Genetiv oder Genitiv? Peinlich? Witzig? (Friedhof der Wörter)
Barbara macht Urlaub im Thüringer Wald, liest den „Friedhof der Wörter“ und muss schmunzeln: „War der Genetiv eine Falle für den Leser?“
Hanni, man verzeihe die in Mails übliche Anrede, also Hanni hatte nach eigenem Bekunden nicht nur Freude an dem „Deppen-Apostroph“, sondern auch am „Genetiv“:
„Beim ersten Mal glaubte ich noch an einen Tippfehler. Als diese Schreibweise aber konsequent weiter beibehalten wurde, kam ich ins Zweifeln und sah in der einschlägigen Literatur nach. Nun, je nach persönlicher Einstellung kann man den Fehler peinlich oder sehr witzig finden. Ich finde es köstlich, daß ausgerechnet in einer detaillierten Abhandlung über die Schreibweise des ,Genitivs‘ (?) dieser Fehler unterlaufen ist!“
Was ist richtig? Genetiv, wie im vergangenen „Friedhof“ geschrieben, oder Genitiv, wie die beiden Leserinnen und einige andere versichern?
Der Duden lässt beide Schreibweisen zu, entscheidet sich aber fürs „i“ im „Genitiv“ und bezeichnet den „Genetiv“ als veraltet. Müssen wir dem Duden folgen?
Nicht immer! Aber immer wenn es keinen Grund für eine Abweichung gibt – wie beim Genitiv, der vom lateinischen Wort „casus genitivus“ abgeleitet ist.
Es bleibt rätselhaft, wann und warum aus dem alten „Genetiv“ der moderne „Genitiv“ entstanden ist – oder ob beide Schreibweisen lange nebeneinander existierten. Zu Luthers Zeiten und den Jahrhunderten danach gab es keine allgemein verbindlichen Regeln; man schrieb so, wie man sprach und meinte, verstanden zu werden.
Im ersten Duden von 1880, der eine Mark kostete, stehen beide Wörter noch gleichrangig: Genetiv und Genitiv. Konrad Duden, Direktor des Königlichen Gymnasiums zu Hersfeld, schreibt im Vorwort, die Regeln sollten Deutschland einen, sprachlich zumindest.
„Überdies sind wir der Meinung, daß es durchaus nicht die Absicht war, für alle Fälle und für alle Zeiten endgültige Bestimmungen zu treffen.“
(TA, 17. September 2012)
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Ich, Jahrgang 1946, und meine Geschwister (geb. 1940 und 1938) haben den Genetiv (in Österreich) gelernt.
Meines Wissens heisst auch erwähnter Casus casus genetivus.
So diese Seite überhaupt noch gewartet wird, ich bin an sprachlichen Diskussionen sehr interessiert.
Wir haben unseren Deutschlehrer Ende der 80er Jahre davon überzeugen können, dass es Genitiv heißen muss und nicht Genetiv. Er wollte das zunächst nicht glauben und kam dann in der nächsten Stunde mit der Information, beide Schreibweisen wären erlaubt (in Bayern war das).