„Herr Schirrmacher, worüber regen Sie sich auf?“
Es gehört zum Plan eines Interviews, dass der Interviewer fragt und der Gast antwortet. Ein FAZ-Herausgeber wechselt die Seiten, wird gefragt, worüber er sich aufrege – und antwortet mit einer Frage: „Das ist die erste Frage? Überraschend.“
Überraschend ist: Eine Frage als Antwort. Der Journalist, der sonst die Fragen stellt, kommt aus seiner Rolle nicht heraus. Er akzeptiert den Seitenwechsel nicht: Katrin Göring-Eckhardt, Grüne und Bundestags-Vizepräsidentin, stellt im Zeit-Interview die Fragen, zwei Journalisten antworten (neben Schirrmacher der Zeit-Chefredakteur di Lorenzo).
Zudem: Die Antwort bleibt auch in der autorisierten Fassung stehen. Es ist kaum anzunehmen, dass die Politikerin die vorläufige Druckfassung des Interviews geschrieben hat; da wird ein Redakteur geschrieben und der Chefredakteur die Regie geführt haben.
Und: Was meint Katrin Göring-Eckardt, wenn sie auf Schirrmachers Frage hin feststellt: „Das war der Plan.“ War so die Absprache? Und selbst wenn es so ist: Warum steht es so in der autorisierten Fassung? Und warum wird das Spiel dem Leser nicht näher erklärt?
Aber: Trotz (oder gerade wegen) des überraschenden Einstiegs lohnt die Lektüre des drei Seiten langen Interviews „Am Medienpranger“ (Die aktuelle Zeit 15 vom 24. Mai 2012, Dossier).
(zu: Handbuch-Kapitel 26 „Das Interview“)
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