Das Herz von Journalisten schlägt weit links
Die Frage lautete hier am 21. September: Wo schlägt das politische Herz von Redakteuren? Es schlägt links.
Den Hinweis auf eine Weischenberg-Studie von 2005 gab Alexander Will: „Journalismus in Deutschland“ nach einer Repräsentativbefragung durch das Journalistik-Institut der Universität Hamburg. Danach wählen Journalisten völlig anders als ihre Leser. Rund 1500 Journalisten wurden nach ihrer Parteineigung befragt, nicht nach ihren Wahlabsichten:
1. Die Grünen (35,5)
2. SPD (26,0)
3. Wechselwähler / „Ich neige keiner Partei zu“ (19,6)
4. CDU (8,7)
5. FDP (6,3)
Auf einer Skala von 1 (politisch weit links) bis 100 (politisch weit rechts) liegen die Journalisten mit 38 recht weit links; ihre eigenen Medien ordnen sie ziemlich genau in der Mitte ein.
Die Vorliebe für die Grünen ist vor allem bei den Journalistinnen zu finden (43 Prozent) und den Jüngeren von 36 bis 45 Jahren (42 Prozent).
Dieser Text folgte im Blog am 21. September, also am Tag vor der Bundestagswahl (leicht redigiert):
Wen wählen Redakteure? Wir hatten in einem kleinen Kreis diskutiert: Sollen wir in der Redaktion eine geheime Wahl abhalten? Wir entschieden uns dagegen: Das Ergebnis wird in die Öffentlichkeit kommen und der Redaktion das Leben schwer machen, gleich wie das Ergebnis ausgehen wird.
Die FTD, als es die deutsche Ausgabe noch gab, war sogar einen Schritt weitergegangen: Sie hat eine eigene Wahlempfehlung abgegeben, wie es in angelsächsischen Zeitungen sogar üblich ist.
Die Bildzeitung schreibt heute nicht, wie die Redakteure wählen; sie zeigt 50 Reporter, die sagen, wen sie nicht wählen. Die unbeliebteste Partei bei den ausgewählten Bild-Reportern sind die Grünen und die Linken; die FDP zieht weniger Abneigung auf sich als die beiden Volksparteien und die AfD.
Zwei Reportern gelingt es sogar, zu schreiben, wen sie wählen: “Ich wähle lieber ein Original und nicht die CDU, weil die nie von allein auf die Energiewende und die Homo-Ehe gekommen wären.” (Jörg Schallenberg, Nachrichten) Und: “Ich möchte, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt.” (Stephanie Bilges, Politik) Da wäre allerdings noch die Leih-Zweit-Stimme für die FDP möglich.
Weitere Abneigungen:
Ich wähle auf keinen Fall Grün, weil mir gut verdienende Öko-Intellektuelle, die sich mit grünem Anstrich zum Gutmenschen stilisieren, stinken. (Claudia von Duehren, Berlin)
Sorry, Linkspartei, das wird nichts mehr mit uns! Ex-SED-Genossen, Staatsgläubigkeit, verlogener Pazifismus, Wirtschaftsfeindlichkeit – never. (Ralf Schuler, Politik)
Ich wähle auf keinen Fall Grün, weil niedersächsisches Fleisch mein Gemüse ist! 🙂 (Cornelia Missling, Hannover)
Ich wähle auf keinen Fall FDP, damit die weltfremden Liberalen endlich im Niemandsland der Politik verschwinden. (Olaf Wehmann, Berlin)
Ich fand Steinbrück im Wahlkampf so unerträglich, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben NICHT die SPD wähle. (Claudia Weingärtner, Nachrichten)
Ich wähle auf keinen Fall CDU, weil ich Frau Merkel den Mut zu wirklichen Reformen abspreche. (Victor Reichardt, Politik)
Quellen: Media-Perspektiven 7/2006 (Journalismus in Deutschland 2005) / Bild, 21. September 2013
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Bei dem Befund dürfen wir uns nicht wundern, wenn man im Leserforum bzw. auf der Meinungsseite von Zeitungen und Zeitschriften ganz überwiegend politisch linksorientierte Äußerungen liest.
Wer zu Flüchtlingsthemen, Asyl- und Migrantenfragen, Umweltthemen, zu Amerika und seiner Politik, zu Globalisierungsproblemen, zu Technikfortschritt usw. usf. einseitige Berichte liefert oder Berichte und Nachrichten anschließend direkt mit seinen persönlichen politischen Überzeugungen in Form von Kommentaren verbindet, der schreibt eben oft an Lesern und ihrer Lebenssituation vorbei. Wer schreibt, was Leser denken sollen oder zu denken haben, der hat verloren. Da wundert das Zeitungssterben nicht, und es wundert auf der Bürgerseite auch nicht das ekelhafte Skandieren „Lügenpresse“. Die Gegenreaktion staatlicher Vertreter und Politiker mit der Stigmatisierung „Pack“ und „rechter Mob“ zu reagieren, gießt zusätzlich Öl in das lodernde Feuer anstatt es zu löschen.
Man kann ja in der Flüchtlingsfrage schlecht Angela Merkels „humanistische“ Geste alle aufzunehmen, mit dem nachgeschobenen Mantra „Wir schaffen das“ loben und dann die dadurch entstandene Lage kritisieren. Köln muss ein Schock für Linke gewesen sein, für Rechte und auch für die politische Mitte war es ein Weckruf. Aber aus der selbst verursachten Argumentationsfalle finden nur Journalisten heraus, die den Mut haben, Fehler einzugestehen. Wer tut das in den Medien, abgesehen von rühmlichen Ausnahmen?
Ich wünsche mir eine Presse mit möglichst objektiven Berichten (das sind Artikel, die intersubjektiv überprüfbar sind) und hohem Wahrheitsgehalt anstelle von Verkündungs-, Manipulations- und Erziehungsjournalismus.
Im letzten Herbst (2015) konnte man fast den Eindruck gewinnen, Medien verhalten sich wie Erfüllungsgehilfen einsamer politischer Entscheidungen der Kanzlerin anstatt diese kritisch zu hinterfragen. Als leninsche Transmissionsriemen sollten sich Redaktionen zu schade sein.
Gehe ich zu hart ins Gericht?
Ein Blick in politisch extrem einseitige Zeitungen manifestiert, was ich meine: taz, Berliner Zeitung, Neues Deutschland und Der Freitag oder Focus. Aber: Gottlob gibt es sie noch, die Journalisten, die sich um Leser neugierig machende, gute Zeitungen bemühen wie die FAZ, SZ, Der Tagesspiegel oder die TA.
Warum binden Tageszeitungen Bürger eigentlich nicht in ihren journalistischen Alltag und ihre professionelle Recherchearbeit ein? Das würde manchen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen.
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