Leseranwälte und Ombudsleute vereinigt Euch!
Noch ein Verein? Die Vereinigung der Medien-Ombudsleute? Nein, kein Verein, sondern der lose Zusammenschluss von knapp zehn Ombudsleuten bei deutschen Tageszeitungen, die Klagen von Lesern über die Redaktion aufgreifen.
Anton Sahlender, der Leseranwalt der Mainpost (Würzburg), rief im Februar erstmals die Ombudsleute zusammen; am Montag (21. Mai 2012) hatte sie der Deutsche Presserat nach Berlin eingeladen.
Zu Recht wies Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Presserats, auf den ungeklärten Status der Ombudsleute hin: Welchen Status haben sie überhaupt in ihren Redaktionen? Welche Sanktionen können sie verhängen?
Anton Sahlender, auch stellvertretender Chefredakteur der Mainpost, nutzt eine Kolumne, die einmal in der Woche erscheint – also die Macht der Wörter als schärfste Waffe. Schon einige hundert Kolumnen sind erscheint, viele davon stehen im Netz.
Einige seiner Themen:
- Zitate von Nazi-Größen sind in kritischer Auseinandersetzung mit der Geschichte gerechtfertigt
- Ich empfehle, das Amt eines Bürgermeisters so zu würdigen, als wollten Sie es selbst übernehmen
- Wenn Schreibfehler Zweifel an der Seriosität des Journalismus aufkommen lassen
In seiner Kolumne nach dem ersten Ombudsleute-Treffen schrieb Anton Sahlender unter anderem:
Die Medien-Selbstkontrolle ist zur Wahrung der Unabhängigkeit notwendig. Die ginge verloren, würden etwa staatliche Stellen Medien kontrollieren. Um ihrer Freiheit willen drängt es sich auf, dass die Kontrolle aus Verlagen und Medienhäusern selbst kommt. Eine bessere Alternative ist nicht sichtbar.
Folglich gibt es als Beschwerdestelle für Leser von Printmedien den Deutschen Presserat, getragen von den Bundesverbänden der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, dazu von den Journalistenverbänden.
Aber es existiert eine weitere, weltweit verbreitete Selbstkontrolle. Es sind fast 100 Presse-Ombudsleute einzelner Medien. Zu ihnen zähle auch ich in meiner Rolle als Leseranwalt. Viele Jahre war ich bundesweit der Einzige. Aber in den letzten Jahren habe ich Kolleginnen und Kollegen in anderen Medienhäusern bekommen – gegenwärtig noch acht.
Sie sind Anwälte der Leserschaft, damit auch der Pressefreiheit. Sie achten auf Einhaltung gesetzlicher und berufsethischer Standards. Sie fördern die Diskussion über Leistungen und Fehlleistungen in den Redaktionen und machen diese den Lesern transparent, ebenso wie Grundlagen journalistischer Arbeit.
Studien aus den USA zeigen, dass sich Ombudsleute positiv auf Glaubwürdigkeit und Qualität der Zeitung auswirken. Oder – so schrieb Brent Cunningham vom Columbia Journalism Review – „sie helfen, die Presse für Durchschnittsleser zu demystifizieren“.
Anton Sahlender bekam 2006 den 2. Preis beim Deutschen-Lokaljournalistenpreis mit der Begründung:
Der Leseranwalt erhebt nicht den Anspruch, die letzte Instanz zu sein. Er ist Anwalt und kein Richter. Er vertritt die Interessen der Leser gegen die Redaktion, er ist Anwalt seiner Kollegen, wenn sie zu Unrecht kritisiert werden. Er erklärt und gibt Einblicke in die Werkstätten journalistischen Arbeitens. Der Leseranwalt ist ein ehrlicher Makler zwischen Lesern und Redaktion.
Lutz Tillmanns sieht keine Konkurrenz zwischen Presserat und Ombudsleuten, eher Gemeinsamkeiten: Achtung ethischer Regeln und Forderung nach journalistischer Qualität. Tillmanns weiter: „Sollte die Arbeit von Ombudsleuten zu weniger Beschwerden beim Presserat führen, würde das mittelfristig sogar zu einer kostenrelevanten Reduzierung des Aufwandes beim Presserat führen.“
(zu: Handbuch-Kapitel 48-50 „Presserecht und Ethik“ und Kapitel 41 „Das Foto“ (Ombudsmann der Sacramento Bee, Seite 248f.)