Je suis Charlie – Vor 81 Jahren zerstörten Nazis den Simplicissimus (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 10. Januar 2015 von Paul-Josef Raue.

„Das ist simpel“, sagen wir und meinen: Eine Aufgabe ist einfach, ist unkompliziert. Das Wort haben wir dem Lateinischen „simplex“ entlehnt.

Berühmt machte Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen den Simplicius, einen einfachen Mann, der im dreißigjährigen Krieg Gewalt erlebte, Folter und Mord. Vor gut 350 Jahren erschien der Roman „Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch“, der zur Weltliteratur zählt.

Das lateinische Wort machte Karriere in der deutschen Literatur: Den Simplicissimus, den Einfältigen, wählten Journalisten 1896 zum Titel ihres Satire-Magazins, das alte Motto des Grimmelshausen aufnehmend: „Es hat mir so wollen behagen, mit Lachen die Wahrheit zu sagen.“

Es wurde Deutschlands berühmtestes und bestes Satire-Magazin, laut Tucholsky das „A und O der politischen deutschen Satire“, vergleichbar dem „Charlie“ in Paris. Tucholsky erhob das Magazin zum Maßstab für gute Satire: „Vorbildlich in der Form, rücksichtslos im Inhalt“. Was ist der ideale Satiriker: „Er schlägt, und die Getroffenen stehen nicht wieder auf. Er lacht, und der Blamierte kann sich in den Erdboden verkriechen.“

Die Gewalt, die „Charlie“ am Mittwoch erlitt, erfuhr der Berliner Simplicissimus in der Nacht zum 11. März 1933. Die SA zerstörte erst die Redaktions-Räume und dann die Pressefreiheit in Deutschland; einige Redakteure flohen oder tauchten unter.

Die Nazis zwangen die Eigentümer der Zeitschrift, das Magazin „in streng nationalem Geiste“ zu führen. Klaus Mann, einer der Söhne von Thomas Mann, schämte sich im Exil für die Journalisten und nannte ihre Arbeiten „degoutante Gesinnungslumpereien“.

Wir haben aus der deutschen Geschichte gelernt: Wir zerstören nie wieder die Freiheit der Presse, auch wenn wir uns ärgern, empören und uns in den Erdboden verkriechen wollen. Wir sagen – auch mit Lachen – die Wahrheit.

Und so bekennt auch der Kolumnist des „Friedhofs der Wörter“: Je suis Charlie – ich bin Charlie.

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Thüringer Allgemeine, Kolumne „Friedhof der Wörter“ 12. Januar 2015

1 Kommentar

  • Eine Erinnerung, die sehr gut und notwendig ist.
    Anton Sahlender, Sprecher der Vereinigung der Medien-Ombudsleute (www.vdmo.de)

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