Rücktritt nach Redaktionsschluss: Wie es der „Spiegel“ machte

Geschrieben am 21. Februar 2012 von Paul-Josef Raue.

Ein Meisterstück präsentierte der „Spiegel“, der wegen des Rosenmontags schon am Samstag erschien: Als Wulff seinen Rücktritt erklärte, wurde die aktuelle Ausgabe schon gedruckt mit dem Titel „Der unvermeidliche Rücktritt“. Gleichwohl negert die Redaktion nicht, tut nicht so, als habe sie seinen Rücktritt erlebt (was ja gewaltig ins Auge gehen kann). Wer den glänzend geschriebenen Aufmacher liest, liest ihn mit dem Wissen des tatsächlichen Rücktritts; aber an keiner Stelle arbeitet die Redaktion unsauber, sie spricht nur von der Möglichkeit und Unvermeidlichkeit des Rücktritts. Eine Lehrstunde des Konjunktivs!

„Focus“ brachte auf dem Titel zwar auch etwas über Trennung und Abschied, aber nichts über Wulff: „Die 25 härtesten Scheidungstricks“.

Die Bundestags-Wochenzeitung „Das Parlament“ wurde vom Rücktritt offenbar kurz vor Redaktionsschluss überrascht. Sie brachte zwei Titelseiten: Die eigentliche zum Rücktritt „Bellevue sucht Nachmietert“; die dritte Seite zeigte die ursprünglich produzierte Titelseite zur EU: „Schluss mit den Zweifeln!“

 

 

2 Kommentare

  • Was ist bitte „negert“?
    http://www.duden.de/suchen/dudenonline/negert

    • „Negern“ gebrauchen manche Redaktionen für das Schreiben über ein Ereignis, das noch nicht stattgefunden hat. Das kann eine Rede sein, die es vorher als Manuskript gibt – die dann aber doch nicht gehalten wird, weil der Redner im Stau steckengeblieben ist. „Negern“ ist peinlich, weil die Leser die Redaktion bei einer Lüge ertappen; zudem verstösst es gegen den Pressekodex.
      Da Negern in 99 von 100 Fällen gut geht (die Rede wird doch gehalten), riskieren es Redaktionen immer wieder – aus Bequemlichkeit oder um zu kaschieren, dass man nicht aktuell sein kann (weil der Redaktionsschluss vor dem Ereignis lag).

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