Hat ein Toter mit seinem Namen noch Persönlichkeitsrechte? Zur Debatte um den Namen des Kopiloten
Verbietet der Pressekodex die Namens-Nennung des Kopiloten? Ja und nein. Wie bisweilen auch bei den Grundrechten muss man zwischen zwei sich widersprechenden Regeln abwägen: Welche wiegt schwerer?
Annette Baumkreuz hat in ihrem Blog die Gründe aufgelistet, die nach Artikel 8 des Pressekodex für oder gegen eine Namensnennung sprechen:
Zwei Gründe sprechen dafür:
>Die Intensität des Tatverdachts, ausgesprochen durch den französischen Staatsanwalt, der auch den vollen Namen des Kopiloten nannte.
> Die Schwere der Vorwürfe: Der Staatsanwalt spricht von absichtlichem Mord.
Ob es Absicht allerdings war, ob der Mann krank war und schuldunfähig, das wird kein Richter mehr entscheiden; ein Selbstmörder entzieht sich dem irdischen Richter.
Die übrigen Gründe sprechen laut Baumkreuz gegen die Namensnennung:
> Der ungewisse Ausgang der weiteren Ermittlungen, zum Beispiel durch die Auswertung des Flugschreibers, so er gefunden werden sollte.
> Der fehlende Bekanntheitsgrad des Kopiloten sowie fehlende Vorstrafen.
> Der Kopilot hat nicht die Öffentlichkeit gesucht.
Ich halte die beiden ersten Punkte, die für eine Namensnennung sprechen, eher stärker als die Punkte, die dagegen sprechen, zumal ein Mann, der 150 Menschen in den Tod stürzt, die öffentliche Wirkung nicht verdrängt haben dürfte.
Um Persönlichkeitsrechte geht es nicht: Sie kann ein Toter nicht mehr geltend machen. Das „postmortale Persönlichkeitsrecht“ bezieht sich nicht auf den Namen, sondern auf künstlerische Urheberschaft und Verunglimpfung, gegen die Angehörige klagen dürfen. Eine andere Frage ist die Frage der Moral:
> Kann man den Angehörigen des Kopiloten die Namensnennung zumuten?
> Hilft es den Angehörigen der Opfer, wenn sie möglichst genau erfahren, warum ihre Angehörigen oder Freunde gestorben sind?
Und juristisch?
Zur Nennung des Piloten-Namens wird die Rechtsanwalt-Kanzlei Nesselhauf tätig: Sie warnt in einem Schreiben an Redaktionen vor den Folgen der Namensnennung – wohlgemerkt: beim Piloten, der zu den Opfern des Attentats gehört.
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Zuerst einmal Danke, dass Sie sich meine Interpretation mit dem Pressekodex angeschaut haben, nachdem ich mich in Ihre Diskussion mit Michael Klein auf Twitter eingeklinkt hatte: https://twitter.com/pjraue/status/582071703049773056
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> Ob es Absicht allerdings war, ob der Mann krank war und schuldunfähig, das wird kein Richter mehr entscheiden; ein Selbstmörder entzieht sich dem irdischen Richter.
Ein Richter wird das in diesem Fall nicht mehr entscheiden. Die Zwischen- und Abschlussberichte der ermittelnden Behörden werden aber mit Sicherheit darauf Bezug nehmen.
Bereits die neueste Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Düsseldorf von heute geht darauf ein:
http://www.sta-duesseldorf.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitt/index.php
„Der Co-Pilot war vor mehreren Jahren – vor Erlangung des Pilotenscheines – über einen längeren Zeitraum mit vermerkter Suizidalität in psychotherapeutischer Behandlung. Im Folgezeitraum und bis zuletzt haben weitere Besuche bei Fachärzten für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie mit entsprechenden Krankschreibungen stattgefunden, ohne dass dabei allerdings Suizidalität oder Fremdaggressivität attestiert worden ist.“
Eine abschließende Aussage ist dies jedoch noch nicht, es handelt sich, um eine [Zitat] „vorläufige – Bewertung[en]“.
Zudem stellt der Oberstaatsanwalt Herrenbrück fest: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Staatsanwaltschaft nicht an Spekulationen zur Motivlage des verstorbenen Co-Piloten beteiligen will und kann. Die Ermittlungsbehörden haben sich allein an Fakten zu halten.“
Vor diesem Hintergrund ist es meiner Meinung angebracht, die weiteren Ermittlungen abzuwarten und auf eine identifizierende Berichterstattung zunächst zu verzichten.
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> Um Persönlichkeitsrechte geht es nicht: Sie kann ein Toter nicht mehr geltend machen. Das “postmortale Persönlichkeitsrecht” bezieht sich nicht auf den Namen, sondern auf künstlerische Urheberschaft und Verunglimpfung, gegen die Angehörige klagen dürfen.
Dazu RA Stephan Dirks am 27.03.2015:
https://plus.google.com/+StephanDirksRechtsanwalt/posts/idJYpnf2TMy
„Nein, es ist nicht zulässig, Profilfotos Verstorbener von SocialMedia Profilen zusammenzuklauben, um diese in Zeitungen abzudrucken. Es ist unzulässig, den Namen eines (vermeintlichen) 149-fachen Mörders zu nennen, so lange hieran noch vernünftige Zweifel (und die können auch theoretischer Natur sein) bestehen.Diese Zweifel können im Übrigen ja nicht nur an dem bekannten Sachverhalt bestehen. Auch eine vorliegend wohl gar nicht so unwahrscheinliche psychische Krankheit eines (vermeintlichen) Täters macht den gerade nicht vogelfrei sondern im Gegenteil: ihn und seine Familie besonders schützenswert.“
RA Niklas Plutte stimmt diesen Äußerungen am selben Tag zu:
https://de-de.facebook.com/ra.plutte/posts/646152625514958
„Der Kollege Stephan Dirks hat zusammengefasst, wie in der aktuellen Presse (postmortale) Persönlichkeitsrechte verletzt werden.“
Ich bin kein Jurist, aber ich glaube, dass es bei der Aussage von Herrn Dirks sich nicht nur um das Namensrecht dreht, sondern auch um die Tatsache, dass der Name nicht im Zusammenhang eines Ermittlungsverfahrens genannt werden darf, bei der die Person als Verdächtiger gilt.
Ich müsste es zur Klärung an Anwälte übergeben, die sich damit auskennen. Aber so wie es aussieht, befassen sie sich bereits damit.
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Was bleibt? Eine laufende Ermittlung. Ein Tatverdächtiger. Ein ungeheurer Tatvorwurf.
Juristische und moralische Fragen. Ich kann sie Ihnen nicht alle beantworten.
Wenn ich das auf http://www.thueringer-allgemeine.de richtig sehe, haben Sie sich dazu entschlossen, den vollen Namen von Andreas L. zu nennen und ihn als Täter zu bezeichnen („Doch aus dem Opfer Andreas […] ist der Täter Andreas […] geworden“). Gleichzeitig verpixeln Sie Bilder, die ihn zeigen.
Es ist Ihre Entscheidung.
[…] Update vom 30.03.2015: Die aktuelle Diskussion um den #Pressekodex ist nicht nur eine ethische Debatte, es ist auch eine juristische… http://www.journalismus-handbuch.de/hat-ein-toter-mit-seinem-namen-noch-persoenlichkeitsrechte-zur-d… […]
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