Kulturbanausen beim Krisenfrühstück (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 19. Oktober 2014 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 19. Oktober 2014 von Paul-Josef Raue in D 11 Verständliche Wörter, Friedhof der Wörter.

Was ist ein Krisenfrühstück? Wenn das Ei am Sonnabend statt der gewünschten drei Minuten steinhart gekocht  ist; wenn der Prosecco am Sonntagmorgen aus der Dose eingeschenkt wird statt  aus der Flasche-.

Und was ist ein Krisenfrühstück, wenn sich Putin und Merkel treffen? Ist dann der Espresso zu kalt? Oder sind die Brötchen zu labbrig? Nein, dann ist nicht das Frühstück die Krise, sondern die Krise das Thema beim Frühstück. 

Zusammengesetzte Hauptwörter sind eine Spezialität der deutschen Sprache: Wir können nach Herzenslust neue Wörter bilden – und tun es unentwegt. Doch Regeln unterliegt die Zusammensetzung nicht, wie gesagt: Sie geschieht nach Herzenslust.

Der Holunderbeersaft ist aus Holunderbeeren, aber der Hustensaft nicht aus Husten.  Die Feuerwehr bekämpft das  Feuer – und die Bundeswehr?

Ein Wortgeselle des Krisenfrühstücks ist das Arbeitsessen (drei zusammengesetzte Hauptwörter!): Ist das Essen die Arbeit? Oder arbeitet man beim Essen? Was wir auch immer darunter verstehen: Es ist ein Kulturbruch!

Jahrtausendelang hat der Mensch gegessen, um zu arbeiten. Als es ihm besser ging und er Kultur erschuf, hat er auch gegessen, um sich des Lebens zu erfreuen und mit netten Menschen zu plaudern. Platon  sprach beim „Symposion“, dem Gastmahl, mit Freunden über die Götter und die Welt. Christus feierte seinen Abschied mit seinen Freunden beim Abendmahl.   

Und wir Kulturbanausen erfinden das Krisenfrühstück und das steuerlich begünstigte Arbeitsessen. 

1 Kommentar

Diskutieren Sie mit uns den Artikel "Kulturbanausen beim Krisenfrühstück (Friedhof der Wörter)"