Ice-Bucket-Challenge: Darf sich ein Redakteur von einem Politiker im Wahlkampf einladen lassen?

Geschrieben am 14. September 2014 von Paul-Josef Raue.

Wahlkampf in Thüringen. 16.000 Zuschauer im Erfurter Stadion warten auf den Anpfiff des Ost-Derbys gegen Dresden in der Dritten Liga. Am Rande des Rasens steht Bodo Ramelow, Spitzenkandidat der Linken, mit einem roten „Linken“-T-Shirt; rechts und links von ihm stehen auf zwei Hockern Rot-Weiß-Balljungen mit Eiskübel. Ein künftiger Ministerpräsident, möglicherweise, schüttet sich nicht selber Eiswasser über den Kopf.

Wir sind bei der Eiswasser-Wette, dem Ice Buckett Challenge, in den USA erfunden, um Geld für die kaum erforschte Nervenkrankheit ALS zu besorgen. Wer nicht Eiswasser über seinen Kopf kippt, zahlt hundert Dollar; Bill Gates hat sich beteiligt, Mark Zuckerberg und Bild-Chefredakteur Kai Diekmann (der einen „gewissen Christian Wulff“ und seine Frau nominiert haben soll). Nicht reagiert haben Joachim Löw, Angela Merkel und Wladimir Putin.

Auch das gehört eben zum Ritual der Wette: Bodo Ramelow nennt drei Menschen, die seinem Vorbild folgen sollen. Darunter ist sein „spezieller Freund“, der Chefredakteur der Thüringer Allgemeine, gegen den er im Wahlkampf unzählige Tweets, Retweets, eine Unterlassungserklärung verfasst hat und reichlich Missfallens-Bekundungen erlassen.

Soll ein Chefredakteur (oder auch jeder andere Redakteur) über dies Stöckchen im Wahlkampf springen? Wird er dann nicht Teil des Wahlkampfs? Macht er sich nicht lächerlich vor seiner Leserschaft einer seriösen Zeitung? Oder ist er einfach ein Spielverderber? Einer, der alles zu ernst nimmt?

„Kann er nicht digital“, twittert einer, als meine Antwort nicht rechtzeitig kommt. Man muss, nach den Regeln, innerhalb von 24 Stunden eiskübeln. Meine Antwort an Ramelow:

Sie können mich nicht einladen: ich bin Journalist, kein Wahlkämpfer. Ich kämpfe weder für sie, noch für andere.

Ramelow ist indigniert und grummelt, ich hätte das Ganze nicht verstanden und sollte mal Wikipedia lesen. Meine Antwort:

Wiki lesen: „Ein Internet-Phänomen, von vielen ausgenutzt, sich selbst in Szene zu setzen.“

Übrigens: Die Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis lehnte auch ab: „Ich spende lieber still und leise.“

Hanns Joachim Friedrichs sprach den legendärer Satz, im Handbuch auf Seite 176 zu finden:

Einen guten Journalist erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.

Den beiden schließe ich mich an, ebenso:

Mittlerweile schwappt die Eiskübel-Welle weiter, ohne dass noch großartig auf diesen ernsten Hintergrund hingewiesen wird. Bei der aktuellen Flut an Eiswasser in sozialen Netzwerken bekommt man den Eindruck, es werde nur noch Wasser geschüttet, um sich ins Gespräch zu bringen. […] So wird aus einer Idee, die eine ernste Angelegenheit humorvoll verpackt, ein verwässertes Internet-Phänomen, das von vielen letzten Endes nur ausgenutzt wird, um sich selbst in Szene setzen.

Tanja Morschhäuser: Verwässertes Internet-Meme. Frankfurter Rundschau, abgerufen am 23. August 2014.

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