Von Unzucht, dem Kuppel-Paragraphen und Kuppel-Problemen der Deutschen Bahn (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 11. August 2014 von Paul-Josef Raue.

Wer kann sich noch an Kuppel-Probleme erinnern? In den fünfziger und sechziger Jahren konnten solche Probleme einen Vermieter ins Gefängnis bringen: Wer einem unverheirateten Studenten-Paar ein Zimmer vermietete, leistete – so das Gesetz – der Unzucht Vorschub.  Wer duldete, dass eine unverheiratete Frau Herrenbesuch bekam – der konnte fünf Jahre ins Gefängnis gehen.

So sittenstreng und prüde war das Kaiserreich, in dem der Kuppel-Paragraph erfunden wurde, so sittenstreng und prüde blieb das Nachkriegs-Deutschland. Im Magazin Der Spiegel listete 1968 ein Oberlandesgerichtsrat beispielhaft auf, wer mit Zuchthaus, Entzug bürgerlicher Ehrenrechte und Polizeiaufsicht rechnen musste:

> Der Aufseher des Campingplatzes, der im Namen der Gemeinde bei unverheirateten Pärchen die Gebühr kassiert und sie „gewohnheitsmäßig“ im Zelt gewähren läßt. 

> Der Vater, der dem Sohn Geld und Auto für die Ferienfahrt mit der Freundin zur Verfügung stellt.

Ende der achtziger Jahre war Schluss mit der gesetzmäßigen Prüderie – und eigentlich hätten wir Kuppel-Probleme auf dem Friedhof der Wörter begraben können. Wenn da nicht die Deutsche Bahn wäre!

„Wegen Kuppel-Problemen verlassen Sie bitte den hinteren Zugteil und steigen in den vorderen um“, hörten am Donnerstag genervte ICE-Insassen auf dem Leipziger Bahnhof. Unzucht in Wagen 38? Nein, zwei ICE ließen sich nicht vereinen.

Wer im Internet stöbert, entdeckt einige Kuppel-Probleme der Bahn. Im Nordbayern-Blog wird von Fahrgästen  berichtet, die nach den Kuppel-Problemen ungastlich wurden, gar garstig:

Ein wenig galanter Jüngling und eine Dame vorgerückten Alters gerieten aneinander. Sie fordert ihn auf, sein „Fahrgestell“ einzufahren, weil er ja sicher nicht für zwei Plätze bezahlt habe. Der Jüngling erwidert trocken: „Gute Frau, ich habe ein Tages-Ticket, das gilt für bis zu zwei Erwachsene und vier Kinder.“

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Thüringer Allgemeine, Kolumne „Friedhof der Wörter“ 11. August 2014

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