Main-Post: Falsche Überschrift zu Bettina Wulff
Immer mehr Dementis und Entschuldigungen, offenbar aus Furcht vor Unterlassungserklärungen usw.. Die Würzburger Main-Post schreibt heute online (11. September 2012):
Bettina Wulff gab bei Gericht eine eidesstattliche Erklärung ab, wonach alle Behauptungen über ihr angebliches Vorleben als Prostituierte oder als sogenannte Escort-Dame falsch seien, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete.
mainpost.de überschrieb diese Meldung mit der Frage „War Bettina Wulff eine Prostituierte?“ Da es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Frau des Ex-Bundespräsidenten jemals als Escort-Dame tätig war und die Behauptungen dazu allem Anschein nach einer Verleumdungskampagne entstammen, gibt es für die Frage in der Überschrift keine Berechtigung. Die Überschrift war falsch und wurde nach kurzer Zeit auf mainpost.de berichtigt.
mainpost.de entschuldigt sich bei seinen Leserinnen und Lesern und natürlich auch bei Frau Wulff für diesen Fehler.
(zu: Handbuch-Kapitel 48-50 Presserecht und Ethik)
Darf Porträtfoto aus SchülerVZ in Zeitung gedruckt werden?
Darf eine Zeitung das Foto einer Dreizehnjährigen drucken, die in den Alpen von einem Eisblock erschlagen worden war? Die Eltern hatten keine Zustimmung gebeben für die Veröffentlichung eines Porträt-Fotos aus dem Internet (Schüler-VZ).
Anton Sahlender, Leser-Anwalt der Main-Post (Würzburg), schreibt dazu in seinem Blatt (3. September 2012):
Zuletzt habe ich hier eine journalistische Pietätlosigkeit geschildert. Das Bild einer verunglückten jungen Frau war wider den Willen ihrer Eltern veröffentlicht worden. Denen konnten Richter trotzdem keine Entschädigung zusprechen. Die Rechtslage ließ es nicht zu.
Hier gewinnt die freiwillige Selbstkontrolle der Medien für die Genugtuung Hinterbliebener an Bedeutung. Das zeigt ein Fall, in dem der Deutsche Presserat eine Rüge aussprach.
Zwei Boulevardblätter berichten über den tödlichen Unfall eines Mädchens, das mit seinem Vater Urlaub in den Alpen gemacht hatte. Die Dreizehnjährige starb, als sich ein Eisblock löste und sie unter sich begrub. Beide Zeitungen drucken ein Foto der Verunglückten, nennen ihr Alter und ihren Wohnort, außerdem den Vornamen des Vaters, dessen Alter und seinen Beruf.
Der Vater des toten Mädchens sieht dadurch Persönlichkeitsrechte verletzt. Die Familie sei in ihrer näheren Umgebung identifizierbar. Das Foto sei ohne Einwilligung der Familie verwendet worden. Die Zeitungen hätten es aus dem Internet illegal entnommen.
Die Rechtsabteilung des Verlags, in dem beide Zeitungen erscheinen, betont das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, auch weil die Zeitungen die Frage aufgeworfen haben: War es möglicherweise Leichtsinn, der zu dem tragischen Geschehen geführt hat? So seien auch die Foto-Veröffentlichungen nicht zu beanstanden, ebenso wenig die Bildbeschaffung aus dem Internetportal „SchülerVZ“.
Die später Verunglückte habe das Bild selbst eingestellt und es somit für die Öffentlichkeit freigegeben. In seinem Profil habe das Mädchen auch etliche private Details über sich preisgegeben. Der Zugang zum Foto sei freigegeben gewesen. Von illegaler Entnahme könne keine Rede sein.
Der Presserat entschied: Die Zeitungen haben gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen, weil sie das Foto des verunglückten Mädchens abdruckten. Dafür gebe es kein öffentliches Interesse. Auch die Familie durfte nicht öffentlich gemacht werden.
Der Familienausflug rechtfertige es nicht, über den Vater der Getöteten detailliert zu berichten. Über die Entnahme des Fotos aus einem sozialen Netzwerk hat der Presserat nicht entschieden. Aber für die Veröffentlichung des Bildes sprach er eine nicht öffentliche Rüge aus, nicht öffentlich deshalb, weil die Familie nicht ein weiteres Mal dadurch belastet werden sollte. Das heißt, die Medien mussten die Rüge nicht abdrucken, was bei einer öffentlichen Rüge notwendig gewesen wäre (0273/10/2-BA und 0275/10/2-BA).
(zu: Handbuch-Kapitel 50 Presserecht)
Google löscht und löscht und löscht
Hunderttausende von Webseiten entfernt Google aus seiner Suchmaschine, weil Nutzer protestieren – wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. Constanze Kurz berichtet am Freitag in der FAZ (17.8.2012): Jede Woche bekommt Google mehr als eine Viertelmillion Löschungsbegehren.
Rechtliche Grundlage für diese „DMCA-Takedowns“ ist ein amerikanisches Gesetz, wonach eine Behauptung ausreicht, damit ein Nutzer die Löschung einer Webseite erzwingen kann; der Inhaber der Seite muss klagen und den Beweis der Richtigkeit antreten, um die Seite wieder ins Netz stellen zu dürfen.
Die deutsche Gema hat sogar eine Schnittstelle bekommen, um Filme und Musik auf Youtube selber löschen zu können. Constanze Kurt meint:
Natürlich werden die Schnittstellen zur Sperrung auch missbraucht, um unter dem Vorwand einer Urheberrechtsverletzung missliebige Inhalte zu zensieren. Menschen sind bei der Abarbeitung solcher Begehren kaum mehr beteiligt; man benötigte auch eine halbe Armee, um die Unmengen zu bewältigen.
Wer eine Quälerei auf dem Schulhof als Video auf Facebook zeigt, wird nicht so schnell behelligt – es sei denn, er klagt nicht gegen eine Verletzung der Persönlichkeit, sondern des Urheberrechts.
Infos zu: GOOGLE
- durchsucht täglich 20 Milliarden Webseiten
- bekommt täglich 3 Milliarden Suchanfragen
- speichert 30 Billionen Links
(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution + 17-18 Wie Journalisten recherchieren)
Nicht nur Augen verraten einen Menschen, auch Schuhe
Früher legte man einen fetten schwarzen Balken über die Augen, um einen Menschen unkenntlich zu machen. Die Augen verraten alles, vermuteten wir; aber Gorbatschow konnte jeder auch erkennen, wenn man seine Augen verschwinden ließ. Heute kann man das Gesicht pixeln, so dass kein Mensch, vor allem nicht Juristen einen Menschen identifizieren können.
Aber das reicht nicht. Die Münchner Boulevardzeitung tz muss laut Entscheidung des Amtsgerichts einer Frau 1200 Euro zahlen, weil zwar ihr Gesicht auf einem Foto nicht zu erkennen war, aber ihre Schuhe sie verrieten. Die müssen so unverwechselbar gewesen sein, dass eine Zuschauerin beim Prozess vor dem Landgericht rief: „Das ist doch die aus der Zeitung!“
Die Frau, die nun Schmerzensgeld bekommt, war lediglich zum Prozess gegen ihren Freund zum Landgericht gekommen. Pech für die Zeitung: Die Frau trug dieselben Schuhe wie auf dem gepixelten Foto in der Zeitung. Das Urteil ist rechtskräftig.
(Quelle: Süddeutsche Zeitung, 3. August 2012)
(zu: Handbuch-Kapitel 50 „Presserecht und Ethik“)
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