Ombudsfrau und –mann als Antwort auf den Lügenpresse-Vorwurf

Geschrieben am 16. August 2016 von Paul-Josef Raue.
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Ombudsleute deutscher Regionalzeitungen beim Treffen in Plettenberg beim Süderländer Tageblatt. Foto: Florian Ahlers

Nur gerade mal ein Dutzend deutscher Zeitungen hat Ombudsleute etabliert und sind dem Vorbild der Ombuds-Pioniere von Volksstimme in Magdeburg und Berliner Zeitung gefolgt; noch weniger folgen dem US-Vorbild des Leser-Ombudsmanns, der konsequent und unabhängig auf die direkte Kritik der Leser an der Redaktion reagiert.

„Wir haben doch den Presserat!“, argumentieren die meisten Chefredakteure, selbst die, die im Presserat nur Schatten sehen und nicht das Licht der Vernunft. Aber für meisten Leser ist der Presserat eine anonyme Stelle, einer Behörde gleich, die kein Gesicht hat. So wiederholt sich eine Diskussion, die vor Jahrzehnten schon einmal geführt worden ist – als es um den Bürgerbeauftragten in Rheinland-Pfalz ging, der den Bürger in Schutz nehmen soll gegen die immens wachsende Macht von Verwaltungen. „Menschliche Schicksale gerinnen zu einer Akte“, kritisierte Bundeskanzler Helmut Kohl und plädierte für den Ombudsmann, den der Staat selbst schickt, um seine Bürokraten zu zügeln.

Kohls Plädoyer liest sich wie ein Plädoyer für den Ombudsmann, der Redaktionen zügeln soll:

Wenn der Anonymität des Verwaltungsapparats entgegengewirkt werden soll, so ist hierfür am besten eine Persönlichkeit geeignet, die das Vertrauen der Bürger besitzt, an die sich der Bürger persönlich wenden kann und die im unmittelbaren Kontakt mit den zuständigen Verwaltungsstellen dem Bürger zu helfen vermag.

Dem Beispiel von Rheinland-Pfalz sind nur wenige Länder gefolgt, Schleswig-Holstein, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und seit einigen Monaten auch Baden-Württemberg, auch Kreise und Städte wie Kiel, Lübeck und Mannheim; für spezielle Fälle wird im Bund der Wehrbeauftragte gewählt oder in Hessen ein Ombudsmann für die Polizei. Gerade wenn Institutionen unter Druck geraten und das Vertrauen verlieren, berufen sie einen neutralen Ombudsmann: Versicherungen, Banken oder die Bahn.

Journalisten verlieren das Vertrauen wie die meisten großen Institutionen, dennoch tun sich Redaktionen schwer: Gerade mal ein Dutzend Zeitungen gehört zur Vereinigung der Medien-Ombudsleute (VDMO), von Anton Sahlender gegründet und zusammengehalten, dem Ombudsmann der Main-Post. Und nur eine Handvoll der Ombudsleute widmet sich der eigentlichen Aufgabe, Kritik an der Redaktion aufzunehmen; die anderen kümmern sich um die Sorgen der Leser mit Behörden und Institutionen und sind dem Bürgerbeauftragten vergleichbar.

Fünf unterschiedliche Formate von Ombudsfrau und Ombudsmann finden wir in Deutschland:

  1. Der Ombudsrat (Ein Redakteur und ein Neutraler von außen)
  2. Der klassische Zeitungs-Ombudsmann (der sich auf die Leser-Kritik an der Zeitung konzentriert – wie Anton Sahlender von der Main-Post)
  3. Ein Jurist als neutraler Ombudsmann
  4. Die Ratgeber-Ombudsfrau
  5. Das Leser-Sorgentelefon

Mehr in der Kress-Kolumne „Journalismus!“: http://kress.de/news/detail/beitrag/135695-ombudsleute-bei-deutschen-zeitungen-sagen-sie-es-uns-ins-gesicht.html

 

 

2 Kommentare

  • Gerade in Zeiten von Sozialen Medien können Leser doch mehr denn je direkt – und leider auch allzu häufig anonym und unsachlich – ihre Kritik an Redaktionen und Autoren übermitteln. Ich halte einen Ombudsmann daher für Quatsch – ja eventuell sogar eine völlig blödsinnige Eigenzensur der Medien. Denn da kommt mit sicherheit viel unberechtigte Kritik von Leuten, die diese Stelle/Person nur als Druckmittel auf Redaktionen und Autoren nutzen. Lokaljournalismus braucht – meiner Meinung nach – eine solche Institution nicht. Zumal der Ombudsmann nicht demokratisch von Lesern oder sonst wem gewählt wird. Reine Willkür und Augenwischerei. Sorry!

    • Ihre Argumente sind Argumente für Ombudsleute: Sie holen aus „unsachlicher“ Kritik die Sache, also das Unbehagen der Leser, heraus; sie vermindern so den Druck auf die Redaktion – und helfen Redaktionen, sich der Kritik zu stellen, indem sie darüber nachdenken, was sie schreiben und warum. Übrigens werden Redaktionen nicht gewählt; das gab es nur nach der Revolution in der DDR, als Redaktionen zwar nicht vom Volk gewählt wurden, aber Redaktionen ihre Chefs wählten.

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