Darf ein Gericht anordnen, das Foto einer Zeugin zu pixeln?
NSU-Prozess am Mittwoch: Die Mutter der Angeklagten Zschäpe ist als Zeugin geladen. Das Gericht ordnet an: Fotos von der Mutter müssen gepixelt werden.
Die Deutsche-Presse-Agentur (dpa) pixelt mit der Begründung „Das Gericht hat Hausrecht bei Prozessen. Davon machte es Gebrauch, und wir müssen uns an die Vorgabe halten.“
Meine Zeitung, die Thüringer Allgemeine, hat einen eigenen Fotografen im Gericht, der die Mutter vor dem Gerichtssaal fotografiert hatte. Der TA-Desk folgte seinem Hinweis, pixelte und schrieb in die Bildzeile: „Auf Anweisung des Gerichts muss Annerose Zschäpe auf Fotos gepixelt werden.“
Die Bildzeitung pixelte nicht und zeigte die Frau, die ihr Gesicht mit einer Sonnenbrille nahezu unkenntlich gemacht hatte; dazu kommen ein hoch geschlossener Mantelkragen und eine dunkle Wollmütze, tief in die Stirn gezogen.
Darf das Gericht solch eine Anordnung treffen? Nein, sagt der deutsche Presserechtler Johannes Weberling aus Berlin:
Natürlich kann das Gericht nur Auflagen zu Aufnahmen im Gerichtssaal machen. Aber selbst die binden nach der Rechtsprechung u.a. des BGH nicht die Presse bei ihrer eigenverantwortlichen Entscheidung und Abwägung, ob und inwieweit ein Bild veröffentlicht wird.
Weberling verweist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in der es unter anderem heißt:
Aus dem begrenzten Zweck der Sitzungspolizei erwächst dem Vorsitzenden nicht die Befugnis, die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten zu regeln…
In der Verpflichtung zur Anonymisierung liegt eine gewichtige Beschränkung der Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit, die eine Rechtfertigung aus den Umständen des Einzelfalls voraussetzt… Es ist nicht ersichtlich, dass das Anonymisierungsgebot zu diesem Zeitpunkt noch zur Sicherung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Strafverfahrens erforderlich war…
Datum des Prozesstages: Mittwoch, 27. November 2013
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