Die Finanzkrise auf schwäbisch (Friedhof der Wörter)
Erklär mir mal die Krise!, fordern die Bürger. Selbst der Präsident der Bürger fordert von der Kanzlerin: Erklär uns die Krise!
Dabei gibt die Kanzlerin unentwegt Erklärungen ab, spricht kurz vor Sonnenaufgang – nach zehnstündiger Sitzung – noch in die Mikrofone. Als sie einmal doch lieber ins Hotelbett hüpfte, statt eine Pressekonferenz zu geben, verdarb ihr der italienische Regierungschef den Tag; er sprach munter, aber berechnend falsch, von seinem Erfolg und beherrschte damit die Frühnachrichten.
Jedes Wort hat seine Zeit. Die Kanzlerin darf nicht einfach losplappern, sie muss jeden Satz genau wägen, so wie es ein Konzernchef tun muss, der seinen Quartalsbericht für die Börse erläutert. Ein falsches Wort zu falscher Zeit, ein etwas zu langes Zögern – und schon werden die Händler an den Börsen noch nervöser, als sie schon von Natur aus sind.
Jenseits von EU- und Pressekonferenzen sind die Mächtigen lockerer, spielen schon mal mit den Wörtern. „Ich formuliere es mal auf schwäbische Art“, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble, als er vor Managern in Erfurt sprach, frei zudem, ohne ins Manuskript zu schauen. „Schwäbische Art“, also die Sprache seiner Mutter, heißt: Legt bitte nicht alles auf die Goldwaage!
Die Welt ist gar nicht so kompliziert! Oder wie Schäuble meinte: „Manche drücken es so kompliziert aus, bis sie es selber nicht mehr verstehen.“
Ein Beispiel für Schäubles Schwäbische, mit einem elegant ironischen Unterton? „Gibt man den Mächtigen die Notenpresse, dann drucken sie das Geld – auch wir, wenn auch ein bisschen später als die Sozis.“
Nicht nur das Wort, auch der Ton macht die Rede. Das Schwäbische gefiel dem Erfurter Sparkassen-Chef Bauhaus so gut, dass er öffentlich leichtsinnig wurde: „Herr Schäuble, Sie gehören zu den Ministern, dem ich persönlich mein Portemonnaie geben würde.“ Persönlich sogar!
(aus: Thüringer Allgemeine vom 16. Juli 2012)
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