Sloterdijks Journalistenschelte in München: Sie brauchen einen Deutschkurs!
Der Philosoph Peter Sloterdijk bezeichnet sich ironisch als „linkskonservativ“. Als er im Münchener Literaturhaus las, erntete er rasch Beifall, als er sich in Medienkritik übte; so berichtet Michael Stallknecht in der Süddeutschen Zeitung. Sloterdijk weiter:
Ebenso dringend wie die Flüchtlinge brauchen die Journalisten einen Deutschkurs. Nichts haben sie gelesen von all den Büchern, die die aktuellen Umbrüche seit Langem voraussagen.
„Unverantwortliche Journalisten“ entdeckt Sloterdijk, weil sie die Migration von Milliarden Menschen ignorierten – „weil sie origineller sein wollen als die klügsten Köpfe dieses Landes.“
Quelle: SZ, 5. März 2016, Seite 17 „Deutschkurs“
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Der SZ-Bericht vom 5. März 2016 über Sloterdijks Lesung im Münchner Literarturhaus liegt mir leider gerade nicht vor. Weil es abwegig erscheint, dass dieser Philosoph binnen weniger Wochen während einer Reklametour für sein neues Suhrkampbuch die Meinung abrupt gedreht hat, beziehe ich mich auf ein Interview, das am 28. Januar in „Cicero“ veröffentlicht wurde. Ich nehme an, dass das von Paul-Josef Raue angeführte Zitat korrekt wiedergegeben wurde. Es ist nichts weiter als eine flabsige Behauptung, wenn Sloterdijk unterstellt, Journalisten würden keine Bücher lesen. Dies mag in dem einen oder anderen Fall zutreffen, aber analysierende Bücher über sich verschärfende Konflikte auf dieser kleinen Erdkugel haben außer Historikern, Wissenschaftlern und Kulturphilosophen auch Journalisten geschrieben. Alarmiert wird bereits seit Jahrzehnten auch durch die jeweiligen Geheimdienste, die wiederum von Journalisten und nicht von Philosophen kritisch analysiert werden. Von Sloterdijk selbst eingestanden ist der von ihm verwendete Begriff der „Phobokratie“ kein neuer. Der meint zugespitzt, dass jegliche Vergesellschaftung und Staatenbildung prinzipiell auch durch Angst und Furcht wie Abgrenzung gegenüber Anderen wie Migranten zusammen gehalten wird. „Publizistik“, also der „Medienapparat“, skandalisiere etwa terroristische Angriffe ohne „Aufklärungswert“. Sloterdijk im Cicero-Interview: „Hypothetisch könnte man den Terror mit der Schweigewaffe auslöschen, doch diese steht uns nicht zur Verfügung, weil wir das Recht auf den Aufschrei höher stellen als die Notwendigkeit, den Schrecken durch Nichtwahrnehmung zu ächten.Daher bleibt es bei der faktischen Zusammenarbeit zwischen den Attentätern und dem Nachrichtensystem. Unsere Medienwelt ist per se terror-affin, weil sie dem Primat der Sensation verpflichtet ist….Terror ist ein Genre der medialen Entertainmentindustrie.“ Abgesehen davon, dass AfD und Pegida genau anders herum „argumentieren“, weil sich die Lügenpresse“ soziale Konflikte durch massenhafte Einwanderung schön schreibe und sich der Einsicht in bestehende und mutmaßliche sozial-kulturelle Konfrontatioen entziehe, liegen die Einschätzungen dessen, was sich gerade in Deutschland so an „Re-Flexionen“ und nationalistischen „Refluxionen“ ereignet, zwischen Sloterdijk und Fremdenfeindlichen gar nicht so weit auseinander. Wahrscheinlich deshalb wird Sloterdijks Buch, ausgerechnet veröffentlicht im Suhrkamp-Verlag, wahrscheinlich ein Auflagenrenner werden. Allerdings rät der Philosoph im Cicero-Interview auch zur „Gelassenheit“, dies sei „die große moralische Aufgabe“. Ja wie nun? Krazt Sloterdijk hier die demokratische Kurve? Dessen Ausfälle gegen den Medien-Apparat“ sind derart heftig, dass sie auch durch seine fragwürdigen philosophischen und historischen Betrachtungen deutscher wie europäischer Vergesellschaftung insbesondere zur „Phobokratie“ durch den Rat zur „Gelassenheit“ nicht ausgewogen werden können. In jenem Cicero-Interview, in dem er übrigens von Kissler und Schwennicke klug ausgeforscht wurde, bezweifelt Sloterdijk , dass der „Islam“ wirklich „staatsfähig“ sei. Eine historisch betrachtet komplett ebenso unsinnige Behauptung wie die, das „Christentum“ sei wegen der von Jesus übermittelten Liebes-Lehre unfähig zur Bildung von Institutionen. Jedweder Religioni st auch Aufklärung inhärent. Sloterdijk bezeichnet im Cicero-Interview den Journalismus als „verwahrlost“. – „Die angestellten Meinungsäußerer werden für ihr Sich-Gehen-Lassen bezahlt, und sie nehmen den Job an.“ – An jeder Ecke steht ein semantischer Drogenhändler.“ Man kann, um in dessen Bilderrahmen zu bleiben, den Philosophen fragen, welchen Job denn er angenommen hat. Schiller abgewandelt: Wozu und zu welchem Zweck und Ende taugt Philosophie? Sloterdijk erinnert in Cicero zu Migranten an Stefan George: „Schon eure Zahl ist Frevel.“ – „Je mehr Flüchtlinge zu uns kommen, desto labiler wird Europa zur Freude seiner Rivalen.“ Dann hat der Experte für Erklärung von Weltgeschehen wohl noch nicht mitbekommen, dass auch an der US-Ostküste und sogar in Manhattan Spanisch mittlerweile die zweite Sprache ist. „Sloterdijk“, übrigens ein ähnlich typisch deutscher Nachname wie Maier, Mayer oder Müller, Kretschmer, Kretschmann, etc. empfiehlt ein “ Lob von Grenzen“, denn es gebe „schließlich keine moralische Pflicht zu Selbstzerstörung.“ Diese Mail ist deshalb noch länger als üblich ausgefallen, weil ich Zitate eines Philosophen allein aus einem „Cicero“-Interview herausgegriffen habe, das ich mit Sloterdijk genau so geführt hätte. Wenn unsereins interviewt, muss er genau wissen, wie das Gegenüber tickt und ihn nach einer Art von „sokratischem Dialog“ in der „Lügenpresse“ mit seinen Meinungen loslassen. Zwar plädiert Sloterdijk als „Linkskonservativer“, zu deren rechter Seite ich mich allerdings nicht zähle, halbwegs optimistisch für „zivilisierten Umgang“ mit Migration, aber ich vermute, dass er sich auf einer modischen Welle mal wieder interessant und bekannt machen will, ähnlich wie einst Sarrazin. Es ist ja zudem ein offenes Geheimnis, dass Journalisten mit Politikern, Philosophen, Juristen, Wirtschaftswissenschaftern etc insgeheime Händel miteinander austragen über die Interpretation dieser Welt und die Deutungshoheit. Wer wollte leugnen, dass es im Detail verdammt viele Probleme bei Migration und Integration gibt. Ich jedenfalls nicht. Meine Frau unterrichtet an der Berufsschule Bad Kissingen „Flüchtlingsklassen“ aus Syrien, Afghanisten, Eritrea etc. und paukt sich mehrmals im Jahr wochenlang in Kursen Grundzüge arabischer Schrift und Sprache ein. Falls ich beschließe, dass es mir die Auseinandersetzung wert ist, werde ich weiterhin was von Sloterdijk lesen. Er pflegt ja auch seine inspirierenden Seiten.