Wie Redaktionen mit Pressereisen umgehen und was der Pressekodex regelt
„Ein Schaf für Gott, ein Schnaps für den Menschen“, titelte die FAZ am 9. März in ihrem Reiseteil über eine Fahrt in den Osten Georgiens. Eine halbes Jahr vorher hatte dieselbe Autorin von einer Reise nach Georgien in der Welt berichtet: „Die Urheimat des Weins“ (15. Oktober 2016). Die beiden Reportagen unterschieden sich zwar deutlich, doch fußten sie offenbar auf einer Pressereise des Veranstalters Via Verde.
Die Welt setzte unter die Reportage den Hinweis:
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Via Verde. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit
Die Regeln für Pressereisen hat der Springer-Verlag, zu der die Welt gehört, so festgeschrieben:
Einladungen, Geschenke und Pressereisen
Die Gefährdung unabhängiger journalistischer Arbeit durch persönliche Vorteilsnahme ist Gegenstand der Ziffer 15 des Pressekodex. Schon der Anschein, die Entscheidungsfreiheit von Journalisten könne durch Gewährung von Einladungen oder Geschenken beeinträchtigt werden, ist zu vermeiden.
Die Journalisten bei Axel Springer
- tragen dafür Sorge, dass alle Kosten (Reisekosten, Bewirtungen etc.), die im Zusammenhang mit Recherchen entstehen, grundsätzlich durch die Redaktion übernommen werden. Ausnahmen sind von der Chefredaktion zu genehmigen und in der Berichterstattung entsprechend kenntlich zu machen.
- nehmen keine Geschenke an, die den Charakter einer persönlichen Vorteilsnahme haben, oder geben diese – falls die Annahme unvermeidbar ist – an den Verlag weiter, der diese karitativen Zwecken zuführt.
Ein solcher Hinweis fehlt bei der FAZ-Reportage. Der Leser kann dies indirekt dem Info-Kasten entnehmen „In der Wildnis Georgiens“: Dort wird auf den Veranstalter hingewiesen mit Preisen und Web-Adresse. Reicht das?
In Ziffer 15, Richtlinie 15.1, schreibt der Pressekodex vor:
Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie diese Finanzierung kenntlich.
Im seinem Jahresbericht 2013 geht der Presserat ausführlich auf Pressereisen ein:
Ohne Transparenz geht es nicht. Die Offenlegung, auf wessen Kosten ein Journalist auf Recherche unterwegs war, ist erforderlich. Nur durch dieses Grundprinzip kann die Glaubwürdigkeit der Presse gewahrt werden.
Nur wenige Beschwerden gingen beim Presserat ein, „weil der Leser einen möglichen versteckten Einfluss bei der Berichterstattung schwer erkennen kann. Lediglich ein Hinweis wurde ausgesprochen, weil eine Regionalzeitung eine Reportage über eine Flusskreuzfahrt, zu der er von einem Veranstalter eingeladen wurde, nicht entsprechend gekennzeichnet hatte“.
Für den Presserat ist dies nicht nur ein Problem des Reisejournalismus. Sollen Recherchen überhaupt von Dritten finanziert werden? Es geht um Einladungen von Wirtschaftsunternehmen zu Bilanzpressekonferenzen im Ausland, Produktvorstellungen in der Elektronikbranche oder Vorstellungen von neuen Automodellen.
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Wenn man sich Reiseteile in Zeitungen anschaut, stellt man fest, dass Gebahren wie dieses, bis auf ganz wenige Ausnahmen, die Regel darstellen. Längst übernehmen Tourismusbüros, PR-Büros oder andere Institutionen, die zu Pressereisen einladen, indirekt die inhaltliche Planung. Vor allem Skigebiete in den Alpen, aber auch Kreuzfahrtanbieter sind recht rege auf diesem Gebiet.
Aktiv werden in regionalen Verlagen keine Reiseteile mehr gestaltet. Es wird genommen was kommt,oder was externe Anbieter anbieten, meist zusammengehauen aus PR-Meldungen und ähnlichem. Den Ort, der vorgestellt werden soll, hat dann maist kein Redakteur mehr gesehen.
Credo: Hauptsache der Content kostet den Verlag kein Geld – in erster Linie natürlich Reisekosten aber auch Honorare für externe Texte. Selbst Chefredakteure von Reginalzeitungen lassen sich zur Teilnahme an Pressereisen herab.
Normalerweise funktioniert das so: Angebotene Pressereisen werden über den großen Mailverteiler in der Redaktion angeboten. Wer sich schnell meldet, bekommt den Zuschlag. Aber nur wer bereit ist, die Teilnahme an der Reise mit eigenen Urlaubs- oder Freizeitausgleichstagen abzugelten. Der Verlag spart also doppelt.
Diese Angebote werden aber auch von großen Verlagen genutzt, wie das Beispiel der FAZ zeigt. Wenn einem Verlag ein Reiseteil nicht mehr wichtig ist, ist es eine nachvollziehbare Entscheidung, diesen ganz einzustampfen. Die Leser an der Nase herumzuführen ist schlimmer und kostet auf Dauer Credibility.