Papst Franz? Oder: Wer macht Wörter? (Friedhof der Wörter)
Gott hat die Erde erschaffen, so steht es in der Bibel und so glauben es gläubige Menschen. Wer hat „Franziskus“ erschaffen, den Namen des neuen Papstes?
Er selber? Wohl kaum. Da er spanisch spricht, wird er sich „Francisco“ nennen und zu „San Francisco“ beten.
San Francisco heißt: Der heilige Franziskus. So nennen wir auch die Stadt in Kalifornien, denen Franziskaner-Mönche den Namen gaben.
Wir kommen nicht auf die Idee, San Francisco in San Franziskus umzubenennen, was der Papst-Logik entspräche: Man nehme Francisco und mache daraus einen Franziskus.
Doch der Kardinal, der als erster den Namen nannte, sprach lateinisch: „Franciscus“. Es ist eine deutsche Eigenart, vielleicht sogar Bescheidenheit, jedem fremden Wort hinterherzulaufen, wenn es nur offiziell klingt.
So verwandelten wir schon historisch schöne Namen: Aus Persien machten wir Iran, aus Ceylon Sri Lanka, aus Burma Myanmar. Andere Länder denken gar nicht daran, so dass wir für die Engländer immer noch Germanen sind und für Franzosen Alemannen, also Germany und Allemagne (wobei die Franzosen unsere „Alemannen“ auch noch falsch schreiben).
Die Spanien nennen den neuen Papst „Francisco“ , die Franzosen „Francois“ und die Engländer „Francis“. Aber wir nennen ihn nicht Franz, also „Papst Franz“, obwohl der Namensgeber ein Franz war: Franz von Assisi.
Ob wir schon einen himmlischen Franz haben, den einige „Fußballgott“ nennen – und deshalb den römischen lieber „Franziskus“ nennen wollen?
Wahrscheinlich ist die Erklärung, wie wir Wörter machen, einfacher: Es war spät am Abend, als der weiße Rauch aufstieg. Die Journalisten hatten wenig Zeit, sich über den Namen tiefe Gedanken zu machen. So nahmen sie den erst besten Namen, also den aus der kurzen Kardinals-Rede auf dem Balkon über dem Petersplatz.
So stand er am nächsten Morgen in allen Zeitungen. Und deshalb haben wir keinen Franz als Papst.
Thüringer Allgemeine, geplant für 18. März 2013
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