„Ich bitte um Entschuldigung!“ (Friedhof der Wörter)
Christian Wulff, unser Bundespräsident, saß den TV-Journalisten gegenüber, leicht gebeugt, als wolle er sich einkugeln und sprach: „Der Anruf beim Chefredakteur der Bildzeitung war ein schwerer Fehler, der mir leid tut und für den ich mich entschuldige.“
Kann ein Mensch, der sich schuldig gemacht hat, die Schuld von sich nehmen – höchstpersönlich? Kann sich ein Bundespräsident, der erste Bürger des Staates, einfach so entschuldigen?
Mit der Schuld und der Tilgung der Schuld schliddert unsere Sprache zu Religion und Ethik. „O Mensch, du kannst dich nicht selber entschuldigen, wer du auch bist!“, übersetzt Martin Luther einen Satz aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom. Die Schuld nehmen, das könne nur Gott.
Auch wer nicht an Gott glaubt und Religion verachtet, aber ein moralischer Mensch ist, der fragt: Wer schert sich noch um Recht und Moral, wenn sich jeder selber von Schuld befreien kann – nur durch ein Wort? Was wird aus einer Gesellschaft, die nicht mehr über Schuld richtet?
Wulffs Widersacher sollten schweigen, sagte der CDU-Generalsekretär Gröhe, weil der Präsident um Entschuldigung gebeten habe. Aber genau diese Bitte gegenüber den Bürgern hat er nicht geäußert.
„Ich bitte um Entschuldigung!“ – nur so beginnt die Tilgung der Schuld; und der, den ich bitte, ist frei, dem Wunsch nachzukommen. Wer sich selber entschuldigt, macht sich groß. Er stellt sich über die anderen. (Thüringer Allgemeine, Kolumne „Friedhof der Wörter“, 9. Januar 2012)
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Vielen Dank für diese Klarstellung. Ich dachte langsam, dass ich die einzige bin, der sich die Nackenhaare aufstellen, wenn sich wieder einmal „jemand (selbst) entschuldigt“.