Eine Todesanzeige zu Lebzeiten

Geschrieben am 20. August 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 20. August 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lokaljournalismus, Presserecht & Ethik, Recherche.

„Unsere liebe Steffi wurde heute viel zu früh aus ihrem jungen und erfüllten Leben gerissen“, so steht es in der Todesanzeige – und die Tote ist höchst lebendig! Das ist ein Albtraum für jede Zeitung und der SZ in München am vergangenen Donnerstag (16.8.2012) widerfahren. Die SZ berichtet auch darüber: „Stalker schaltet Todesanzeige – Steffi lebt“.

Der Fall, geschildert von Anna Günther und Ulrich Schäfer: „Ein Stalker bombardiert eine talentierte 17-jährige Tennisspielerin aus dem Münchner Vorort Ismaning mit Anrufen und Internetnachrichten. Jetzt hat er sogar eine falsche Todesanzeige geschaltet. Im Namen ihres Vaters. Die Polizei ermittelt.“

Wie ist der Stalker vorgegangen? Die SZ-Mitarbeiter schildern es genau:

  • Er hat sich mit einer Mail-Adresse gemeldet, die den Namen des Vaters trug;
  • er hat eine korrekte Adresse hinterlassen, eine Telefonnummer, eine Bankverbindung;
  • er hat, als die SZ-Anzeigenabteilung noch eine Nachfrage hatte, prompt per Mail geantwortet und um Verständnis gebeten, dass er sich nicht telefonisch melde, da die Trauer um die Tochter einfach zu groß sei;
  • er hat diese Mail mit dem Namen von Werner K. und seiner Frau gezeichnet; der Täter versuchte sogar, noch eine zweite Anzeige aufzugeben.

 

Dies liest sich wie eine Anleitung zur Nachahmung – sicher nicht so gemeint, sondern gut gemeint in dem Sinne: Wir verschweigen nichts, auch wenn es uns peinlich ist.

So recht ist dieser schwere Vorwurf in einem Online-Kommentar von „Ohsiris“ auch nicht von der Hand zu weisen:

Gute Arbeit liebe SZ!

Jetzt kann jeder Leser ohne Weiteres die wahre Identität von Stefanie K. bei Google finden, die Informationen über ihren Verein und ihre Sportart sind dazu mehr als ausreichend. War eine – ausreichende – Anonymisierung denn nicht möglich?

Dem Stalkingopfer wird nun von der SZ auch noch das letzte bisschen Privatsphäre geraubt. So hat der Stalker auf ganzer Linie Erfolg gehabt; dank Ihrer Beihilfe!

(zu: Handbuch-Kapitel 50 Presserecht)

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