Wie lange darf man ein Thema zum Aufmacher treiben?

Geschrieben am 3. August 2013 von Paul-Josef Raue.

Die Frage kennen Redaktionen: Können wir das Thema am dritten Tag immer noch als Aufmacher bringen?

In Thüringen wechselt der Regierungssprecher als Vorstand zu einer Internet-Firma. Er kündigt nicht seinen Job in der Regierung, sondern bekommt von der Ministerpräsidenten den goldenen Handschlag – also viel Geld bis ins hohe Alter.

Ein Leser aus Sondershausen schreibt an die Thüringer Allgemeine (TA):

Was ist mit der TA los? Zum dritten Mal in dieser Woche wird auf der Titelseite der TA die Provinzposse mit Herrn Zimmermann wiedergekäut.

Gibt es nichts Wichtigeres und/oder Besseres zu berichten? Dieser Gaul ist doch schon sowas von tot geritten, töter geht nicht (extra für Sie als Liebhaber der deutschen Sprache).

Es ist ja schön, wenn die Redakteure Luther beherzigen und „den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie (was) sie reden“, aber ich bezweifle, ob die Leser dies zu würdigen wissen. Mal abgesehen davon, dass diese Berichterstattung meiner Meinung nach die Politikverdrossenheit massiv fördert.

(Ironie ein) Wenn meine Frau nicht gern den Hägar läse, hätte ich womöglich die TA schon abbestellt (Ironie aus). Mir ist zwar klar, dass die vielen Seiten der TA täglich irgendwie „gefüllt“ werden müssen und Redakteure auch nur Menschen sind, aber die ständigen Wiederholungen sind eine Beleidigung jedes denkenden Menschen und nerven.

In seiner Samstags-Kolumne „Leser fragen“ antwortet der Chefredakteur:

Provinzposse? Provinz: Ja – wir leben in Thüringen, wir leben gerne hier, wir schämen uns nicht. Posse? Nein – wir haben die Arroganz der Macht an einem Beispiel offenbart; wir haben der Regierung klar gemacht, wie das Volk, das sie vertritt, denkt; wir haben den Mächtigen gezeigt, dass in einer Demokratie Kontrolle wichtig ist – und wir, die Journalisten, sie ernsthaft ausüben.

Die Aufmacher zur Zimmermann-Affäre waren auch keine Wiederholungen. Das Drama hatte, wie in der griechischen Tragödie, drei Akte:

> Der Jammer am ersten Tag: Was ist passiert?

>Der Schrecken am zweiten Tag: Droht eine Katastrophe?

> Am dritten Tag die Lösung, die „Katharsis“: die Reinigung.

Oder glauben Sie, Herr Schwartz, dass eine Regierung schwach wird – wenn wir einmal berichten und dann „Wichtigeres“ auf die erste Seite heben? Ermuntern sie die Mächtigen nicht, durch Schweigen, Halbwahrheiten und Aussitzen die Probleme in ihrem Sinne zu lösen?

„Provinzposse“ – so sähen es die Mächtigen gerne. Wir, die Redakteure, sehen es anders. Durch unsere Kontrolle der Macht fördern wir keine Politikverdrossenheit, sondern zeigen, wie stark eine Demokratie ist – in der Kontrolle funktioniert.

Thüringer Allgemeine 3. August 2013

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