Kopflose Enthauptung oder – Zwei Fallen bei Sprachbildern: Schief oder überladen (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 8. Juni 2014 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 8. Juni 2014 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Was wäre unsere Sprache ohne Bilder? Aber Vorsicht! Es gibt zwei Fallen, mindestens, in die wir stolpern können:

Erstens: Falsche oder unlogische oder schiefe Bilder.

> Brigitte Pothmer brachte in der Mindestlohn-Debatte des Bundestags einen toten Gaul zum Laufen: „Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich auf ein totes Pferd einrede. Dass dieser Gaul jetzt doch in Trab kommt, halte ich für einen extremen gesellschaftlichen Fortschritt.“

> Eine Zeitung schrieb in der CDU-Spendenaffäre 2000: „Die ohnehin kopflose CDU ist durch Schäubles Rücktritt zusätzlich enthauptet.“

> Und eine Nachrichtenagentur meldete zum Ärzte-Streik: „Ärzten rennen mit geschlossenen Praxen offene Türen bei Patienten ein.

Zweitens: Zu viele Bilder, so dass der Leser nicht weiß, welcher Film in seinem Kopf laufen soll. Der Journalist Robert Domes schreibt in seinem Krimi „Voralpenphönix“:

„Was erzählte der Vater von früher, und was erzählte er nicht. Oli hatte das Gefühl, als wäre da ein dunkler Fleck, eine faule Stelle im Apfel, ein Riss im Vorhang.“

Drei Bilder legen sich übereinander: Welches Bild soll er in seinem Kopf malen? Eine Jacke mit Fleck? Einen Apfel? Einen Vorhang?

Drei Bilder für ein- und dieselbe Sache verwirren den Leser. Also – nicht der Leser muss sich für das trefflichste Bild entscheiden, sondern der Autor.

Trefflich ist dieses Bild, mit dem Thomas Mann in die Frühzeit unserer Kultur führt: „Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen.“ So beginnen seine Josephs-Romane.

Tröstlich für uns, die wir alle keine Dichter sind, ist der folgende Satz in Manns Roman, den hoffentlich jede Deutschlehrerin und jeder Journalist verwerfen würde:

„Dies nämlich dann sogar und vielleicht eben dann, wenn nur und allein…“ Wir lesen eine banale, ja sinnlose Reihung von zwölf Wörtern, die meisten Adverbien, als Neben- und Beiwörter, die für sich ohne Bedeutung bleiben. Auch Nobelpreisträger können nach einem glänzend formulierten Satz gleich abstürzen – wie (naja, wem fällt dazu das treffende Bild ein).

Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter, 10. Juni 2014

Alexander Marinos hat auf Facebook kommentiert:

Lufthansa zieht die Notbremse oder Porsche im Sinkflug …

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