Was ist ein Gastbeitrag? Muss man dafür bezahlen? (Leser fragen)

Geschrieben am 13. Dezember 2014 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 13. Dezember 2014 von Paul-Josef Raue in 37 Kommentar, Aktuelles, I. Die Meinung.

Wissen wir eigentlich, was unsere Leser unter unseren Fachbegriffen verstehen? Was ist etwa ein „Gastbeitrag“?

Wer meint, das sei doch klar, der schaue in den Brief eines Lesers; er hatte einen langen, mit der Hand geschriebenen Brief geschickt, in dem er sich über den Gastbeitrag von Klaus von Dohnanyi zum Mauerfall und zur Rot-Rot-Grünen Koalition in der Thüringer Allgemeine ärgert. Am Ende seines Briefs fragt der Leser an Dohnanyi gewandt:

„Ich weiß nicht, ob Sie Geld dafür bekommen haben. Mussten Ihre Zeilen in der Zeitung von Ihnen bezahlt werden? Wer kann Gastbeiträge in der ,Freien Presse‘ drucken lassen?“ Der Chefredakteur antwortet in seiner Samstag-Kolumne „Leser fragen“:

Gastbeiträge werden nicht honoriert, auch müssen die Autoren dafür nicht bezahlen. Gastbeiträge werden von der Redaktion erbeten, um ein schwieriges oder umstrittenes Thema ausführlich zu ergründen und zur Diskussion zu stellen. Einige Beispiele:

  • Klaus von Dohnanyi war Minister, Hamburger Bürgermeister und arbeitete in Thüringen für die Treuhand; er ist ein Politiker, der weiß, wovon er spricht – und wem er widerspricht. Sein Beitrag hat polarisiert – und das sollte er auch bewirken.
  • Der Erfurter Carsten Schneider ist ein wichtiger Thüringer Abgeordneter im Bundestag, oft in der Tagesschau zu sehen. Er schrieb aus SPD-Sicht über die Rot-Rot-Grüne-Koalition und setzte sich mit der Geschichte von SPD und SED in der DDR auseinander.
  • Ralf-Uwe Beck ist Pfarrer und Sprecher des „Bündnisses für Mehr Demokratie in Thüringen“: Wir dokumentierten in Auszügen eine beeindruckende Rede, die er vor Managern und Unternehmern auf der Wartburg gehalten hatte.
  • Udo Reiter war Intendant des MDR und seit Jahren an den Rollstuhl gebunden. Er schrieb über Sterbehilfe und die persönlichen Gründe, warum er sein Leben selbst beenden könnte.

Gastbeiträge geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sie sollen zur Debatte anregen oder sogar anstacheln – so wie es auch jeder gute Kommentar und Leserbrief tun sollte. Wenn ich mich über eine Meinung errege, werde ich gezwungen, meine Gründe zu formulieren: Warum bin ich anderer Meinung?

Das Bundesverfassungsgericht schrieb in einem Urteil: „Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen, die andere sich gebildet haben.“ Eine gute Zeitung reizt also zur Debatte – und trägt diese auch aus.

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Thüringer Allgemeine 13. Dezember 2014

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