Jauchs Mängel-Liste: Diese neun Fehler sollte jeder Journalist im Interview vermeiden
Günther Jauchs Sendung am Sonntagabend, die am 1. Advent ausläuft, „ist eher eine Show als ein politischer Talk – eine beunruhigende Entwicklung für ein öffentlich-rechtliches Format!“, kritisierte der ARD Programmbeirat schon 2012. Diese Mängel-Liste kann sich auch jeder Zeitungs- und Magazin-Interviewer zu Herzen nehmen. Das sollte jeder Profi, gleich in welchem Medium, vermeiden:
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Er hakt selten nach,
-
er setzt sich teilweise über die Antworten seiner Gäste hinweg,
-
er vertritt eine klar erkennbare eigene Meinung,
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er folgt strikt seinem vorgefertigten Konzept,
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er hakt eine Frage nach der anderen ab,
-
er schürt mit seinen Suggestivfragen teilweise Politikverdrossenheit und kommt damit der Verpflichtung zur journalistischen Sorgfalt nicht nach,
-
er nimmt in den Fragen zumeist auch die Antworten vorweg,
-
er geht einer ihm nicht genehmen Gesprächsentwicklung und Konfliktsituationen aus dem Weg, in dem er die andiskutierte Gesprächsschiene nicht weiter verfolgt.
-
Die Diskussion verläuft selten ergebnisoffen, schon die Titel der Sendungen enthalten oft eine polarisierende These.
Positiv sollte man werten:
- Er fällt durch seine größtenteils einfach formulierten Fragen auf, so dass auch verschiedene Zielgruppen erreicht werden können,
- er polarisiert.
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Quelle: Bülent Ürük in Kress-Online 27. November 2015
2 Kommentare
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Lieber Herr Raue,
was erwartete denn der an Jauch herummäkelnde „ARD-Programmbeirat schon 2012“, wenn diese Öffentlich-Rechtliche Anstalt sich auch dessen eigene Produktionsgesellschaft anmietet? Mehr bissigen Talk als Show? Sie werden in Ihrem Berufsleben ähnlich wie ich viele Interviews „geführt“ haben und wissen daher, dass unsereins dabei stets unter Zeitdruck steht, wenn es denn „aktuell“ sein und am nächsten Tag im Blatt veröffentlicht werden soll. Drei/vier Fragen, ein wenig „knallhart“ nachhaken, mehr geht in der Regel nicht. Dann ist etwa bei hochrangigen weitschweifig formulierenden Politikern erst recht im Ministerrang ob landes- oder bundespolitisch bei Kaffee und Kuchen die Zeit bereits abgelaufen. Dann wird das Interview „abgetippt“ und von der jeweils zuständigen Presse-Abteilung „gegengelesen und korrigiert“. Es kann also dauern, bis ein solches frühmorgendliches Interview „autorisiert“ ist. Die von Ihnen benannten „neun Fehler“ aus der Jauch-Mängelliste, die jeder Journalist im Interview vermeiden sollte, wende ich nun einmal in pragmatische Praxis.
1. Er hakt selten nach (Er hakt bei jedem Interview-Gegenüber selte nicht hartnäckig nach?)
2. Er setzt sich teilweise über die Antworten seiner Gäste hinweg (Hm, „teilweise“? Oftmals
nicht?)
3. Er vetritt eine klar erkennbare eigene Meinung (Nur wenn man die hat, kann man gut fregen)
4. Er folgt strikt seinem vorgefertigten Konzept (Ohne Konzept gerät die Talkrunde chaotisch.
Es ist ja nicht nur sein Konzept. Hinter ihm steht ein von ihm bezahltes Spezialistenteam.)
5. Er hakt eine Frage nach der anderen ab (Was denn sonst, wenn die zum Thema passen?)
6. Er schürt mit seinen Suggestivfragen teilweise Politikverdrossenheit und kommt damit der
Verpflichtung zur journalistischen Sorgfalt nicht nach (Wiederum: „teilweise“, wie
identifizieren Sie „Suggestivfragen“?, wie „Politikverdrossenheit“? und wie in einer
politisierenden Talkshow „journalistische Sorgfalt“ ?)
7. Er nimmt in den Fragen zumeist auch die Antworten vorweg („zumeist“: Auf sog.
rhethorische Fragen zu reagieren aktiviert nicht selten die Diskussionskultur guter
soueveräner Talk-Gäste)
8. Er geht einer ihm nicht genehmen Gesprächsentwicklung und Konfliktsituationen aus dem
Weg, in dem er die andisktutierte Gesprächsschiene nicht weiter verfolgt (Talkmaster ist
ein Befrager und kein Mitdiskutierer. Er muss als Moderator jederzeit Herr des
Verfahrens sein und kann allenfalls befördern, dass die geladenen Gäste mit Blick auf die
Sendezeit-Uhr sich untereinader beharken.)
9. Die Diskussion verläuft selten ergebnisoffen, schon die Titel der Sendungen enthalten oft
eine polarisierende These (Einem studierten Philosophen, mit sogenannten Sokratischen
Dialogen Vertrautem, muss man nicht erklären, dass Diskussionen über polarisierende
Themen nur selten nicht ergebnisoffen enden.)
Sie geben als Quelle den Kollegen Bürent Ürük an, dessen kritische Medien-Beobachtung ich schätze. Dessen letztendlich positive Bewertung des Jauch-Talk-Formats: „Er fällt durch seine größtenteils einfach formulierten Fragen auf, so dass auch verschiedene Zielgruppen erreicht werden können“ – und:“ er polarisiert“, konterkariert sämtliche angeführten „Argumente“, aus denen Sie praxisferne Empfehlungen für interviewende Journalisten ableiten. Das Thema „jetzt mal Mikro aus“, kommt leider gar nicht vor.
ieber Herr Raue,
was erwartete denn der an Jauch herummäkelnde „ARD-Programmbeirat schon 2012“, wenn diese Öffentlich-Rechtliche Anstalt sich auch dessen eigene Produktionsgesellschaft anmietet? Mehr bissigen Talk als Show? Sie werden in Ihrem Berufsleben ähnlich wie ich viele Interviews „geführt“ haben und wissen daher, dass unsereins dabei stets unter Zeitdruck steht, wenn es denn „aktuell“ sein und am nächsten Tag im Blatt veröffentlicht werden soll. Drei/vier Fragen, ein wenig „knallhart“ nachhaken, mehr geht in der Regel nicht. Dann ist etwa bei hochrangigen weitschweifig formulierenden Politikern erst recht im Ministerrang ob landes- oder bundespolitisch bei Kaffee und Kuchen die Zeit bereits abgelaufen. Dann wird das Interview „abgetippt“ und von der jeweils zuständigen Presse-Abteilung „gegengelesen und korrigiert“. Es kann also dauern, bis ein solches frühmorgendliches Interview „autorisiert“ ist. Die von Ihnen benannten „neun Fehler“ aus der Jauch-Mängelliste, die jeder Journalist im Interview vermeiden sollte, wende ich nun einmal in pragmatische Praxis.
1. Er hakt selten nach (Er hakt bei jedem Interview-Gegenüber selte nicht hartnäckig nach?)
2. Er setzt sich teilweise über die Antworten seiner Gäste hinweg (Hm, „teilweise“? Oftmals
nicht?)
3. Er vetritt eine klar erkennbare eigene Meinung (Nur wenn man die hat, kann man gut fregen)
4. Er folgt strikt seinem vorgefertigten Konzept (Ohne Konzept gerät die Talkrunde chaotisch.
Es ist ja nicht nur sein Konzept. Hinter ihm steht ein von ihm bezahltes Spezialistenteam.)
5. Er hakt eine Frage nach der anderen ab (Was denn sonst, wenn die zum Thema passen?)
6. Er schürt mit seinen Suggestivfragen teilweise Politikverdrossenheit und kommt damit der
Verpflichtung zur journalistischen Sorgfalt nicht nach (Wiederum: „teilweise“, wie
identifizieren Sie „Suggestivfragen“?, wie „Politikverdrossenheit“? und wie in einer
politisierenden Talkshow „journalistische Sorgfalt“ ?)
7. Er nimmt in den Fragen zumeist auch die Antworten vorweg („zumeist“: Auf sog.
rhethorische Fragen zu reagieren aktiviert nicht selten die Diskussionskultur guter
soueveräner Talk-Gäste)
8. Er geht einer ihm nicht genehmen Gesprächsentwicklung und Konfliktsituationen aus dem
Weg, in dem er die andisktutierte Gesprächsschiene nicht weiter verfolgt (Talkmaster ist
ein Befrager und kein Mitdiskutierer. Er muss als Moderator jederzeit Herr des
Verfahrens sein und kann allenfalls befördern, dass die geladenen Gäste mit Blick auf die
Sendezeit-Uhr sich untereinader beharken.)
9. Die Diskussion verläuft selten ergebnisoffen, schon die Titel der Sendungen enthalten oft
eine polarisierende These (Einem studierten Philosophen, mit sogenannten Sokratischen
Dialogen Vertrautem, muss man nicht erklären, dass Diskussionen über polarisierende
Themen nur selten nicht ergebnisoffen enden.)
Sie geben als Quelle den Kollegen Bürent Ürük an, dessen kritische Medien-Beobachtung ich schätze. Dessen letztendlich positive Bewertung des Jauch-Talk-Formats: „Er fällt durch seine größtenteils einfach formulierten Fragen auf, so dass auch verschiedene Zielgruppen erreicht werden können“ – und:“ er polarisiert“, konterkariert sämtliche angeführten „Argumente“, aus denen Sie praxisferne Empfehlungen für interviewende Journalisten ableiten. Das Thema „jetzt mal Mikro aus“, kommt leider gar nicht vor.