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie – eine Publikation geschrieben, die mit einer regulären Ausgabe der Zeitschrift verteilt wurde.“

 

Pressekodex Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.

 

(zu: Handbuch-Kapitel 48-50 Presserecht und Ethik + Service B Medien-Kodizes + 51-52 Pressesprecher und PR + 20 Waschzettel und Verlautbarungen)

LINK: http://www.djv-brandenburg.de/cms/nachrichten/2012-10-15_Presserat-reformbedeuerftig.php

Der digitale Habitus und das Ende des Journalismus

Geschrieben am 7. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
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Wenn alle mit allen kommunizieren können, dann brauchen wir in unserer Wirklichkeit keine Vermittler mehr, keine Parlamente, keine Politiker, keine Ausschüsse, keine klassischen Journalisten mehr. Das Netz wird zur ersten und einzigen Instanz, zum wahren öffentlichen Raum.

So verändert sich unser Denken, unser gesamtes Erscheinungsbild, unser Habitus. Es ist der Habitus des Menschen, der nur auf eine Taste drückt und sofort ein Ergebnis sehen will, eine Information erhalten oder eine Entscheidung herbeiführen.

Der Kulturwissenschaftler Byung-Chui Han, Professor an der Berliner Universität der Künste, hat den digitalen Habitus beschrieben:

  • Der digitale Habitus lässt Dinge nicht zu, die langsam reifen müssen; was Zeit braucht, wird als intransparent  wahrgenommen.
  • Der digitale Habitus kann keine Zukunft gestalten, ist nur auf das Jetzt fokussiert.
  • Zum digitalen Habitus gehören Ungeduld, Nicht-Warten-Können, die Unfähigkeit zur Langeweile (als eine Quelle der Kreativität).
  • Zum digitalen Habitus gehören Unverbindlichkeit, Beliebigkeit und Kurzfristigkeit; es schwächt das Verantwortungsgefühl.
  • Zum digitalen Habitus gehört die selbständige Produktion von Zeichen, unabhängig von der Qualität.

Wie verändert der digitale Habitus die Politik? Es gibt eine „Echtzeit- oder Präsenz-Politik“, es folgt die „Abschaffung der Repräsentation, also der politischen Repräsentanten, denn diese verursachen einen Zeit- und Informationsstau“. Dieser Habitus sei, so Byung-Chui Han, verantwortlich für die Krise der repräsentativen Demokratie.

Quelle: FAZ, 4. Oktober 2012 (Byung-Chui Han: Im Schwarm – Wir fingern heute nur noch, statt zu handeln. Souverän ist, wer über die Shitstorms des Netzes verfügt. Das ist das Ende der Politik.)

(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution)

 


Shitstorm statt Ärger an der Theke (Zitat der Woche)

Geschrieben am 1. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
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Wenn jemand auf dem Egotrip ist, gerät er schneller in einen Shitstorm. Früher hätte er nur Ärger an der Kneipentheke bekommen.

(Thomas Zorbach von der Agentur vm-people in Welt Kompakt vom 1. Oktober 2012)

Die Renaissance der Ironie summ, summ, summ

Geschrieben am 22. September 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Aber, Achtung: Das war Ironie!“, schreibt Stefan Hermanns in seiner Bundesliga-Kolumne von „11 Freunde Freitags“ zum Ausruf des Eintracht-Frankfurt-Trainers Armin Veh „Ich wäre enttäuscht, wenn wir jetzt nicht Meister werden.“ (Tagesspiegel 21.9.12)

Hermanns hat Recht: Ironie in der Zeitung geht meist daneben, weil der Großteil der Leser keine Ironie versteht. Ob allerdings Ironie noch Ironie ist, wenn man warnt: Das ist Ironie?

Zeitungen wie die FTD glauben, dass ihre besonders intelligenten Leser das Ironie-Gen besitzen und packen die Ironie sogar ins Aufmacher-Bild, gestaltet wie der Warnhinweis auf Zigaretten-Schachteln:

Der Blasphemieminister
warnt: Die Zeitung enthält
islamkritische Texte

Es folgt der Aufmacher: „Westen streitet über Meinungsfreiheit“ (20.9.12)

Auch die FAZ bringt täglich ein Ironie-Bild als Teaser über dem Aufmacher, etwa mit der Zeile: „Cogito ergo summ, summ, summ“.

Die Zahl der Redakteure, die Ironie mögen, ist leider viel größer als die Zahl der Leser, die sie verstehen. (Handbuch Seite 235)

(zu: Handbuch-Kapitel 38 Die Satire)

Bettina Wulff: Gerücht, Süddeutsche & Boulevard

Geschrieben am 8. September 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 8. September 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Presserecht & Ethik, Recherche.

„Arbeitete Bettina Wulff im Rotlichtmilieu?“, fragt heute (8. September 2012) die Süddeutsche Zeitung. Das Gerücht wabert seit Jahren, im Internet füllt es Abertausende von Einträgen, aber erst heute gelangt es in die Schlagzeilen wie auf der Titelseite von Bild: „Bettina Wulff wehrt sich gegen Huren-Gerüchte“.

Der Boulevard kannte die Gerüchte, hat  recherchiert, aber nichts gedruckt. Offenbar ging es um die Recherchen und das Huren-Gerücht auch im Telefonat, das Bundespräsident Wulff mit Kai Diekmann, dem Chefredakteur von Bild,  im Dezember führen wollte.  Wulff sprach auf die Mailbox, geriet  außer sich und verspielte seinen Kredit bei der Öffentlichkeit, die ihm lange gewogen geblieben war.

Liest man heute in der SZ Hans Leyendeckers Report auf Seite-3, dann ging es offenbar um das Huren-Gerücht, als Wulff den Diekmann beschimpfte und tobte: Für mich und meine Frau ist der Rubikon überschritten!

Auffällig ist: Diesmal ist  die Süddeutsche informiert, während nach Wullfs Wutausbruch auf Diekmanns Mailbox die FAZ  informiert war  und darüber berichtete,  lang und breit und oft zitiert. So spielen offenbar der Boulevard und die seriösen Überregionalen Pingpong, als wäre es das Normalste in unserer kleinen Medienwelt.

Bild nennt Hans Leyendecker heute „Star-Reporter der SZ“. Auf jeden Fall kannte Bild vorab die SZ-Geschichte, sonst hätte sie nie so ausführlich den Star-Reporter zitieren können. Auch die FAZ zitiert die SZ auf der zweiten Seite – mit einem Kommentar zur EZB.

Warum schreiben heute die SZ + Bild auf der Titelseite, die eine unten, die andere oben, von der angeblichen Hure? Das Netz ist seit langem dem Gerücht auf den Leim gegangen, die Berliner Zeitung brachte es andeutungsweise kurz vor Weihnachten, gefolgt von Jauch in seiner Talkshow  („Jetzt fragt sich jeder, ob da noch mehr kommt“) und dem Dementi von Bild-Vize-Chefredakteur Nikolaus Blome („Kompletter Quatsch“).

Warum heute? Bettina Wulff will darüber noch im September in ihrem Buch berichten, schreiben die SZ + Bild.

Warum so ausführlich, beide zusätzlich auf einer Seite im Innenteil? Weil  die Journalisten, die sich so lange zurückhalten mussten oder wollten, endlich die Geschichte um die angebliche Pretty Woman in aller Breite schreiben können – im Stil des Biedermanns, der das alles so gräßlich findet. Oder ist es gar Reue, dass man Bettina Wulffs Gatten, sorgsam recherchiert,  aus dem Amt geschrieben hatte?

Und: Hatte nicht Hans Leyendecker vor wenigen Wochen den Nannen-Preis für exzellente Recherche abgelehnt, weil auch Bild ihn wegen der wasserdichten Wulff-Recherchen bekam?

Immerhin kannte Hans Leyendecker, der zusammen mit Rald Wiegand schreibt, sogar Intimes von den Wulffs, das sich liest, als wäre er dabei gewesen:

„Es gab Beziehungen, die sie hatte, aber nicht im Rotlicht. Sie hat mit ihrem Mann am Anfang ihrer Beziehung über ihre früheren Partner geredet. Und er über seine Partnerinnen. Jeder hat ein Vorleben.“

Bildschön und selbstbewusst sei Bettina Wulff schreibt Bild heute (ohne einen Autoren des Textes zu nennen), blond und tätowiert, mit Modelmaß.

 

Handbuch, Seite 214:

Ein Hauch von Boulevard weht selbst durch die ernsthaftesten deutschen Zeitungen. (Werner Meyer)

 

(zu: Handbuch-Kapitel  35 Der Boulevardjournalismus  + 48-50 Presserecht und Ethik)

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