Schlecker-Pleite: „For you vor Ort“ (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 23. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.

Tragen vier einsilbige Wörter einen Teil der Schuld, warum der Drogerie-Supermarkt „Schlecker“ Pleite geht? Diese vier Wörter sind das neue Unternehmensmotto, vor einem Jahr getestet und für gut bewertet: „For you vor Ort“.

Ist dieser englisch-deutsche Zwitter ein törichtes Motto? Ein Anglizismus, der noch mehr zu verachten ist, weil er Deutsches und Englisches mischt?

Immerhin hat eine große Werbeagentur das Motto vielen vorgeführt; es hätte durchfallen können – und ist es nicht. „For you vor Ort“ nutzt zwei englische Wörter, die jeder versteht, ohne die englische Sprache zu sprechen.

Dies „For you“ ist ein Gruß, den nicht nur junge Leute gerne nutzen, wenn sie zu einem Menschen besonders freundlich sind: „Für Dich“ ist Liebe, „for you“ ist liebevoll, also ein Grad kühler im Ton. Liebevoll wollte sich „Schlecker“ zeigen, da sich der Konzern einen schlechten Ruf eingefangen hatte wegen des Umgang m it seinen Mitarbeitern.

„Vor Ort“ , die beiden deutschen Wörter, sind die schwächeren. Im Lexikon unbrauchbarer Wörter, im „Neuen Handbuch des Journalismus“, Kapitel 16  zu finden, steht:

„Vor Ort – Fachwort der Bergmannsprache, zum regierenden Modewort geworden statt:
1. ,an Ort und Stelle‘,
2. ,da‘ (Meyer war auch da),
3. gar nichts (,Der Minister war an der Unglücksstelle vor Ort‘).

Der halbe Anglizismus brachte einige deutsche Sprachpfleger in Rage, noch mehr aber eine Rechtfertigung des Schlecker-Pressesprechers: Wir wollen mit dem Motto Menschen auf „niedrigeren bis mittleren Bildungsniveau“ anziehen und nicht die fünf Prozent Akademiker, die über die Sprache nachdenken.

Es war wie beim Bundespräsidenten: Die Reaktion war schlimmer als die Aktion. (Thüringer Allgemeine, 23. Januar 2012;  Kultur-Kolumne „Friedhof der Wörter“)

 

(Zu: Handbuch-Kapitel 16 „Lexikon unbrauchbarer Wörter)

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