Wie EM-Reporter die deutsche Sprache verhunzen: Ein Fall für die „medizinische Abteilung“ (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 4. Juli 2016 von Paul-Josef Raue.
Die Moderatoren-Stars bei der EM 2016: Matthias Opdenhövel und Mehmet Scholl, ausgezeichnet mit dem Deutschen Fernsehpreis. (Foto: ARD)

Die Moderatoren-Stars bei der EM 2016: Matthias Opdenhövel und Mehmet Scholl, ausgezeichnet mit dem Deutschen Fernsehpreis. (Foto: ARD)

Seit drei Wochen schleichen Fußballer vom Rasen – mit „muskulären Problemen“. So näseln TV-Moderatoren, so äffen es Zeitungsreporter nach. Sogar Nachrichtenredakteure beugen sich: Mario Gomez, so schreibt die FAZ heute, war „mit muskulären Problemen vom Platz gehumpelt“.

Schleicht Euch!, möchte man den Journalisten zurufen, die solch einen Unsinn reden und schreiben. Das deutsche Wort für Adjektiv heißt „Eigenschaftswort“: Also ist „muskulär“ die Eigenschaft des Problems? Nein, das Problem hat keine Muskeln, aber die Muskeln haben ein Problem.

Problematische Muskeln wäre richtig, aber schräg. Adjektive sind die am meisten überschätzte Wortart: Auf sie in neun von zehn  Fällen zu verzichten, ehrt den Journalisten. Als Alternative bietet sich fast immer das zusammengesetzte Substantiv an – ein Vorzug der deutschen Sprache im Vergleich zu den meisten anderen.

Aber in der Begeisterung, alles, auch Unsinn, aus der englischen Sprache zu nehmen, zertrümmern wir unsere Substantive: „Muscular problems“ sagt der englische Reporter, wenn einer der Stars dahinhumpelt. „Muskelprobleme“ ist das deutsche Wort, ohne Adjektiv, dafür sofort verständlich.

Im Kuppeln von Substantiven ist die deutsche Sprache der englischen überlegen. „In Fahrtrichtung rechts“, sagt der Schaffner im Zug, damit wir die richtige Tür wählen. „In the direction of travel“, wiederholt er: Drei Wörter statt einem.

Und wer kümmert sich um die Muskelprobleme? Der Arzt? Nein, die „medizinische Abteilung“, weiß der TV-Reporter. Schleicht Euch!

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Quelle: FAZ 4. Juli 2016 („Deutschland im Halbfinale ohne Khedira“)

1 Kommentar

  • Es gibt keine Sportreporter mehr. Wer da kommentiert, der hat einen „Mann“ im Ohr. Und man bedient sich zudem eines „Experten“. Die Show (Einschaltquote) steht im Mittelpunkt – Faktenwissen ist eher hinderlich.

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