Warren Buffett und der Schwimmer ohne Badehose (Zitat der Woche)
Wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer ohne Badehose geschwommen ist.
Dies Sprachbild erfand der weltbekannteste Investor Warren Buffett, als er von Kollegen sprach, die in guten Zeiten viel Geld verdienen und in schlechten Zeiten viel mehr verlieren. Buffett hat in denen vergangenen Jahren einige US-Regionalzeitungen gekauft.
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 3. Januar 2014
Journalisten manipulieren und inszenieren: Die Femen-Aktion zu Weihnachten im Kölner Dom
„Viele Ereignisse werden eigens inszeniert, damit über sie berichtet werden kann“, steht im Handbuch-Kapitel „Die meisten Journalisten sind unkritisch“. Hans Leyendecker deckt in der Süddeutschen Zeitung auf, dass der Tanz einer halbnackten Philosophie-Studentin inszeniert war – während der Weihnachtsmesse auf dem Altar im Kölner Dom, vor den Augen des Kardinals Meissner.
1. Femen bekommen ein spezielles Training für ihre Nackt-Provokationen.
2. Die Paparazzo-Agentur „Hans Paul Media“ aus Sydney will eine Nachricht aus dem Umfeld der Frau bekommen haben, wollte exklusiv berichten und stellte einen Kameramann in den Dom. Hans Paul zu Leyendecker: „Leider kam unserem Paparazzo in Köln der Express in die Quere und nahm uns die Exklusivität.“ Dadurch sei ein Schaden von hunderttausend Eurp entstanden, auch wenn die Fotos an die englische Sun, in die USA und nach Südamerika verkauft werden konnten.
3. Der Kölner Express fotografierte die Studentin vor ihrer Aktion, als sie mit Kopftuch und Kleidung in der ersten Reihe saß. Der Fotograf jagte auch hinter der Frau her, als beim ersten Lied nach vorne stürmte und sich die Kleider vom Leib riß, auf dem „I am God“ geschrieben war.
4. Die Chefredaktion des Express berief sich laut Leyendecker auf Informantenschutz und verurteilt solche Aktionen prinzipiell – nachdem die Zeitung die Bilder gedruckt hatte: „So missbrauchen Aktivisten unseren Dom“.
5. Leyendecker rechnet mit einer Bewährungsstrafe für die Feministin und gegen den Fotografen möglicherweise mit einem Verfahren wegen Beihilfe.
Quelle: Süddeutsche, „Halbnackte Wahrheit“ vom 30. Dezember 2013
„Trutzburg des wahren Journalismus“: Blick ins Innere der „Spiegel“-Redaktion
Spiegel-Redakteure sind Plaudertauschen, die nichts für sich behalten können – vor allem wenn es um Konferenzen mit dem Chefredakteur geht. Das hat einen Vorteil: Der neue Chef kann sich die Stelle des Pressesprechers sparen, braucht weder Pressekonferenzen noch Pressemitteilungen. Er wäre immer zweiter Sieger, es sei denn, er sammelte vor den Konferenzen alle I-Phones ein.
Wochenlang jagten die Redakteure den neuen Chefredakteur, noch vor seinem Amtsantritt, durch befreundete oder weniger befreundete Zeitungen, weil sie mit einer Personalentscheidung haderten. Anfang Dezember erzählten die nationalen Zeitungen aus einer Montags-Konferenz, dass der Spiegel ab Neujahr 2015 zwei Tage früher, also samstags, erscheinen werde. Die unbekannten Whistleblower aus der Spiegel-Redaktion werden ausführlich in der Süddeutschen zitiert, der Chefredakteur wird offenbar nicht gefragt – dafür aber der Chefredakteur des Focus.
Bei der Süddeutschen haben gleich zwei Reporterinnen recherchiert, bei der FAZ nur ein Reporter – aber der hat immerhin beim Spiegel selber gefragt und sogar mehr erfahren. So viel zu investigativen Recherchen im Medien-Milieu.
Kommen wir zur Fiktion: Spiegel-Reporter investigieren nicht nur, sie schreiben auch Bücher, in denen ein Magazin vorkommt, das dem Spiegel verdammt ähnlich ist. „Trutzburg des wahren Journalismus“ nennt Spiegel-Reporter Dieter Bednarz das Verlagshaus – in seinem gerade erschienenen Roman „Mann darf sich doch mal irren – Unser Leben nach der Wickelfront“. Klar: Das Buch ist Fiktion; aber die ist recht nah an der Wirklichkeit gebaut.
Mimosen sind die Reporter, feilschen um jedes Wort, das sie geschrieben haben – meint die Ehefrau des Reporters, im Roman selbstverständlich:
„Dieter“ – so heißt der Autor, der im wahren Leben Spiegel-Reporter ist, und der Reporter im Buch.
Dieter neigt zur Melodramatik. Wenn sie ihm in der Redaktion in seinen Geschichten „rumfummeln“, wie er das nennt, legt er in Gedanken gleich das ganze Blatt in Schutt und Asche, will kündigen oder sich umbringen. Mal reagiert er aggressiv, mal depressiv, je nach Stimmung. Aber dann macht er doch nichts von alledem. Er beruhigt sich vergleichsweise schnell und sieht sich ganz sachlich an, was an seinen Texten verändert wurde. Manches, räumt er dann ein, sei wirklich besser geworden. Und an vielen Stellen… hat tatsächlich einer seiner Chefs nur wieder mal zeigen wollen, wer der Herr der Texte ist.
Das Redigieren der Texte dürfte eines der großen Themen sein in der schönen neuen Spiegel-Kantine direkt am Wasser – wenn nicht gerade der Chefredakteur in einer Konferenz gesprochen hatte. Der größte Schrecken für einen Reporter, so man dem Roman glaubt, dürfte eine redigierende Frau sein – wie Saskia, die Dieter Lindemann als Ressortleiterin vorgezogen wird:
Saskia ist so typisch für unsere Redaktion und wie das Blatt tickt. Die Dame ist erst seit drei Jahren bei uns, aber in den Konferenzen ergreift sie das Wort, als sei sie die Enkelin unserer Verlegerin. Sie hat die Chuzpe, die größten Belanglosigkeiten mit gewaltiger Gewichtigkeit und Schärfe zu vertreten.
Saskia, eine „Quotenfrau“, fühlt sich als die Zukunft des Journalismus: Weniger verkrampft schreiben, flüssigere Texte, persönlicher, in einer eigenen Sprache – „Story telling, Lindemann.“
Sie schaut mir in die Augen, nickt und seufzt, als müsse sie einem Kind die Welt erklären. „Unsere Geschichten müssen ein Lagerfeuer sein, Lindemann, an dem die Leser gerne sitzen möchten.“
Volontärs-Väter sollten ihren Volontären nie mehr vom Lagerfeuern erzählen!
Bleibenden Schaden hat bei den Spiegel-Redakteuren offenbar die Streichung des Kaffee-Service hinterlassen. Diesem einmaligen Service am Nachmittag widmet der Roman-Dieter auch einige Zeilen:
Früher hatten wir nette Studentinnen, die uns Essen oder Trinken in unsere Büros brachten. Unser Verleger, damals einer der ganz großen und legendären, meinte es noch gut mit uns. Immer volle Kühlschränke, alles frei und Snacks am Schreibtisch serviert…
Heute regieren seine Erben. Jetzt steht auf jeder Etage so ein Monstrum für Coke oder Kaffee. Moderne Zeiten. Wer kein Kleingeld hat, kann auf dem Klo den Kopf unter den Wasserhahn hängen. Auch wir müssen sparen.
Um nicht Mythen entstehen zu lassen: Auch beim Spiegel kommt aus dem Wasserhahn kein Kaffee.
Dieter Bednarz: Mann darf sich doch mal irren – Unser Leben nach der Wickelfront. Verlag Langen-Müller, 286 Seiten, 19.99 Euro
Bednarz‘ Roman erzählt erst von einem Seitensprung, dann von der Scheidung, die buchstäblich auf den letzten Buch-Seiten vereitelt wird. In Hamburgs Journalisten-Bars geht der Spruch um: „Die dritte Ehe klappt.“ Bednarz rettet die erste.
Die Sprache des Koalitionsvertrags: Politikers großer Lall (Friedhof der Wörter)
Der Vater brüllt den Sohn an: „Ich habe genug von Deinen unverschämten Reden!“ Der Sohn bleibt ruhig: „Ich wollte nur einen Dialog anstoßen!“ Der Vater wird noch zorniger: „Was soll der Blödsinn?“ Der Sohn bleibt weiter ruhig: „Das habe ich von unseren großen Vorbildern gelernt: So etwas steht im Koalitionsvertrag. Lies doch einfach mal!“
Wer einen Vorrat anlegen will an unverbindlichen Sätzen, der kann sich im Vertrag der Großen Koalition bedienen. Gleich vierzig Mal wird zum Dialog aufgefordert, an einer Stelle sogar zum „Qualitäts-Dialog“. Reden, am meisten ohne Qualität, statt Handeln! Man quatscht also ein bisschen über Dies-und-Das in den nächsten vier Jahren, tröstet sein Volk mit solchen Sätzen und wartet auf die nächste Wahl.
Das Lieblingswort der Politiker ist „sollen“: Rund 150 Mal taucht es im Vertrag auf. „Sollen“ ist nett, aber unverbindlich. So verrät die Sprache den Geist der Vereinbarung.
Aber auch das „Sollen“ kann man noch steigern: Etwas soll geprüft werden! Ein Beispiel:
Weiterhin werden wir darauf hinwirken, dass in allen künftigen EU-Gesetzgebungen geprüft wird, ob kleine und mittlere Unternehmen von bestimmten Regelungen ausgenommen werden können.
Das bedeutet: Wir tun nichts für die Unternehmen, wir prüfen auch nicht, wir regen an zu prüfen – und dann noch in Brüssel. Da wird nichts geschehen!
„Solcher Lall“ regt Heribert Prantl auf; er ist Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung:
Viele Allgemeinheiten, Plattheiten, Absichtserklärungen… Viel Styropor, viel Packmaterial“.
Entfernt man die Verpackung, kommt das Entscheidende zum Vorschein. Aber dafür braucht man keine 185 Seiten, dafür reichen nicht mal 10.
Thüringer Allgemeine, Kolumne „Friedhof der Wörter“, 2. Dezember 2013
Überall wird gescannt und durchleuchtet – bis auf einen, einen allerletzten Ort: Nordkorea. Marcel Reif war dort
TV-Sport-Kommentator Marcel Reif war drei Tage in Nordkorea, um Sportjournalisten zu lehren, wie man ein Fußballspiel kommentiert. Fünf Stunden lang spricht er über Emotionen, ohne die eine Reportage nicht gelingen kann – und die Nordkoreaner wollen noch mehr hören, über Emotionen.
Das erzählt Reif dem SZ-Reporter Holger Reitz, der aus dem Gespräch eine empfehlenswerte „Seite Drei“ in der Süddeutschen geschrieben hat: Wenn der Reporter nicht selber nach Nordkorea fahren kann, schreibt er lieber ein Stück von einem, der dort war, als gar nichts. Auch eine Form der Reportage: Ein Reporter erzählt einem anderen Reporter.
Der Reporter, der für die „Seite Drei“ schreibt, schreibt auch über das Gespräch, über seine Strategie, wie aus den Erzählungen eines anderen eine eigene Reportage wird. Er steigt ein mit der Herbstsonne am Zürichsee, ein paar hundert Zeilen später – das Stück füllt wirklich eine komplette Seite – schreien die Möwen am See: Es ist wie im Volontärskurs, Atmosphäre bitte, Sonne und Möwen gehen immer.
Das merkt auch der gestandene Reporter: In der Süddeutschen, weil Qualitätszeitung, geht das eigentlich nicht – es sei denn, ich habe einen guten Grund. Den gibt der Rückkehrer aus Nordkorea: Es ist der Kontrast.
Reif am See sagt: „Sprache. Wir sitzen hier, reden, tauschen Flapsigkeiten aus. Über Möwen. Derlei. Geht in Nordkorea alles nicht. Gibt es nicht. Auch mit denen, die Deutsch können: nicht. Es gibt nichts Ironisches. Nichts.
Du hast natürlich tausend Fragen. Aber du überlegst sofort, in welche Schwierigkeiten du denjenigen bringst, dem du sie stellst. Und dann stellst du sie eben nicht mehr. Du schützt die anderen vor deiner eigenen Neugier, indem du schweigst. Und irgendwann hast du dann gelernt, dass du auf 1000 Fragen auch nur 1001 Ausflüchte hören würdest.“
So wird aus dem Schweigen eine Reportage, nachher, aus zweiter Hand.
„Tor in Pjöngjang“ ist auch eine lustige Reportage: Marcel Reif sitzt in einem riesigen Stadion, gefüllt mit fünfhundert Zuschauern, und schaut einem Spiel zu – Weiß gegen Blau. Er will wissen, auf welchem Tabellenplatz die Mannschaften stehen. Keiner antwortet.
„Noch mal, meine Frage war: Wer spielt da? Sicher kann jede Information gegen Nordkorea verwendet werden, aber in dem Fall war ich sicher, mit meiner Frage nicht in den staatsgefährdenden Bereich vorgedrungen zu sein.“ Die Frage löst Schnappatmung aus bei Journalisten, Aufpassern, Übersetzern. Bis der Mann im Trainingsanzug herangewunken wird. Information: Dritter gegen Vierten…
Abermals Schnappatmung bei Aufpassern und Begleitern.
Dann bittet Reif darum, zu den Zuschauern auf der anderen Seite wechseln zu dürfen. Keine Schnappatmung mehr, erzählt Reif.
„Da war Panik. Bis einer wirklich sagte: Nein, das geht nicht, das sind Fans, da weiß man nicht, was passiert.“ Ist es nicht erstaunlich, dass es in einer Welt, in der alles gescannt und durchleuchtet wird, noch einen allerletzten Ort gibt, den man nicht durchblickt? Nordkorea.
Falsche Freunde in der Sprache: Hyygelig und handy (Friedhof der Wörter)
Wer nach Dänemark fährt und durch die Dünen wandert, schnappt eines der schönsten Wörter der dänischen Sprache auf: hyygelig. Man denkt an die Sandhügel, über die man stapft: Sie ähneln sich schon unsere Sprache, hügelig ist es, hyygelig.
Schon ist man in die Sprachfalle getappt. Eine Reihe von Wörtern sind zwar im Klang gleich, aber nicht in der Aussprache. So bezeichnet hyygelig im Dänischen das Lebensgefühl unserer Nachbarn: Gemütlich. Die Kaffeetafel am Ferienhaus im Sommer, und der Kamin, um den die Freunde sitzen und Rotwein trinken – das ist hyygelig; wahrscheinlich steckt in hyygelig noch mehr als in dem deutschen Wort „gemütlich“ oder „heimelig“, eben hyygelig.
Hermann Unterstöger erzählt in seiner Kolumne „Sprachlabor“, jeden Samstag in der Süddeutschen, von den falschen Freunden in der Sprache und zählt weitere auf:
Novellistin ist eine Autorin, die Romane schreibt, ein Romancier (gibt es laut Duden nur männlich). „Novel“ ist im Englischen der Roman, aber ein „novellist“ läuft in der englischen Sprache nicht herum.
> Moose heißt nicht Moos, sondern Elch.
> Flipper ist kein Flipper, sondern eine Flosse.
> handy ist kein Mobiltelefon, sondern „geschickt“ oder „passend“.
> Sense ist nicht die Sense, sondern der Sinn; so wird der Roman „Sense and Sensibility“ der „Novellistin“ Jane Austen auch nicht „Sense und Empfindsamkeit“ übersetzt.
Fügen wir noch einige hinzu:
> Die Obama-Administration ist die Verwaltung des Weißes Hauses, nicht die Regierung.
> Der City Call der Telekom ist eine Erfindung; der Engländer sagt „Local Call“.
> Wer in England joggt, der schlurft über die Fluren oder stolpert gar.
> Wer in New York „live“ singt, der ist lebendig. In Deutschland können auch Tote live singen, etwa „Frank Sinatra live in der Carnegie Hall“ – was bedeuten soll „im Konzert“.
Wer kennt noch mehr falsche Freunde?
Ein Lese-Tipp für alle, die noch mehr von einem der besten Sprachkritiker lesen wollen: Hermann Unterstögers „Da platzt Dir die Hutschnur! Vergnügliches aus dem Sprachlabor“, erschienen in der „Süddeutsche Zeitung Edition“ (232 Seiten, 12.90 Euro). Einfach hyygelig!
Quelle (Unterstöger): SZ, 28. September 2013
Thüringer Allgemeine, geplant für 21. Oktober 2013
Sprachbilder: Der Ozean und der Wassertropfen
Das war ein Gefühl, als ob ich einen Ozean in einen Wassertropfen reinbringen müsste.
Die Medienmanagerin Christine zu Salm, als sie in der Ausbildung zur Sterbebegleiterin ihren eigenen Nachruf schreiben sollte – in fünfzehn Minuten. (Zu lesen in einem beeindruckenden SZ-Interview, 19. Oktober 2013)
Der Teesack-Schlepper oder: Wenn die Wörter ihre Unschuld verlieren (Friedhof der Wörter)
„Du Teesack-Schlepper, du!“ Man muss Amerikaner sein, um den eintönigen Beruf zum Schimpfwort zu erwählen. „Tea-bagger“, also Teesack-Schlepper – so nennt der älteste Politiker im US-Senat, der 87-jährige John Dingell, seine ärgsten politischen Gegner bei den Republikanern. Und im Streit um den Haushalt und die drohende Pleite des Staates ist jedes Schimpfwort recht.
Wer das Tee-Baggern verstehen will, muss in die amerikanische Geschichte reisen: 1773 warfen Bostoner Bürger, verkleidet als Indianer, 350 Tee-Säcke von einem britischen Schiff ins Hafenwasser – aus Protest gegen Steuern, die die Kolonialherren in London erhöht hatten, und gegen die Besatzer überhaupt. Die Bostoner „Tea-Party“ ging in die Geschichte ein, das Museum gehört zu den meistbesuchten in Boston, und die radikalsten Konservativen in den USA nennen sich nach den alten Widerstandskämpfern stolz: Tee-Partei, „tea-party“.
Dieser kleine radikale Flügel der Republikaner mag weder einen starken Staat noch Steuern und blockiert den Haushalt der Weltmacht. Diese Geschichte aus der Geschichte liegt in dem Schimpfwort „Teesack-Schlepper“.
Aber damit nicht genug: Der „Tea-bagger“ ist auch schlüpfrig geworden, gibt neuerdings einer eher ungewöhnlichen sexuellen Praxis den Namen; sie in einer Zeitung zu beschreiben, die eine Kinderseite anbietet, verbietet sich.
So verliert die Sprache immer wieder ihre Unschuld: Erst mühen sich die Leute mit den Teesäcken ab, um Frau und Kinder zu ernähren; dann verwandelt sich ihr ehrenwerter Beruf in ein Schimpfwort – und am Ende kommt eine Sauerei heraus.
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 5. Oktober (aus einer lesenswerten Reportage von Nicolas Richter über die ungeliebte Hauptstadt Washington im Haushaltsstreit)
Thüringer Allgemeine, geplant für den 14. Oktober 2013 (Kolumne „Friedhof der Wörter“)
Die zynischen Mechanismen öffentlicher Empörung: Eine Redakteurin wird Oberbürgermeisterin und verzweifelt
Man wird unglücklich, wenn man erst einmal in der Mühle drin steckt. Man wacht um vier Uhr nachts auf, voller Angst, weil um halb fünf die Zeitung mit der nächsten üblen Geschichte vor der Tür liegt.
So spricht heute Susanne Gaschke (SPD), Oberbürgermeisterin in Kiel, zuvor Redakteurin bei der Zeit.
Die Süddeutsche widmet Susanne Gaschke die Seite Drei (30. September) wegen ihrer Verstrickungen in einem Skandal, in dem sie schmerzhaft spürt – diesmal auf der anderen Seite – „wie hartnäckig eine empörte Menge aus Journalisten, Opposition, Netzgemeinde sich an die Fehlersuche machen kann, wie viel Häme und Unterstellungen damit eingehen, wie zynisch die Mechanismen öffentlicher Erregung sein können.
Eine aufschlussreiches Porträt liefet Charlotte Parnack in „Von der Rolle“: So schwer ist der Rollenwechsel von der Redaktion ins Rathaus, in die Politik. Die Journalistin kannte und recherchierte Skandale – „aber sie kannte sie nur aus dem warmen Kokon der Redaktion heraus“.
Wie Niki Lauda eine Reporterin aus der Fassung brachte
Nur knapp sein Leben rettete Niki Lauda nach seinem Unfall auf dem Nürburgring 1976. Sein Gesicht ist seitdem buchstäblich gezeichnet. Eine amerikanische Reporterin holte Lauda an den Nürburgring, um mit ihm über den Unfall zu sprechen.
Niki Lauda erzählt im Magazin der Süddeutschen Zeitung:
Na ja, das war eine von diesen amerikanischen Morningshows, die kamen zum Nürburgring, und so eine Frau, groß, blond, alles dran, wollte mich an der Unfallstelle interviewen. Die hatten sich alle gesagt: Ui, der wird sicher weinen, das wird ein ganz großer emotionaler Moment!
Ich hab mir aber vom Hotelbuffet ein Kipferl mitgenommen und das vorher ins Gras gelegt. Die fängt an:
‚Mister Lauda, how is it to be here …‘ Sag ich: ‚Just a moment!‘ und geh ein paar Schritte ins Gras.
Fragt sie: ‚What are you doing?‘ Sag ich: ‚Oh look, here’s my ear!‘
Die war fertig. Die hat die Fassung verloren. Die mussten alles noch mal drehen.“
(Ein Kipferl ist ein österreichisches Gebäck, das wie ein gepudertes Horn aussieht)
Quelle: Süddeutsche Magazin 20.9.2013
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