Die Unlogik der Sprache und die Untiefen der Wörter (Friedhof der Wörter)
„Ich bin ein Betriebswirt und kenne den Fachbegriff Unkosten nicht“, schreibt ein Leser verärgert, als er in seiner „Qualitätszeitung“ gelesen hatte: „In Unkosten stürzen sich Studenten für die eigentlich teure Technik.“
Nur weil umgangssprachlich dieser betriebswirtschaftlich unsinnige Begriff genutzt wird, muss der nicht in der Zeitung stehen. Was kommt als nächstes?
Ich schlag gern bei Goethe nach, wie er mit den Wörtern hantierte. Er schrieb in seinen frühen Tagebüchern:
Es fiel mir dabei die königliche Grille Ludwigs des Großen ein, der so viel Unkosten verschwendete, um eine Wüste zum Paradies umzuschaffen.
Offenbar sind die „Unkosten“ keine Liederlichkeit unserer Tage. Die Brüder Grimm listen in ihrem Wörterbuch die „Unkosten“ schon in Rechnungen aus dem 14. Jahrhundert auf und in einer Mainzer Chronik aus dem 15. Jahrhundert.
Unsere Sprache ist eben bisweilen unlogisch und – vor allem bei Verneinungen – komplett verrückt: Die Schwester der „Unkosten“ ist die „Untiefe“: Sie kann Gegensätzliches bezeichnen, eine besonders seichte wie eine besonders tiefe Stelle im Meer.
Fürst Pückler, der Gartenkünstler aus der Lausitz, schrieb vor knapp zweihundert Jahren in einem Brief:
Wer die Flut nutzt, erreicht den Hafen des Glücks, und wer sie vorüberlässt, dessen ganze Lebensreise geht durch Untiefen und Elend.
Eigentlich bedeutet die Vorsilbe „un“ eine Verneinung: Eine Untiefe ist das Gegenteil der Tiefe; die Unkosten das Gegenteil von Kosten; die Unmenge das Gegenteil der Menge.
Aber „un“ kann auch bekräftigen – wie bei den Unkosten: Sie bezeichnen nichts Kostenloses, sondern besonders hohe oder nicht geplante Kosten. Es ist also ein Kreuz mit der Verneinung und der Sprache – aber dies schon seit einigen Jahrhunderten.
Thüringer Allgemeine, Kolumne „Friedhof der Wörter“ 26. August 2013
1 Kommentar
Diskutieren Sie mit uns den Artikel "Die Unlogik der Sprache und die Untiefen der Wörter (Friedhof der Wörter)"
Ähnliche Artikel zum Thema
- Die Unlogik der Sprache: Ist die Untiefe seicht oder tief? (Friedhof der Wörter)
- Beerdigen wir die „neuen Länder“: Sie bleiben nicht ewig jung (Friedhof der Wörter)
- Wenn die Sprache Zickzack läuft: „Geistlich“ oder „geistig“?
- Ein „dicker Fehler“ in der Zeitung oder: Müssen Journalisten die deutsche Sprache beherrschen? (Friedhof der Wörter)
- Als die Mühle noch Müle hieß (Friedhof der Wörter)
Der Hinweis auf die „Verstärkung“ ist gut! In dem Zusammenhang möchte ich noch auf die „Unmenge“ verweisen, deren Bedeutung wohl unstrittig ist.