Journalisten als Literaten: Dirk Kochs Irland-Geschichten
Dirk Koch war über ein Vierteljahrhundert erst Bonner, dann Brüsseler Büroleiter des Spiegel, kaufte sich von seinem guten Gehalt ein Haus auf den Klippen in Irland und schreibt heute – ohne Pseudonym – die Geschichten von der Insel des Monds: „Murt“.
Murt ist Harrys Großvater, ein alter Mann voller Geschichten, Rum und mit viel zu viel Energie, um schon sterben zu wollen. Dirk Koch schreibt die Geschichten auf, die er gehört hat, wenn er mit seinen irischen Nachbarn auf die Jagd oder zum Fischen ging, aber vor allem wenn er nächtelang mit ihnen getrunken hat.
„Insel des Mondes“, hätten die Römer schon gesagt, hätten Angst gehabt, hätten sich nicht getraut, die Iren anzugreifen. „Insel des Mondes“, das ist die Insel des Todes, sagt Murt, der Kopf ruckt hoch.
Kochs irische Erzählungen lesen sich wie eine harte Fortsetzung von Bölls Irischem Tagebuch, nur wilder, unromantisch, karg wie der Felsen nahe Murts Haus. Nur einmal zog die Romantik in Murts Leben ein, als er auf der Sonntagsinsel war, nicht aufs Schiff zurückging und das Paradies und die Liebe erlebte.
„Putiputi“, sagt er, „war ihr Name; heißt viele Blumen in Maori“. Murt erzählt, dass er viele Tage wie im Paradies gelebt habe und dass der Vater des Mädchens ihm das Wurfmesser geschenkt habe. Murt klopft mit flacher Hand an die dunkle Lederscheide an seinem Gürtel.
Das war die Liebe. Seine Frau, Harrys Großmutter, habe er nicht geliebt. Beim zweiten Kind ist sie gestorben, und das Kind auch.
Das Sterben habe lange gedauert, redet der Großvater leise auch in den Himmel hoch. Ertrinken sei besser, das gehe schneller. Den Tod solle Harry nicht fürchten.
„Wenn Du da bist, ist er nicht da. Wenn er da ist, bist Du nicht da“. Das habe ihm ein Russe gesagt, in Cork im Hafen.
(Lesenswert! Meine Empfehlung nach der Lektüre der ersten 100 von 327 Seiten / Leseprobe: Hier)
Dirk Koch. Murt – Die Geschichten von der Insel des Mondes. BoD (Books on Demand), Norderstedt 2012, 17.95 €
(zu: Handbuch Anhang Service A. Literatur, neu: Journalisten als Literaten)
Diskutieren Sie mit uns den Artikel "Journalisten als Literaten: Dirk Kochs Irland-Geschichten"
Ähnliche Artikel zum Thema
- Dirk Koch, Ex-Chef des Bonner „Spiegel“-Büros, erzählt vom harten Leben in Irland: Ein Roman so wild wie das Meer
- Wortschöpfer: Löffelfertig, ticktacken und mähmähen
- Tante Lisa und das „Wulffen“ (Friedhof der Wörter)
- Sind viele Journalisten behäbig? Nein, sagt Julia Jäkel, nur ein bisschen routiniert
- Chefredakteure auf der Insel: „Nur Lokaljournalismus wird uns die Zukunft sichern“