Das Elend der Politik (Kommentar zur Landtagswahl in Thüringen)

Geschrieben am 14. September 2014 von Paul-Josef Raue.

Wer, um alles in der Welt, wählt eigentlich die AfD? Wer dort sein Kreuz malte, der wusste: Die Partei wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in keiner Koalition mitregieren.  Eine Stimme für die AfD ist also – wenn es um die Macht geht – eine verlorene Stimme.

Trotzdem stimmte jeder zehnte Thüringer, der sich zum Wählen entschlossen hatte, für eine nahezu unbekannte Truppe, die zerstritten war und kein klares Konzept hat. Nehmen wir die Thüringer hinzu, die bei dem trüben Wetter lieber zu Hause blieben, dann kommen wir auf die stärkste Fraktion überhaupt: Die Bürger, die es nicht so recht interessiert, wer über ihre Zukunft bestimmt.

Selten ist das große Problem unserer Demokratie so klar geworden wie gestern in Thüringen:   Den Mächtigen läuft das Volk davon. Die beiden größten Parteien haben zwar Prozentpunkte gewonnen, aber  wahrscheinlich Wähler verloren. Der Jubel bei CDU und Linke in Thüringen, die sich beide wie Sieger fühlen, wird nur ein paar Tage anhalten, dann wird  Katzenjammer einsetzen und hoffentlich das Nachdenken: Wieviel Desinteresse kann eine Demokratie aushalten? Wird sich das Problem auswachsen? 

Nein, im Gegenteil: Schauen wir auf die Wahlanalysen, dann wird die Lage noch dramatischer: Die Wähler der AfD sind gerade die jungen Wähler. Wer jünger ist als 29, der machte öfter bei der AfD sein Kreuz als bei der SPD und fast so oft wie bei der Linken.

Wer zynisch das Ergebnis  interpretiert, der könnte sagen: Wenn es den Bürgern schlechter geht, wird sich schnell  wieder alles richten. In der Tat sind fast zwei Drittel so zufrieden wie nie zuvor.  Doch auf schlechte Zeiten zu hoffen, ist ebenso töricht wie gefährlich. 

Politiker müssen  endlich  klar machen, dass sich die Bürger mit Verdrossenheit und Verweigerung selber schaden. Wir brauchen mehr Politiker, die Vertrauen und Kompetenz zeigen. Es ist Zeit!

PS. Und was ist der Auftrag an uns Journalisten? Dürfen wir nur zuschauen? Oder müssen wir selber Konzepte und Lösungen finden?
    

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Thüringer Allgemeine 15.9.2014 (hier erweiterte Fassung)

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