Vorschlag aus Österreich: Redakteure sollen Chefredakteur abwählen können

Geschrieben am 15. Mai 2016 von Paul-Josef Raue.
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz (Foto ORF)

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz (Foto Thomas Ramstorfer, ORF)

Wir müssen einen großen Schritt weiter gehen, die Rechte der Redakteure zu stärken. Die Redakteure sollen etwa ein Jahr nach Dienstantritt neuerlich über diese Führungskraft abstimmen können. Wenn eine große qualifizierte Mehrheit diese Person auch nach dieser Zeit ablehnt, kann diese Person damit abgewählt werden. Das wäre dann ein bindendes Votum.

So antwortete Alexander Wrabetz (56), Generaldirektor des ORF, des österreichischen Rundfunks, in einem Interview mit Harald Fidler vom Standard. Wrabetz kann die bedeutenden Führungspositionen besetzen, seine Position entspricht der eines Intendanten in Deutschland. Wrabetz war Medien-Mann des Jahres, zur Zeit kämpft er um seine eigene Wiederwahl für eine dritte Amtszeit.

Hintergrund seines Vorschlags ist offenbar die Sorge, dass Politiker auch in Österreich – nach einem nicht unwahrscheinlichen Regierungswechsel – immer größeren Einfluss auf die staatlichen Sender nehmen können:

 Von Polen über Ungarn bis Kroatien folgen politischen Veränderungen sehr rasch tiefe Eingriffe in die Strukturen öffentlich-rechtlicher Sender. Daher ist es wichtig, Redakteursrechte ordentlich abzusichern. Wahrscheinlich bedeutet das einen Komfortverlust, und vielleicht bereue ich das auch einmal. Aber gerade in Zeiten, wo rundherum alles im Fluss ist, werden demokratische Legitimation und stärkere journalistische Unabhängigkeit noch wichtiger.

In Deutschland erlaubt ein Redaktions-Statut im staatlichen Rundfunkt sowie in einigen Zeitungen wie etwa taz, Südwest-Presse oder Mannheimer Morgen, dass ein Redaktions-Rat zumindest ein Veto gegen die Berufung eines Chefredakteurs oder eines Leitenden Redakteurs einlegen kann.

Noch radikaler wäre die Forderung, die Leser oder Zuschauer wählten den Chefredakteur. Sogar in den USA, wo das Volk selbst den Sheriff wählt, bestimmen die Leser nicht den Chefredakteur ihrer Lokalzeitung.

Quelle:

http://derstandard.at/2000036857098/ORF-General-Wrabetz-Redakteure-sollen-ihre-Chefs-abwaehlen-koennen?_articlePage=1

 

INFO

Aus dem Online-Lexikon Presserecht der Initiative Tageszeitung (itz):

Re­dak­ti­ons­sta­tut

Ver­ein­ba­rung zwi­schen Ver­lag, Chef­re­dak­ti­on und den Mit­ar­bei­tern der Re­dak­ti­on über Mit­wir­kungs­rech­te bei der Ge­stal­tung des Me­di­ums. Sei­ne Gel­tung ist in der Re­gel in den An­stel­lungs­ver­trä­gen der Re­dak­teu­re ver­ein­bart. Re­dak­ti­ons­sta­tu­te se­hen in der Re­gel u. a. ei­nen Re­dak­ti­ons­rat vor, der von den Re­dak­teu­ren zu wäh­len ist. Der Re­dak­ti­ons­rat kann aus sach­li­chem Grund der Be­ru­fung oder Ent­las­sung ei­nes Chef­re­dak­teurs wi­der­spre­chen. Da­ne­ben be­ste­hen wei­te­re Be­tei­li­gungs­rech­te.

Ein Re­dak­ti­ons­sta­tut ei­nes Zei­tungs­ver­la­ges, das von den Re­dak­ti­ons­mit­glie­dern, den Her­aus­ge­bern und der Un­ter­neh­mens­lei­tung be­schlos­sen wur­de und das u. a. ein Mit­spra­che­recht bei der Be­ru­fung oder Ent­las­sung ei­nes Chef­re­dak­teurs vor­sieht, ist recht­lich wirk­sam. So schei­ter­te z. B. der Ver­such des Mann­hei­mer Mor­gen, das haus­ei­ge­ne Re­dak­ti­ons­sta­tut als nicht mehr zeit­ge­mäß auf­zu­kün­di­gen. Da­ge­gen klag­ten Re­dak­teu­re der Zei­tung und Mit­glie­der des Re­dak­ti­ons­rats. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf ih­ren An­trag fest­ge­stellt, dass das Re­dak­ti­ons­sta­tut un­ge­kün­digt fort­be­steht (Ent­schei­dung vom 19.06.2001 – 1 AZR 463/00).

Auch ei­ne Re­vi­si­on beim Bun­des­ar­beits­ge­richt blieb er­folg­los. Es ver­stößt nicht ge­gen das ge­setz­li­che Ver­tre­tungs­mo­no­pol des Be­triebs­rats, denn es ent­hält Be­tei­li­gungs­rech­te nur, so­weit Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­ra­tes oh­ne­hin aus­ge­schlos­sen sind. Das Re­dak­ti­ons­sta­tut bin­det das Ver­lags­un­ter­neh­men auch nicht in ei­ner mit ih­rer Pres­se­frei­heit un­ver­ein­ba­ren Wei­se.

Quelle: http://initiative-tageszeitung.de/lexikon/redaktionsstatut/

 

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