„Sagen“ und der Wechsel im Ausdruck
Leser sind genervt, wenn sie unentwegt „sagen“ lesen, Redakteure finden in ihrer Not für „sagen“ meist unsaubere Synonyme. So kommentiert auch Alexander Marinos, Vize-Chefredakteur des Bonner Generalanzeiger, auf Facebook den „Friedhof“ gegen den Krampf, Wortwiederholungen zu vermeiden:
Dem ließe sich noch die Unsitte hinzufügen, nach dem ersten „er/sie sagte“ krampfhaft nach anderen redeeinleitenden Verben zu suchen, die nicht passen, die mehr, weniger oder etwas anderes bedeuten als „sagen“ (betonen, meinen etc.).
Meine Antwort:
Danke! Es ist eine Unsitte, zumal die meisten Synonyme für „sagen“ in der Tat wertend sind und in PR-Texte von Pressesprechern gehörten wie „unterstreichen“ und „behaupten“.
Allerdings nervt es, wenn in einer Nachricht mehrfach „sagen“ zu lesen ist. Nach Wolf Schneider gibt es nur fünf saubere Synonyme für „sagen“, die nicht wertend sind: mitteilen, ankündigen, fortfahren, ausführen, hinzufügen; dazu kommen fünf Verben, die ein Objekt oder eine „dass“-Fortsetzung verlangen: bezeichnen als, bemängeln dass, widersprechen, kritisieren, warnen vor.
Schneiders Vorschlag: Wer fünfmal „sagen“ nutzen will, nehme zuerst „sagen“, dann „mitteilen“, dann wieder „sagen“, dann „fortfahren“ und schließlich noch einmal „sagen“.
„Lächeln“ oder „schmunzeln“ sind für Schneider ungeeignet als Synonyme, da sie stumme Vorgänge sind. Doch kann ein Mensch sprechen und lächeln, so dass die Verschmelzung von „sagen“ und „lächeln“ möglich ist – im Gegensatz zu „grinsen“, dass herablassend ist.
Alexander Marinos:
Wie wäre es mit Formen der Redewiedergabe, die kein redeeinleitendes Verb benötigen: die berichtete Rede mit Redeeinleitung in Fernstellung zum Beispiel oder Zitate, die mit „x zufolge“ oder „wie x sagte“ eingeleitet werden. Bei letzteren erspart man dem Leser zudem den lästigen Konjunktiv. Ich behaupte, man kommt in einem langen Zitatenbericht mit einem, maximal zwei Formen von „sagen“ aus, wenn man die Redewiedergabeformen variiert.
Perfekt! Erweitern wir also die Schneidersche Regel: Nur einmal „sagen“, einmal „mitteilen“ oder „fortfahren“, zweimal „laut X“ oder „wie X sagte“ oder „X zufolge“. Dabei sollten wir so wenig Konjunktive gebrauchen wie möglich (und in der Tat meiden wir ihn bei den Vorschlägen von Marino).
Der Konjunktiv der indirekten Rede hat den Nachteil, dass er wie eine Distanzierung wirkt: Er hat es so ähnlich gesagt, aber ob es stimmt… So wird der Konjunktiv unbeabsichtigt zu einer Kommentierung.
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Ein interessantes Thema. Dass „meinen“ automatisch kommentierend sein muss, meine (!) ich allerdings nicht, nämlich dann nicht, wenn der Zitierte tatsächlich eine Meinung äußert. Die Freiheit, eine Meinung zu identifizieren und entsprechend zu kennzeichnen, sollten sich Journalisten schon nehmen dürfen. Das „laut“ als redeeinleitende Form ist meine Ansicht nach übrigens ehe ungeeignet: sperrig, wenig alltagssprachlich, typisches Agentursprech.
„Laut Merkels Antwort darf sich…“ – ja, das ist in der Tat sperrig. Aber noch sperriger ist der Konjunktiv. Sie haben Recht: So sprechen die Menschen nicht, aber in der Alltagssprache kommt auch der Konjunktiv selten vor, als indirekte Rede nie.
Ich gebrauche „laut“ gerne, wenn ich nicht wortgenau zitieren kann oder längere Passagen einer Rede zusammenfassen will. Nach dem knapp eingeschobenen „laut Merkel“ kann ich ein paar Sätze im Indikativ schreiben: Das ist lebendiger als eine lange indirekte Rede im Konjunktiv.
Die hier vorgeschlagenen Formeln „X zufolge“ oder „laut X“ haben einen Pferdefuß. Zumal im Radio wirken sie sehr hölzern – eben gar nicht der gesprochenen Sprache nahe, was Radiosprache aber sein muß und in Print-Texten sicher auch nicht verkehrt ist. Nach meiner Auffassung sollte der Stil stets eine erzählerische Anmutung haben. Im frei gesprochenen Wort variieren wir das „sagte“ im übrigen auch nicht. Und auch mein liebstes no-go kommt in der gesprochenen Sprache nicht vor (wohl aber in Print-Texten) nicht zu knapp: „…weiß XY“
Ich folge Ihnen gern, Herr Linke. „Laut“ im Radio geht nur in den Nachrichten. Aber da möchte ich es gerne auch in der Zeitung sehen – statt der indirekten Rede und dem Konjunktiv. In erzählendes Texten wirkt es komisch, in der Tat.
Ihr Plädoyer für unser schönes Wort „sagen“ übernehme ich auch gerne. „Sagen“ kann man ruhig mehrmals in einem Text nutzen. Sonst gebe ich gerne den Ratschlag von Wolf Schneider weiter: Lassen wir einen Politiker fünf Mal etwas sagen, dann schreiben wir beim ersten, dritten und fünften Mal „er sagt“, und beim zweiten und vierten Mal „führt er aus“ und „kündigt er an“; ersatzweise, aber minder gut, lassen wir ihn mitteilen, fortfahren und hinzufügen.