Dialekt und Grammatik: Wie Frau in Wien einen Mann anmacht (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 16. März 2014 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 16. März 2014 von Paul-Josef Raue in D 11 Verständliche Wörter, Friedhof der Wörter.

Was ist eine „Schlampenschleuder“? Brät  darin eine Frau ihren Schwarm an?

Nein, wir sind nicht in der Friedhofs-Abteilung „weibliche Unwörter“, sondern beim österreichischen „Tatort“. In der vergangenen Folge, die Anfang März lief, haben  hochdeutsch Geschulte viele Wörter einfach nicht verstanden. 

Wer schon an den Ohrenarzt dachte und beginnende Schwerhörigkeit, der sei getröstet: Er hört noch gut, aber versteht eben schlecht – den österreichischen Dialekt, der  wie eine durchgehende Nuschelei in den Ohren zerrt. 

„Außer koid is der Melanie gar nix mehr“, sagt die Mutter über ihre Tochter, die jahrelang eingesperrt war und der sie gerade eine Wärmflasche gebracht hat. „Koid“ heißt kalt; weiter ist der Satz zumindest grammatisch weit von dem entfernt, was der Duden empfiehlt. Aber so sind Dialekte, und wer sie erhalten will,  muss es ertragen oder darf sich sogar daran erfreuen.
 
Den Hinweis auf die „Untertitel“ im TV-Tatort haben die meisten nicht ernst genommen; aber in der Tat übersetzte die Fernseh-Redaktion das Genuschel ins Hochdeutsche. Ob sie auch die „Schlampenschleuder“ übersetzt hat?

Das Wort war allerdings klar zu vernehmen – und ein Auto war im Bild zu sehen. Die Schlampenschleuder ist ein altes Auto, dem man gut zureden muss, damit es wenigstens eine kurze Strecke fährt. Ob das Wort als  weibliches Unwort beerdigt werden muss, können nur die Österreicher entscheiden.

Die Redaktion der „Süddeutschen Zeitung“, die nahe der österreichischen Grenze erscheint, nannte das Wort ein schönes Wort. Dass in Österreich eine Frau ihren Typ  nicht anmacht, sondern „anbrät“, fanden die Redakteure in München auch schön.

Aufgefallen war den Münchnern auch der fehlende Genitiv, der in vielen Dialekten, nicht nur im österreichischen,  ein Schattendasein führt. „Ich war schon auf beiden Seiten von der Tür“, sagt die Kommissarin und meinte: Sie hat schon Männer aus ihrer Wohnung rausgeworfen; und Männer hätten sie rausgeworfen. 

Wem das passiert, für den ist der falsche Genitiv das geringere Problem.

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