FAZ-Leser wählen Unwort des Jahres: Migrationshintergrund (Friedhof der Wörter)
Am 15. Januar erfahren wir, welches Wort die Jury zum „Unwort des Jahres“ gewählt hat. Rund fünftausend Leser der „Frankfurter Allgemeine“ haben schon abgestimmt, ein Drittel hat „Migrationshintergrund“ abgewählt: Diskriminierend, fast beleidigend, zutiefst rassistisch – so lauteten einige der Begründungen.
Das Wort war schon im Dezember 2007 in dieser Friedhofs-Kolumne beerdigt worden, damals noch in der Braunschweiger Zeitung. Es ist vor allem eins: überflüssig und unscharf.
Was sind das für Menschen, die Menschen mit Migrationshintergrund? Ist es der Flüchtling aus Syrien? Der Auswanderer von der Wolga? Die Gastarbeiterin aus dem Baskenland? Die Asylantin aus Bangladesh? Die Vertriebene aus dem Memelland? Der Wanderarbeiter aus Kleinpolen? Die Einwanderin aus Anatolien mit türkischem Namen und deutschem Pass?
Jedes dieser Wörter verweist auf eine eindeutige Eigenschaft wie Flüchtling oder Gastarbeiter; jedes dieser Wörter ist jedermann verständlich. Allenfalls Soziologen mögen einen Oberbegriff nützlich finden für Menschen auf Wanderschaft.
Doch selbst der Tübinger Professor Karl-Heinz Meier-Braun von der „Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen“ schrieb schon 2004: „Der Begriff Migration ist schillernd.“
In einem „Positionspapier“ – auch ein Kandidat für den „Friedhof“ – schreibt das „Forum Menschenrechte“: Die „zirkuläre Migration“ ist ein Begriff „der für sich genommen noch nicht viel aussagt und der sich wohl auch deswegen politisch einer gewissen Beliebtheit erfreut“; so kann er auch von Politikern als „Schlagwort“ verwendet werden.
Also lassen wir ihn schillern, überlassen die „Migration“ den Soziologen und nutzen klare Begriffe – ohne jeden Hintergrund.
Thüringer Allgemeine, geplant für 7. Januar 2013
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