Kritik von Journalisten an Journalisten: Stromlinienförmig, populistisch, unkritisch, unverständlich
Im Bemühen um Lesernähe übernehmen Journalisten gern nicht nur die Perspektive, sondern auch die Meinung des Normalverbrauchers. Damit betätigt man sich als Meinungsverstärker, bleibt aber Erklärungen und Einordnungen des Geschehens schuldig.
So antwortet ein Redakteur auf eine Umfrage des Ernst-Schneider-Preises: Wie schätzen Sie die Lage des Wirtschaftsjournalismus ein? 179 Journalisten antworteten. Eine Auswahl veröffentlicht die „Deutsche-Industrie- und Handelskammern (DIHK)“ in ihrem Medienbrief.
Stromlinienförmig (Kritik, die sich mit Pegida deckt):
- Journalisten produzieren, aus unterschiedlichen Gründen, zunehmend Einheitsbrei, der vornehmlich der Erzeugung von Aufmerksamkeit und von Empörung dient.“
- Der Trend ist der Zeit geschuldet: Zu wenig Hintergrund, zu sehr Social-Media-kompatible Plattheiten und Allgemeinplätze; viel zu wenig Fachwissen vieler Kollegen, die von ihren Redaktionsleitern und Geschäftsführern nur auf Klicks und Schnelligkeit getrimmt werden.
Zu unkritisch
- Zu wenig kritische Reflexion des Handelns der Verantwortlichen.
- Vor allem im Fernsehen – auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern – wird verkürzt und einseitig berichtet.
- Versuchen Sie mal eine Reportage in einem Unternehmen zu machen und Sie werden auf Betonwände stoßen, wenn Sie einen auch nur annähernd kritischen Ansatz haben.
- Personalisierung ersetzt Sachrecherche, Einzelschicksale werden übergewichtet.
Unverständlich
- Es wird immer noch zu kompliziert berichtet, gerade wenn es um komplexe Themen wie TTIP geht.
Auch unter Journalisten gibt es „Hackordnungen“. Edelfedern in Politik- und Ökonomienähe empfinden sich als besser informiert und aufgeklärt als Lokaljournalisten, die sich oftmals über Pressestellen von Ministerien brav durchfragen müssen. Die Lesefrüchte für die Zeitungsleser sind in beiden Fällen selten genießbar. Das dringliche Thema ist von Raue leider mal wieder arg weit gestellt, obwohl es ein zentrales Thema von Pressefreiheit nur zart und auf eigene Weise populistisch tangiert. Als Redakteur bin ich mit meiner Nachfragerei zu brisanten Themen oftmals daran gescheitert, dass sich Firmen letztendlich auf das Geschäftsgeheimnis beriefen und Ministerien erklärten, es sei bei speziellen Entscheidungen noch alles im Fluss. Bitte später nachfragen…Viel gerühmter investigativer Journalismus verliert sich oftmals in Andeutungen und Stromlinienfförmigkeit. Muss denn das Volk wirklich alles wissen und will es etwa bei Aktionärsversammlungen wirklich aufgeklärt sein? Zu berücksichtigen ist, dass in diesem Zusammenhang neugierige Journalisten und Pressestellen-Journalisten meist gegeneinander arbeiten. Letztere autorisieren und entschärfen manches kritisch geführte Interview mit einem Politiker oder Firmenchef. Ich meine aber zu sehen, dass die Szenerie offener geworden ist.