„In heißer Liebe gebraten“ – Johann Sebastian Bach und seine kraftvolle Sprache (Friedhof der Wörter zu Ostern)

Geschrieben am 20. April 2014 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 20. April 2014 von Paul-Josef Raue in Friedhof der Wörter.

„Der Würger kann uns nicht berühren“, lässt Johann Sebastian Bach im Schlusschoral singen seiner Kantate zum dritten Ostertag. Ja, zu Bachs unfriedlichen Zeiten vor dreihundert Jahren hatten die Menschen noch einen dritten Feiertag: Warum können wir uns den nicht mehr leisten?

Also noch einmal – Johann Sebastian Bach und seine Sprache voller Kraft: Selten ist sie so hörbar wie in den Oster-Kantaten. Auferstehung und Friedens-Sehnsucht spornten Bach an und seine Dichter, deren Texte er vertonte. Eine Auswahl:

> „In heißer Liebe gebraten“
> „Das Blut zeichnet unsere Tür“
> „Der Würger kann uns nicht mehr schaden“
> „Das Gewand blutrot bespritzt“
> „Der Mittler hat dein Schuldenbuch verglichen und zerrissen“
> „Das Trauern, das Fürchten, das ängstliche Zagen“

In heißer Lieb lässt Bach das Osterlamm braten, in einem – zugegeben – leicht schiefen Sprachbild. Zu hören ist der „Braten“ in Bachs wahrscheinlich erster Kantate „Christ lag in Todesbanden“, aufgeführt vor 304 Jahren in Mühlhausen.
Diese Wendungen, der Kampf zwischen Teufel und Gott, erinnern an die Sprachgewalt Luthers, dem vor allem die kurzen, kräftigen Wörter gefielen. Die ein- und zweisilbigen Wörter sind in unserer Sprache die Wörter unserer stärksten Gefühle: Wenn in Bachs Osterkantaten von Tod und Herz und Wonne gesungen wird, beschleunigt sich der Takt; beim Würger auch.

Bach steht in der Tradition der süßen Herz- und Schmerz-Reime des Barocks, vergleichbar den Schlagern unserer und jeder Zeit. Der Musikwissenschaftler Alfred Dürr jedoch kommentiert Bachs älteste Osterkantate: „Er erhebt sich dichterisch über die Dutzendware der Modeerzeugnisse des 18. Jahrhunderts.“

Bei aller Todessehnsucht, die Bach auch an Ostern nicht verlässt, schöpft er Lebensmut in seiner Kantate – versehen mit gleich drei Ausrufezeichen: „Tritt an den neuen Lebenslauf! Auf! Von den toten Werken!“

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Thüringer Allgemeine, Kolumne „Friedhof der Wörter“, 22. April 2014

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