Tagesthemen-Kommentatorin Anja Reschke klagt: Flut von Hasskommentaren – mit Klarnamen
Wenn ich mich jetzt hier hinstelle und öffentlich sage: Ich finde, Deutschland soll auch Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen – was glauben Sie, was dann passiert? Es ist nur eine Meinung, die darf man äußern. Schön wäre also, wenn darüber sachlich diskutiert würde. Aber so würde es nicht laufen. Ich bekäme eine Flut von Hass-Kommentaren. ‚Scheiß Kanaken, wie viel wollen wir noch aufnehmen, sollen abhauen, soll man anzünden …‘, all sowas halt. Wie üblich.
Das kennen viele Journalisten: Sie haben eine klare Meinung zu brisanten Fragen, ob Ukraine oder Flüchtlinge, schon bahnt sich im Netz der Hass einen Weg nebst Verschwörung jeder Art. Anja Reschke, die auch „Panorama“ moderiert, entdeckt eine irritierende Veränderung. Die Menschenverächter zeigen ihr Gesicht.
Bis vor kurzem haben sich solche Kommentatoren noch hinter Pseudonymen versteckt. Aber mittlerweile wird sowas längst unter Klarnamen veröffentlicht. Anscheinend ist das nicht mal mehr peinlich. Im Gegenteil, auf Sätze wie ‚Drecks-Pack, soll im Meer ersaufen‘ bekommen sie ja auch noch begeisterten Zuspruch und eine Menge Likes. Wenn man bis dahin ein kleiner rassistischer Niemand war, fühlt man sich da natürlich plötzlich ganz toll…
Wenn die Rassisten schon ihren Namen nennen, wird es – so Anja Reschke – gefährlich. „So kann es nicht weitergehen“, kommentiert sie, verweist auf Staatsanwälte und Richter, die einen Facebook-Hetzer aus Bayern schon zu einer Geldstrafe verurteilt haben. Doch das reiche nicht:
Die Hass-Schreiber müssen kapieren, dass diese Gesellschaft das nicht toleriert. Wenn man also nicht der Meinung ist, dass alle Flüchtlinge Schmarotzer sind, die verjagt, verbrannt oder vergast werden sollten, dann sollte man das ganz deutlich kundtun. Dagegen halten, Mund aufmachen. Haltung zeigen, öffentlich an den Pranger stellen.. Ich glaube, es ist mal wieder Zeit.
Solch ein Kommentar wirkt schon: Viele reagieren im Netz, die meisten zustimmend.
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