Ganz viel „Umfeld“: Journalisten und Gerüchte
„Weidmann hat Rücktritt erwogen“, titelt die FAZ in der Samstagausgabe (1.9.2012) und gibt als Quellen an: „Entsprechende Gerüchte wurden am Freitag im Umfeld der Bundesbank bestätigt.“
Die Quellenlage ist dünn: Umfeld der Bundesbank; dann folgen, alle im Konjunktiv, „die Bundesregierung“ und auch Weidmann, aber nicht als direkte Quelle, sondern als Zitat aus einem länger zurückliegenden Gespräch, das offenbar nicht veröffentlicht wurde.
Erst am Ende des langen Dreispalters kommen offizielle Quellen zu Wort: Der Sprecher der Bundesregierung sagt nichts („Sie müssen Herrn Weidmann dazu befragen“); die Bundesbank (wer?) kommentiert auch nichts.
Es bleibt rätselhaft: Das durch nichts als durch Gerüchte erhärtete „Erwägen“ des Bundesbank-Präsidenten, wird kommentiert als „Ungeschicklichkeit“ – wobei unklar bleibt, wer ungeschickt war. Im Kommentar wird dann endgültig das Gerücht zur Wahrheit („Gleichwohl ist verständlich, dass … Weidmann über einen Rücktritt nachgedacht hat“) und suggeriert, dass Weidmann die Quelle ist. So viel Raunen ist ungewöhnlich, zumal für eine überregionale Zeitung von Gewicht, aber nicht verwerflich.
Journalisten dürfen auch ein Gerücht an ihre Leser weiterreichen. Im Pressekodex, Ziffer 2, ist zu lesen: „Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.“
Doch gelten auch für das Verbreiten von Gerüchten Mindestanforderungen: Der, den die Gerüchte treffen, muss befragt werden; wenn er nichts antwortet, muss dies auch der Leser erfahren.
(zu: Handbuch-Kapitel 17 Die eigene Recherche)
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