Alle Artikel mit dem Schlagwort " Internet"

Tyrocks Dankrede: Was ist Qualität im Journalismus?

Geschrieben am 2. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 2. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lokaljournalismus, Online-Journalismus.

Qualität heißt: Sauberes Handwerk, saubere Recherche, relevante Themen, interessante Aufbereitung: informativ, spannend, abwechslungsreich, unterhaltend  – und, immer wieder: nahe bei den Menschen, für die wir da sind.

So dankte Andreas Tyrock, Chefredakteur des Bonner Generalanzeigers, nach der Verleihung des Deutschen Lokaljournalistenpreises im alten Plenarsaal des Bundestags – vor über tausend Besuchern, darunter viele Kinder und Jugendliche. Der GA bekam den Preis für das Konzept der Familienzeitung.

Tyrock weiter zur Qualität:

Qualität kostet auch Geld. Verlage sind wichtiger Bestandteil der Demokratie und sehr wichtig für das Leben vieler Menschen, sie sind aber keine sozialen Einrichtungen mit ehrenamtlich tätigen Mitarbeitern. Verlage sind Wirtschaftsunternehmen. Sie müssen Geld verdienen, um weiterhin Qualität bieten zu können.

Das sollte sich jeder hin und wieder bewusst machen, wenn er eine Zeitung liest, wenn er im Internet surft. Die Arbeit besteht mehr denn je darin, Schneisen in das Dickicht der unzähligen Informationen zu schlagen, die täglich auf uns einprasseln. Und dies mit Kompetenz und Engagement.

Weitere Auszüge aus Tyrocks Dankrede:

Richtig ist, dass die Herausforderungen für die Zeitungsverlage im Umfeld von elektronischen Medien, vor allem aber vor dem Hintergrund der Internet-Entwicklung, stetig steigen.

Richtig ist aber vor allem, dass Zeitungen in Deutschland noch immer eine immense Bedeutung haben. Täglich lesen rund 47 Millionen Menschen über 14 Jahren eine gedruckte Zeitung.

Davon werden 37 Millionen Regionalzeitungen gelesen – mit ihren Online-Ausgaben erreichen die Verlage übrigens 27 Millionen User. Ebenfalls eine beeindruckende Zahl.

Eine Studie möchte ich noch erwähnen: nämlich zur Glaubwürdigkeit der Zeitungen bei jungen Menschen. Wenn in verschiedenen Medien über ein Thema unterschiedlich berichtet wird, dann glauben 40 Prozent der 12- bis 19-Jährigen der Tageszeitung, auf Platz 2 folgt das Fernsehen mit 29 Prozent. Das sind meiner Meinung nach sehr gute Ergebnisse für die Verlage in Deutschland.

Der Tag der Preisverleihung  ist stets ein Beleg für die Leistungsfähigkeit deutscher Lokal- und Regionalzeitungen.
Sie sind das Herzstück deutscher Medien, denn sie sind am nächsten dran an den Menschen.

Sie berichten aus dem Alltag der Menschen in diesem Land, sie informieren, kommentieren, sie unterhalten, sie tragen zur Meinungsbildung bei, erfüllen damit die originären Aufgaben des Journalismus und sind deshalb auch wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie.

Die Erfüllung dieser Aufgaben sichert im Übrigen auch die Zukunft deutscher Lokal- und Regionalzeitungen:

  • Worüber reden unsere Leser? 
  • Was beschäftigt sie? 
  • Wie leben sie? 
  • Wo arbeiten sie? 
  • Wo kaufen sie ein?  
  • Wo und wie verbringen sie ihre Freizeit? In den Vereinen, bei der Freiwilligen Feuerwehr, in der Kommunalpolitik. 
  • Wo gehen die Kinder zur Schule? 
  • Wo machen die Jugendlichen ihre Ausbildung? Wo studieren sie?

Wir Journalisten müssen dabei sein, müssen informieren, müssen helfen, müssen auch kritisieren, müssen stets der Anwalt unserer Leser sein. Und natürlich auch der Anwalt unserer User.

Denn Verlage definieren sich längst nicht mehr nur über Zeitungen, auch wenn diese weiterhin das Fundament bilden. Die Verlage, die Redaktionen, die Journalisten arbeiten crossmedial, sie bieten ihre  Arbeit über verschiedene Kanäle an, über die Zeitung, über das Internet, über E-paper oder über Apps

Entscheidend ist: Jedem muss klar sein, dass das Bezahlen von Qualitätsjournalismus in Print oder digital ein Beitrag zur Aufrechterhaltung  dieser Qualität ist. Und damit ein Beitrag zur Aufrechterhaltung der Demokratie in diesem Land. Oder, ein bisschen weniger staatstragend:

Qualitätsjournalismus sollte weiterhin ein Bestandteil des Lebens sein, weil er das Leben bereichert. Wir alle können einen Beitrag leisten. Jeder für sich.

 

(zu: Handbuch-Kapitel 55 Der neue Lokaljournalismus + 57 Wie können Zeitungen überleben + 53 Was die Leser wollen)

Shitstorm statt Ärger an der Theke (Zitat der Woche)

Geschrieben am 1. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
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Wenn jemand auf dem Egotrip ist, gerät er schneller in einen Shitstorm. Früher hätte er nur Ärger an der Kneipentheke bekommen.

(Thomas Zorbach von der Agentur vm-people in Welt Kompakt vom 1. Oktober 2012)

Main-Post: Falsche Überschrift zu Bettina Wulff

Geschrieben am 11. September 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 11. September 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Online-Journalismus, Presserecht & Ethik.

Immer mehr Dementis und Entschuldigungen, offenbar aus Furcht vor Unterlassungserklärungen usw.. Die Würzburger Main-Post schreibt heute online (11. September 2012):

Bettina Wulff gab bei Gericht eine eidesstattliche Erklärung ab, wonach alle Behauptungen über ihr angebliches Vorleben als Prostituierte oder als sogenannte Escort-Dame falsch seien, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete.

mainpost.de überschrieb diese Meldung mit der Frage „War Bettina Wulff eine Prostituierte?“ Da es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Frau des Ex-Bundespräsidenten jemals als Escort-Dame tätig war und die Behauptungen dazu allem Anschein nach einer Verleumdungskampagne entstammen, gibt es für die Frage in der Überschrift keine Berechtigung. Die Überschrift war falsch und wurde nach kurzer Zeit auf mainpost.de berichtigt.

mainpost.de entschuldigt sich bei seinen Leserinnen und Lesern und natürlich auch bei Frau Wulff für diesen Fehler.

(zu: Handbuch-Kapitel 48-50 Presserecht und Ethik)

Niggemeier beißt

Geschrieben am 10. September 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Bissig“ – so steht es, warnend, im Hinweis auf Stefan Niggemeiers Blog, gefunden in der Übersicht der Horizont-„Web-Essential“. Bei den anderen Blogs, die genannt werden, fehlen solch wertenden Einträge.

Bissig – ja, aber Stefan Niggemeier ist der analytische Kopf der Medienblogger, einer, der gründlich recherchiert und erst dann eine Meinung hat (während zu viele andere eine Meinung haben, ohne gründlich zu recherchieren).

Auf dem Horizont-Poster ist die Rangliste der 80 größten Internetagenturen Deutschlands zu finden, die 30 wichtigsten Vermarkter, die Top-10-Agenturen „Digital Kreation“ und die wichtigen Bookmarks für die Internetbranche (unterteilt: Marktforschung und Datenbanken / Weblogs für Marketer und Medienleute / English spoken).

(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution + Service Erste Adressen)

Das Leitmedium eines Regierungssprechers

Geschrieben am 8. September 2012 von Paul-Josef Raue.
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Welches ist das Leitmedium für einen Regierungssprecher? Früher war es die Zeitung, heute ist es Spiegel Online, gefolgt vom Radio, dem Fernsehen und der Zeitung.

Das hat wenig mit der Wichtigkeit des Mediums zu tun, erklärt der Sprecher, sondern mit der Schnelligkeit. Wer zuerst eine Nachricht bringt, die von anderen Journalisten gelesen wird, der ist für mich wichtig. So entstehen schnell Reaktionen, auf die wieder Reaktionen folgen – die dann von den langsameren Medien aufgenommen, weiter gesponnen und im Idealfall vertieft werden, beispielsweise durch ein Interview.

(zu: Handbuch-Kapitel 52 Wie Öffentlichkeits-Arbeiter informieren)

Darf Porträtfoto aus SchülerVZ in Zeitung gedruckt werden?

Geschrieben am 4. September 2012 von Paul-Josef Raue.
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Darf eine Zeitung das Foto einer Dreizehnjährigen drucken, die in den Alpen von einem Eisblock erschlagen worden war? Die Eltern hatten keine Zustimmung gebeben für die Veröffentlichung eines Porträt-Fotos aus dem Internet (Schüler-VZ).

Anton Sahlender, Leser-Anwalt der Main-Post (Würzburg), schreibt dazu in seinem Blatt (3. September 2012):

Zuletzt habe ich hier eine journalistische Pietätlosigkeit geschildert. Das Bild einer verunglückten jungen Frau war wider den Willen ihrer Eltern veröffentlicht worden. Denen konnten Richter trotzdem keine Entschädigung zusprechen. Die Rechtslage ließ es nicht zu.

Hier gewinnt die freiwillige Selbstkontrolle der Medien für die Genugtuung Hinterbliebener an Bedeutung. Das zeigt ein Fall, in dem der Deutsche Presserat eine Rüge aussprach.

Zwei Boulevardblätter berichten über den tödlichen Unfall eines Mädchens, das mit seinem Vater Urlaub in den Alpen gemacht hatte. Die Dreizehnjährige starb, als sich ein Eisblock löste und sie unter sich begrub. Beide Zeitungen drucken ein Foto der Verunglückten, nennen ihr Alter und ihren Wohnort, außerdem den Vornamen des Vaters, dessen Alter und seinen Beruf.

Der Vater des toten Mädchens sieht dadurch Persönlichkeitsrechte verletzt. Die Familie sei in ihrer näheren Umgebung identifizierbar. Das Foto sei ohne Einwilligung der Familie verwendet worden. Die Zeitungen hätten es aus dem Internet illegal entnommen.

Die Rechtsabteilung des Verlags, in dem beide Zeitungen erscheinen, betont das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, auch weil die Zeitungen die Frage aufgeworfen haben: War es möglicherweise Leichtsinn, der zu dem tragischen Geschehen geführt hat? So seien auch die Foto-Veröffentlichungen nicht zu beanstanden, ebenso wenig die Bildbeschaffung aus dem Internetportal „SchülerVZ“.

Die später Verunglückte habe das Bild selbst eingestellt und es somit für die Öffentlichkeit freigegeben. In seinem Profil habe das Mädchen auch etliche private Details über sich preisgegeben. Der Zugang zum Foto sei freigegeben gewesen. Von illegaler Entnahme könne keine Rede sein.

Der Presserat entschied: Die Zeitungen haben gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen, weil sie das Foto des verunglückten Mädchens abdruckten. Dafür gebe es kein öffentliches Interesse. Auch die Familie durfte nicht öffentlich gemacht werden.

Der Familienausflug rechtfertige es nicht, über den Vater der Getöteten detailliert zu berichten. Über die Entnahme des Fotos aus einem sozialen Netzwerk hat der Presserat nicht entschieden. Aber für die Veröffentlichung des Bildes sprach er eine nicht öffentliche Rüge aus, nicht öffentlich deshalb, weil die Familie nicht ein weiteres Mal dadurch belastet werden sollte. Das heißt, die Medien mussten die Rüge nicht abdrucken, was bei einer öffentlichen Rüge notwendig gewesen wäre (0273/10/2-BA und 0275/10/2-BA).

(zu: Handbuch-Kapitel 50 Presserecht)

„iDarwinismus“

Geschrieben am 29. August 2012 von Paul-Josef Raue.

Schießerei auf der Straße. Reaktion der Passanten 1992: Deckung suchen. 2012: Handy zücken und filmen. Man nennt es auch iDarwinismus.

Tweet des Tages in Welt Kompakt (9.8.2012), geschrieben von „Privatsprache“

(zu: Handbuch-Kapitel 5 Der Online-Journalismus + 56 und Aktionen + Anhang-Service H Lexikon journalistischer Fachausdrücke)

Thüringens Regierungssprecher: Wer lange und oft mit Schmutz wirft …

Geschrieben am 28. August 2012 von Paul-Josef Raue.

Dem Thüringer Regierungssprecher Peter Zimmermann platzt der Kragen: Da hat er immer wieder in der NSU-Affäre, provoziert durch mordende Neonazis aus Thüringen, mit Rücktritts-Forderungen an den Innenminister zu kämpfen – aber nicht von der Opposition, sondern von der regierenden Großen Koalition.

Zimmermann denkt nach über das Streben um politische Wahrnehmung um jeden Preis, über schlechte Nachrede und Vorverurteilung und die Verunglimpfung des Landes: „Schon lange ist die moderne Form der Verurteilung die mediale Anschuldigung. Es regiert Königin Konjunktiv, es lebe die rhetorische Eskalation!“

Und er denkt nach über die Macht des Internets, regional begrenzte Polemiken weltweit zu streuen.

Der Staatssekretär als Sprecher der Regierung kritisiert Mitglieder des Parlaments: „Ist ein Landtagsmandat die Lizenz, sich verbal gehen zu lassen, willkürlich Spitzenbeamte zu beleidigen und pauschal Rücktritte zu fordern?“

Dies ist der komplette Text von Zimmermann, veröffentlicht auf der Debatten-Seite der Thüringer Allgemeine (28. August 2012):

Den Erfolg politischer Arbeit von Landtagsabgeordneten oder Ministern zu bemessen ist schwieriger als bei Führungspersönlichkeiten in der Wirtschaft. Der Erfolg drückt sich nicht ohne weiteres in steigenden Umsatzzahlen, höherer Effektivität oder dem Unternehmensergebnis aus.

Die Politik und mit ihr wesentliche Teile der Gesellschaft leben stark von Stimmungen. Eine der einfachen Formeln lautet: Ist die Stimmung gut, sind auch die Wahlergebnisse gut – in Parteigremien oder bei Kommunal- und Landtagswahlen.

Ist beispielsweise die Stimmung für eine Partei national schlecht, leiden darunter auch die vor Ort in den Städten und Gemeinden engagierten Kommunalpolitiker, ohne etwas dafür zu können. Ist sie gut, so läuft’s auch vor Ort rund. Erfolg und Misserfolg sind also klar, gern und meist vorab adressiert.
 
Wer die politische Stimmung beeinflussen will, wer eigene politische Ideen und Vorschläge einbringen will, muss wahrgenommen werden, in der Öffentlichkeit wie in den Parlamenten. Die Medien sind dafür eine Plattform. Dieses Streben nach Wahrnehmung ist deshalb nicht nur legitim sondern völlig in Ordnung.

Wahrnehmbarkeit wird zur politischen Währung, sie entscheidet über Sein und Nichtsein von Akteuren – „Ich sende, also bin ich!“. Doch das Streben nach Wahrnehmung kann auch schnell befremdliche Züge annehmen.
 
In Thüringen wird dieser Tage gesendet, was das Zeug hält: es wird behauptet, angeprangert, vorgeworfen und spekuliert. Und damit häufig auch vorverurteilt.

Kaum ein Politikfeld ist sicher vor der Sucht nach medialer Präsenz: fast um jeden Preis! Schon lange ist die moderne Form der Verurteilung die mediale Anschuldigung. Es regiert Königin Konjunktiv, es lebe die rhetorische Eskalation!
 
Gegenseitige Vorwürfe sind umso beliebter, je mehr sie populär-kritische Themen betreffen. Das schafft Aufmerksamkeit, steigert die Wahrnehmung, häufig auch die von der eigenen Bedeutung, und es ist spielend leicht.

Doch Achtung: Die allzu unbedachte Aggression hilft selten dem Aggressor, sondern schadet ihm und dem Land. Wenn Nachrichten zudem keine Substanz, keine Wahrhaftigkeit mehr besitzen, sondern nur noch aus der Reaktion auf eine Reaktion auf eine Reaktion bestehen, so stellt sich die Frage nach unseren Standards, nach Gehalt und Qualität.
 
Das Prinzip jedenfalls ist einfach: Wer lange und oft genug mit Schmutz beworfen wurde, kann schließlich keine saubere Weste haben. Selbst steht der Beworfene blütenrein in der Manege, im Kopfe des Zuschauers ist er befleckt.

Doch die Zeiten, in denen regionales Wortwerk durch Hörfunk, Fernsehen und Zeitungen an den Landesgrenzen verhallte sind vorbei. Das Internet transportiert hiesige Zulänglichkeiten in Echtzeit auf den gesamten Erdball – die Vergleichbarkeit mit der Kultur anderer Regionen eingeschlossen.

So muss sich im Lande niemand fragen, was man sich außerhalb Thüringens öfter fragt: „Was ist denn da bei Euch los?“ Statt über die Erfolge, die Schönheit und die reiche Kultur dieses Landes zu sprechen, entstehen kommunikative Kollateralschäden zu Lasten des Freistaats.

Lieber die schnelle Schlagzeile in der Hand als vernünftiges Licht vom Dach auf das Land. Wer diesen Reflex der Opposition zuschreibt, irrt leider.
 
So ist es auch im aktuellen Fall der Rücktrittsforderung an den Thüringer Innenminister durch die Abgeordnete Marx. Selten zuvor konstruierte sich eine Nachricht so deutlich fernab der Fakten.

Nicht die Substanz des dahinter liegenden Vorgangs rechtfertigt die Aufmerksamkeit, sondern die Lautstärke, die Wortwahl und der weitreichende Forderungsanspruch elektrisieren am nachrichtenarmen Wochenende Medien und Medienmacher. Verständlich, denn die Materie ist viel zu kompliziert, um sie in unserer schnelllebigen Zeit in 15 Fernsehsekunden oder 20 Zeitungszeilen erklären zu können.

Eine smarte Rücktrittsforderung, noch dazu aus der Koalition, ist da schon knackiger. Zumal sie von einer demokratisch gewählten Abgeordneten kommt, die fordern kann, was sie will und der das Licht vom Dach nicht so wichtig ist.
 
Ist aber ein Landtagsmandat die Lizenz, sich verbal gehen zu lassen, willkürlich Spitzenbeamte zu beleidigen und pauschal Rücktritte zu fordern? Um es klar zu sagen: Fehler müssen benannt, Versäumnisse kritisiert und Unvermögen geahndet werden dürfen – natürlich auch öffentlich. Doch nicht auf Grundlage zweifelhafter Behauptungen oder Verlautbarungen.

Dies ist eine Einladung an uns alle: Gewählte, Berufene, Sprechende und Schreibende. Die sonst entstehende mediale Parallelwelt sorgt für Unglaubwürdigkeit, Frust und verschlechtert die Stimmung. Eine der wichtigsten Währungen in der Politik und in unserem Land.

 

(zu: Handbuch-Kapitel 28 Die meisten Journalisten sind unkritisch)

Uli Hoeneß, das Bierzelt und der Lokalredakteur

Geschrieben am 26. August 2012 von Paul-Josef Raue.

Bayern-Präsident Uli Hoeneß nannte Gomez einen guten Mittelstürmer, aber keinen sehr guten. Der Satz wurde überall diskutiert. Peter Heß stellte im FAZInterview fest: Herr Hoeneß, Sie halten sich nicht aus der Mannschaft heraus.

Hoeneß reagiert nüchtern und sieht den Grund, das solch ein Eindruck entstehen kann, bei den Journalisten:

Ich saß in einem Bierzelt in Regen im Bayrischen Wald mit über 1000 Fans – alle in Rot-Weiß. Früher habe ich hundertmal so einen Satz gesagt, und das hat keinen interessiert. Aber heutzutage sind überall Journalisten dabei.

Wir stellen zu Recht fest: Es gibt immer weniger Redakteure. Dennoch hat auch Hoeneß Recht: Es gibt immer mehr Nachrichten, auch wenn man über deren Wert streiten kann.

Wie ist das zu erklären. Drei Versuche einer Antwort:

1. Schon immer waren überall Journalisten. Schon immer hat sich ein Redakteur der Passauer Neuen Presse oder irgendeiner Lokalzeitung den Auftritt von Hoeneß nicht entgehen lassen. Aber früher stand es nur im Lokalteil, und die hochmütigen Redakteure im Mantel haben es nicht wahrnehmen wollen; doch heute steht es im Internet, wird getwittert, von Suchmaschinen entdeckt. Immer weniger Journalisten verbreiten immer mehr Nachrichten.

2. Durch die Trennung von Blattmachern und Reportern – die einen drinnen, die anderen draußen – gehen mehr Redakteure in die Bierzelte und auf die Straßen, sind weniger Redakteure an Schreibtische gefesselt. Wo man früher den Schüler als freien Mitarbeiter rausschickte, geht heute der Redakteur selbst; und der hat in der Regel schon ein besseres Gespür für wichtige Zitate und Beobachtungen.

3. An den Desks oder Nachrichtentischen, wie auch immer sie genannt werden, ist das Management von Nachrichten professioneller geworden. Die Torwächter (gatekeeper) im Reich der Informationen sind keine Spezialisten mehr, sondern gute Kenner der Welt, der Medien und ihrer Leser. Früher leisteten sich nur die Agenturen und – mit Einschränkungen – die großen Zeitungen und Magazine solche Torwächter, heute schon manch kleine Regionalzeitung.

Quelle des Zitats: FAZ, 23.8.2012

(zu: Handbuch-Kapitel 7 Online Redaktion + 10 Was Journalisten von Bloggern lernen können + 55 Die neue Lokalredaktion + 24 Woraus wird eine Nachricht)

Glitch – was ist das?

Geschrieben am 23. August 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 23. August 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Journalistische Fachausdrücke.

Kleine bis mittelschwere Pannen – wie Systemabsturz bei Computern, Bildstörungen und Fehlermeldungen – heißen im Englischen „Glitch“ („a false ELECTRONIC signal caused by a sudden increase in electrical power“, Longman Dictionary). Michael Moorstedt berichtet in „Nachrichten aus dem Netz“ (SZ, 20.8.12) von „Glitch Art“, also Künstlern, die verzerrte Bilder, kaputte Töne und Videos in Kunstwerke verwandeln.

(zu: Handbuch-Kapitel Service H Lexikon journalistischer Fachausdrücke)

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