Die verschwundenen Wörter: Der Buschklepper und der Schnatz (Friedhof der Wörter)
„Beziehentlich“ und „Füsillade“ sind zwei Wörter, die der Duden schon in aufnahm in seiner ersten Ausgabe vor 133 Jahren. Im neuen Duden beerdigt er sie – ebenso wie die Veteranen „vetterlich“ und „Dragonade“, die wir bereits in einem Blog verabschiedet hatten.
Um „beziehentlich“ ist es nicht schade. So schreiben Bürokraten: „beziehentlich des Urteils vom 1. Juli lege ich den Termin der Hinrichtung …“ Wir nennen Wörter wie „beziehentlich“ gerne „Papierdeutsch“ – ein treffender Begriff: So spricht kein Mensch, so schreibt nur ein Beamter, von staatswegen, auf Papier.
Das Verschwinden der „Füsillade“ ist eine Folge unserer Verfassung, in der die Todesstrafe verboten ist – für alle Zeiten. Die letzte Hinrichtung durch Erschießung fand in Deutschland vor 32 Jahren in Leipzig statt, als der Stasi-Hauptmann Werner Teske durch einen Genickschuss hingerichtet wurde.
Die Tat, also die Hinrichtung durch Erschießen, gibt es nicht mehr; das Wort verschwindet mit der Tat. Andere Wörter verschwinden aus dem Duden, weil es die Dinge nicht mehr gibt – wie die Diskkamera oder den „Schnatz“.
Der Schnatz ist geflochtenes Haar mit einem Krönchen, wie es in Hessen die Bräute und Brautjungfern trugen. In einem alten Buch von 1757 lesen wir:
Die Braut saß auf einem mit Tannenzweigen ausgeschmückten Wagen, sang und spann; um sie saßen etwa sechs Brautmädchen und sangen mit – alle im Schnatze, das ist: bloßköpfig mit Band und Rosmarien geziert, auch zween geflochtenen Haarzöpfen.“
Der goldene Schnatz taucht auch in den Harry-Potter-Romanen auf, zumindest in der deutschen Übersetzung: Ein kleiner Ball mit silbernen Flügeln. Aber auch die Potter-Romane haben den Schnatz nicht im Duden halten können: beerdigt!
Die meisten anderen Wörter, die der Duden beerdigt, rühren uns nicht: Adremieren und antedatieren, borgweise und halbschürig, Mistigkeit und Stickhusten, Telekrat und Traftenführer. Um den „Buschklepper“ trauere ich schon ein wenig: Ein schönes Spiel mit den Silben und Wörtern – das sich um einen Dieb dreht, der sich in den Büschen versteckt. Den wird es immer wieder geben – und sei es in der Politik.
Thüringer Allgemeine 5. August 2013
Diskutieren Sie mit uns den Artikel "Die verschwundenen Wörter: Der Buschklepper und der Schnatz (Friedhof der Wörter)"
Ähnliche Artikel zum Thema
- Zwei Wörter, die nach 133 Jahren aus dem Duden verschwinden (Friedhof der Wörter)
- Der Tod des Journalisten James Foley: Hinrichtung oder Mord? (Friedhof der Wörter)
- Der neue Duden: Rabaukin ist ein Vollpfosten (Friedhof der Wörter)
- In der Welt der neuen Wörter – Pinkifizierung: Es glitzert und stinkt (Friedhof der Wörter)
- Dialekt und Grammatik: Wie Frau in Wien einen Mann anmacht (Friedhof der Wörter)