Vorschlag aus Österreich: Redakteure sollen Chefredakteur abwählen können
Wir müssen einen großen Schritt weiter gehen, die Rechte der Redakteure zu stärken. Die Redakteure sollen etwa ein Jahr nach Dienstantritt neuerlich über diese Führungskraft abstimmen können. Wenn eine große qualifizierte Mehrheit diese Person auch nach dieser Zeit ablehnt, kann diese Person damit abgewählt werden. Das wäre dann ein bindendes Votum.
So antwortete Alexander Wrabetz (56), Generaldirektor des ORF, des österreichischen Rundfunks, in einem Interview mit Harald Fidler vom Standard. Wrabetz kann die bedeutenden Führungspositionen besetzen, seine Position entspricht der eines Intendanten in Deutschland. Wrabetz war Medien-Mann des Jahres, zur Zeit kämpft er um seine eigene Wiederwahl für eine dritte Amtszeit.
Hintergrund seines Vorschlags ist offenbar die Sorge, dass Politiker auch in Österreich – nach einem nicht unwahrscheinlichen Regierungswechsel – immer größeren Einfluss auf die staatlichen Sender nehmen können:
Von Polen über Ungarn bis Kroatien folgen politischen Veränderungen sehr rasch tiefe Eingriffe in die Strukturen öffentlich-rechtlicher Sender. Daher ist es wichtig, Redakteursrechte ordentlich abzusichern. Wahrscheinlich bedeutet das einen Komfortverlust, und vielleicht bereue ich das auch einmal. Aber gerade in Zeiten, wo rundherum alles im Fluss ist, werden demokratische Legitimation und stärkere journalistische Unabhängigkeit noch wichtiger.
In Deutschland erlaubt ein Redaktions-Statut im staatlichen Rundfunkt sowie in einigen Zeitungen wie etwa taz, Südwest-Presse oder Mannheimer Morgen, dass ein Redaktions-Rat zumindest ein Veto gegen die Berufung eines Chefredakteurs oder eines Leitenden Redakteurs einlegen kann.
Noch radikaler wäre die Forderung, die Leser oder Zuschauer wählten den Chefredakteur. Sogar in den USA, wo das Volk selbst den Sheriff wählt, bestimmen die Leser nicht den Chefredakteur ihrer Lokalzeitung.
Quelle:
INFO
Aus dem Online-Lexikon Presserecht der Initiative Tageszeitung (itz):
Redaktionsstatut
Vereinbarung zwischen Verlag, Chefredaktion und den Mitarbeitern der Redaktion über Mitwirkungsrechte bei der Gestaltung des Mediums. Seine Geltung ist in der Regel in den Anstellungsverträgen der Redakteure vereinbart. Redaktionsstatute sehen in der Regel u. a. einen Redaktionsrat vor, der von den Redakteuren zu wählen ist. Der Redaktionsrat kann aus sachlichem Grund der Berufung oder Entlassung eines Chefredakteurs widersprechen. Daneben bestehen weitere Beteiligungsrechte.
Ein Redaktionsstatut eines Zeitungsverlages, das von den Redaktionsmitgliedern, den Herausgebern und der Unternehmensleitung beschlossen wurde und das u. a. ein Mitspracherecht bei der Berufung oder Entlassung eines Chefredakteurs vorsieht, ist rechtlich wirksam. So scheiterte z. B. der Versuch des Mannheimer Morgen, das hauseigene Redaktionsstatut als nicht mehr zeitgemäß aufzukündigen. Dagegen klagten Redakteure der Zeitung und Mitglieder des Redaktionsrats. Das Landesarbeitsgericht hat auf ihren Antrag festgestellt, dass das Redaktionsstatut ungekündigt fortbesteht (Entscheidung vom 19.06.2001 – 1 AZR 463/00).
Auch eine Revision beim Bundesarbeitsgericht blieb erfolglos. Es verstößt nicht gegen das gesetzliche Vertretungsmonopol des Betriebsrats, denn es enthält Beteiligungsrechte nur, soweit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ohnehin ausgeschlossen sind. Das Redaktionsstatut bindet das Verlagsunternehmen auch nicht in einer mit ihrer Pressefreiheit unvereinbaren Weise.
Quelle: http://initiative-tageszeitung.de/lexikon/redaktionsstatut/
1 Kommentar
Diskutieren Sie mit uns den Artikel "Vorschlag aus Österreich: Redakteure sollen Chefredakteur abwählen können"
Ähnliche Artikel zum Thema
- Franz Josef Wagner findet das Internet furchtbar und sehnt sich zurück an die gute alte Zeit der Leserbriefe
- „Zeit“-Redakteure: Faktenfuzzis und Selbstironie-Verweigerer
- Kulturpessimismus? Soziale Netzwerke überholen Zeitungen (Zitat der Woche)
- Innenminister gibt ein wenig nach
- Korrespondent in Israel: Mittags als Reporter im Krieg, abends als Familienvater zu Hause
[…] Werbung als Geschäfts-Grundlage der Zeitung immer weiter wegbricht. Er reagiert zum Blogeintrag „Redakteure sollen Chefredakteur abwählen können“ in einem […]