Absturz von 4U9525 und der Leser Fragen: Was ist Boulevard?

Geschrieben am 5. April 2015 von Paul-Josef Raue.

Eine Leserin der Thüringer Allgemeine (TA) schreibt im Internet zur Berichterstattung über den Absturz der German-Wings-Maschine in den französischen Alpen:

Die TA bewegt sich immer mehr zum Bild-Zeitungs-Niveau.

Ein weiterer Leser findet – ebenfalls auf unseren Internet-Seiten – die Berichterstattung zu dem Fall unmöglich:

Der volle Name wird mit Bild veröffentlicht. Am besten gleich noch die volle Anschrift.

Der Chefredakteur antwortet in seiner Samstag-Kolumne „Leser fragen“:

Was ist Boulevard-Niveau? Der Bestseller-Autor Martin Suter lässt in seinem aktuellen Roman „Montecristo“ einen Redakteur den „Boulevard“ charakterisieren:

„Straßenjournalismus sollte es heißen. Gossenjournalismus! Er zielt auf die niedrigen Instinkte der Leser.“

In der Tat neigt der Boulevard dazu, mit der Wahrheit ebenso zu spielen wie mit der Menschenwürde; er schätzt die Sensation, auch wenn er eine Sache aufbauschen muss, und er mag keine langen Erklärungen, sondern schnelle Urteile. Vor allem zielt er auf die Gefühle der Menschen.

Das unterscheidet den Boulevard von seriösen Zeitungen. Doch der offenbar mutwillig provozierte Absturz eines Flugzeugs und der Tod von 150 Menschen wühlt jeden auf – selbst wenn eine Zeitung noch so distanziert berichtet.

Auch unsere Zeitung konnte über den Absturz nicht berichten wie über eine normale Landtags-Sitzung. Aber wir haben nicht mit der Würde der Opfer und ihrer Angehörigen gespielt, wir haben keine Angehörigen belästigt oder belagert, auch nichts aufgebauscht – es sei denn man wolle uns vorwerfen, überhaupt so ausführlich über den Absturz berichtet zu haben.

In der TA haben wir weder den vollen Namen noch das Porträt des Co-Piloten veröffentlicht.

Viele seriöse Zeitungen wie die „Süddeutsche“ oder die FAZ, aber auch unser Online-Auftritt, haben den Namen ausgeschrieben, nachdem ihn der französische Staatsanwalt in einer Pressekonferenz genannt hatte.

Unter Journalisten ist zur Namens-Frage eine heftige Debatte ausgebrochen:
Muss man die Angehörigen des Co-Piloten schützen? Dann darf man weder den Namen noch sein Gesicht zeigen.
Oder ist der Co-Pilot als ein Massenmörder zu einer Person der Zeitgeschichte geworden? Dann könnte man Namen wie Gesicht zeigen.

Wie würden Sie entscheiden?

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THÜRINGER ALLGEMEINE
, 4. April 2015, Leser fragen

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