Journalismus nach Trump: Meidet Pressekonferenzen und recherchiert, recherchiert!
Die Verachtung kritischer Medien, die US-Präsident Trump zeigt, sollte Journalisten nicht beunruhigen, sondern ermutigen – als Chance für einen Journalismus, der im Auftrag der Bürger die Mächtigen kontrolliert. Dieser Sechs-Punkte-Plan befördert einen Journalismus, der wirklich professionell und souverän agiert – in der Demokratie und für die Demokratie:
- Wahre Distanz zu den Mächtigen, in Politik, Wirtschaft und Verbänden, ohne dabei den Respekt zu verlieren! Bleibe fair in der Suche nach der Wahrheit!
- Schreibe verständlich und meide den üblichen Polit-Jargon! Trump gewann die Wahlen auch, weil er die Sprache der einfachen Menschen sprach. Die Sprache dürfen Journalisten nicht Demagogen und Polit-Profis überlassen.
- Lasst keine Lügen und Verschwörungen zu: Recherchiert, wer ein Interesse an ihrer Verbreitung hat! Entlarvt sie!
- Recherchiert! Recherchiert! Recherchiert!
- Bietet den Lesern und Zuschauern Lösungen an und überwältigt sie nicht mit unendlich vielen Problemen!
- Ordnet die Welt durch Analysen! Sortiert all das aus, was unwichtig für die Menschen ist! Konzentriert Euch auf das, was die Stadt, das Land und die Welt zusammenhält!
Auch nach der Drohung des US-Präsidenten, Journalisten von Verlautbarungen und Pressekonferenzen auszuschließen, sollten wir auch bei uns prüfen: Brauchen wir die PR und die PK von Regierungen und Funktionären wirklich – ob in Berlin oder den Ländern, im Rathaus oder Landkreis?
Was passiert, wenn beispielsweise ein Lokalchef nicht mehr zur Pressekonferenz des Bürgermeisters oder Sparkassen-Direktors geht? Der Bürgermeister wird sich beim Verleger und Geschäftsführer beschweren und mit Liebesentzug drohen. Sonst passiert nichts – außer dass weiße Flächen im Blatt anders gefüllt werden müssen etwa durch Recherchen und Analysen, was die Verlautbarungen für den Bürger bedeuten, wie sie in sein Leben und seinen Alltag eingreifen. Wir würden weniger auf die Bühne der Macht schauen, sondern mehr in die Kulissen der Macht.
„Keine gute Geschichte kommt aus einer Pressekonferenz“, sagte Lydia Polgreen, die Chefredakteurin der „Huffington Post“ in einer Debatte über den US-Journalismus in Trump-Zeiten. Und Steve Adler, der Reuters Chefredakteur, erinnert seine verunsicherten Redakteure, was die Agentur groß und bedeutend gemacht hat: Keine offiziellen Bekanntmachungen, die sind nicht wichtig, sondern gute Quellen.
Ziel des kontrollierenden Journalismus ist nicht, hinter jeder Fichte einen Skandal zu wittern. Es geht nicht um Affären-Geilheit, sondern um die einfache Kontrolle, zu der unsere Verfassung den Journalisten so viel Freiheit gibt.
Wenn Journalisten ihrer eigentlichen Aufgabe nachgehen, den Mächtigen auf die Finger zu schauen, tut dies auch den Politikern gut: Sie können sich nicht mehr hinter Journalisten verstecken, die ihre Sprache sprechen und ihrer Dramaturgie folgen, sondern müssen so handeln und sprechen, dass sie von den Bürgern wirklich verstanden und akzeptiert werden. Kontrolle mit Respekt hilft allen: Den Journalisten als Kontrolleuren, den Politikern als Kontrollierten und dem Volk, in dessen Auftrag wir kontrollieren.
Und wenn Verleger und Geschäftsführer, vielleicht auch der Chefredakteur, beim Liebeswerben oder Drohen des Bürgermeisters einknicken? Dann könne der Lokalchef Matthias Döpfner zitieren, den Präsidenten des Verlegerverbandes:
„Es gibt bei den Medien zu viel Nähe zu jenen, über die man eigentlich kritisch berichten müsste, zu viel Rücksicht auf die Wünsche, an Interviews solange zu arbeiten bis genau das Gegenteil von dem übrig bleibt, was einer gesagt hat. Zu viele Hintergrundgespräche, bei denen alles gesagt wird, aber man davon dann nur zehn Prozent schreiben darf.“
Und Döpfner ist sich sicher, dass die Leser das spüren und bei ihnen den Eindruck nährt: „Die stecken mit den Politikern unter einer Decke.“
Die ausführliche JOURNALISMUS!-Kolumne zum Thema bei Kress: