Was ist ein Sprachklischee? Wolf Schneider und Nietzsche antworten
Vor allem Kritiker nutzen gerne das „Klischee“, um einem Autor vorzuwerfen, er wiederhole, was Dutzende vor ihm schon gesagt haben; und er wiederhole es mit oft benutzten Worten, ohne eigene Erfindung. Für Wolf Schneider ist das Sprachklischee „die stets präsente, tausendfach benutzte Floskel“, aber sieht es nicht nur negativ: „Sprachfreunde wenden sich mit Grausen – doch gerade die gestanzte Form erleichtert das Verständnis.“
Friedrich Nietzsche denkt beim Klischee an das materielle Vorbild, die Druckform, mit der unzählige Blätter produziert werden können. Beim Nachdenken über die großen Männer in der Geschichte schreibt er:
Die Massen scheinen mir nur in dreierlei Hinsicht einen Blick zu verdienen: einmal als verschwimmende Kopien der großen Männer, auf schlechtem Papier und mit abgenutzten Platten hergestellt…
Das Klischee also als „verschwimmende Kopie auf schlechtem Papier und mit abgenutzten Platten“.
Quellen
Wolf Schneider „Deutsch für Profis“, Kapitel „Wo verständliches und gutes Deutsch sich trennen“
Friedrich Nietzsche: Unzeitgemäße Betrachtungen, Kapitel 23 / Das komplette Zitat: „Die Massen scheinen mir nur in dreierlei Hinsicht einen Blick zu verdienen: einmal als verschwimmende Kopien der großen Männer, auf schlechtem Papier und mit abgenutzten Platten hergestellt, sodann als Widerstand gegen die Großen, und endlich als Werkzeuge der Großen; im übrigen hole sie der Teufel und die Statistik! Wie, die Statistik bewiese, daß es Gesetze in der Geschichte gäbe? Gesetze? Ja, sie beweist, wie gemein und ekelhaft uniform die Masse ist: soll man die Wirkung der Schwerkräfte, Dummheit, Nachäfferei, Liebe und Hunger Gesetze nennen? „
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