Fotos bearbeiten: Wieviel Manipulation darf sein?

Geschrieben am 6. Juni 2013 von Paul-Josef Raue.

Wie stark darf man ein Foto digital bearbeiten? Wann wird die Wahrheit eines Bildes verfälscht? Nahezu jedes Jahr wird die Debatte geführt, wenn die besten journalistischen Bilder des Jahres gekürt werden, die Worldpress-Fotos – so auch in diesem Jahr über das Foto, das einen Trauerzug in Gaza zeigt.

Auch im Blog der Nachrichtenagentur AP ist die Fotobearbeitung ein Thema; in den internen Richtlinien von AP ist festgelegt, dass geringfügige Anpassungen in Photoshop erlaubt sind. Allerdings ist verboten: Nachträgliche Änderung von Belichtung, Kontrast, Farbwerten und -sättigung, die die Aufnahme entscheidend verändert.

Wie viel Manipulation darf sich eine Lokalredaktion erlauben, zumal viele Redakteure mit Photoshop arbeiten und im Volontariat die Technik gelernt haben. Die THÜRINGER ALLGEMEINE hat in der Wochenend-Beilage ein Interview mit ihren Fotografen Marco Kneise und Alexander Volkmann geführt über ethische Grenzen bei der Bildbearbeitung:

Den Möglichkeiten zur nachträglichen Bildbearbeitung in der Digitalfotografie sind ja kaum Grenzen gesetzt. Wie aber stelle ich sicher, dass die Fotos in meiner Zeitung authentisch sind?

Volkmann: Bei uns Fotografen der Thüringer Allgemeine gilt ein strenger Kodex, wonach Bildbearbeitung nur in dem Rahmen erlaubt ist, wie er auch in der Dunkelkammer hätte gemacht werden können.

Also beispielsweise die Farbstimmung verändern?

Kneise: Ja genau. Im Fotolabor können wir – anders als bei digitalen Fotos – an dem Negativbild ja keine Details mehr verändern. Möglich ist dort allenfalls Helligkeit, Kontraste oder Farbe über die Wahl von Belichtungszeiten, Fotopapier oder Entwicklungszeiten zu verändern. Auch das so genannte Abwedeln ist im Labor möglich und damit in der digitalen Bildbearbeitung erlaubt.

Was ist Abwedeln?

Kneise: Das bezeichnet eine moderate Veränderung der Kontrastumfänge in einzelnen Bildbereichen. Wenn eine Person im Schatten vor einer hellen Lichtquelle kaum zu sehen ist, kann ich diese Person auf dem Bild sichtbarer machen, wenn ich den Bereich im Labor nicht so stark belichte wie den Rest des Bildes. Das geht natürlich auch in der digitalen Nachbearbeitung am Computer.

Mehr Veränderung ist nicht erlaubt?

Volkmann: Wenn wir bei der Thüringer Allgemeine Veränderungen an den Bildern vornehmen, die darüber hinausgehen, müssen wir das als Fotomontage oder als nachbearbeitet kenntlich machen.

Als Manipulation bekannt geworden ist ja das Bild von der winkenden Bundeskanzlerin Angela Merkel, der die Schweißflecken unter den Achseln wegretuschiert wurden. Sollte so etwas nicht doch erlaubt werden?

Kneise: Nochmal, wenn man das Bild als bearbeitet kennzeichnet, geht das in Ordnung. Aber wo würde Manipulation anfangen und wo aufhören, wenn alle möglichen begründbaren Ausnahmen zugelassen wären. Das Bild mit Achselflecken ist nun einmal die Realität. Und der Wahrheit ist der Journalismus nun einmal verpflichtet.

Zeitungen werden von Agenturen beliefert. Wie kann man sicherstellen, dass die Bilder dort nicht zuvor bearbeitet wurden?

Volkmann: Zum einen gilt solch ein Kodex auch für jede seriöse Nachrichtenagentur. Manch internationale Agentur geht sogar so weit, die stellen nur die Rohdaten der Bilder ein. Ob die Kunden dann an der Farbe, der Helligkeit oder den Kontrasten ändern, liegt dann in deren Ermessen.

Und selbst haben Sie noch nie das Bedürfnis verspürt, etwas wegzuretuschieren?

Kneise: Nein. Manchmal schießt man ein tolles Bild aus der Situation heraus. Und dann läuft im Hintergrund jemand durch das Bild. Das ist dann ärgerlich. Aber nicht zu ändern.
Volkmann: Da denkt man nicht dran. Wenn solche Manipulationen nachträglich herauskommen würden, wären sie sofort Gesprächsthema auf allen Fotografenstammtischen.

So wie das Worldpress-Foto 2012. Das soll ja auch bearbeitet worden sein.

Kneise: Ist es auch. Die Farbe und die Kontraste vor allem. Aber das ist, wie gesagt, erlaubt. Ich denke, das Bild – es zeigt einen Trauerzug durch Gaza-Stadt – wird zu Unrecht kritisiert.

THÜRINGER ALLGEMEINE, 1. Juni 2013 (Thüringen Sonntag)

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